# taz.de -- DFB-Team in der Gruppenphase: Total superseriös | |
> Das DFB-Team unter Voss-Tecklenburg beendet mit 9:0 Toren und Punkten die | |
> Vorrunde und nimmt sich nun Österreich im Viertelfinale vor. | |
Bild: Kraftvoller Einsatz: Nicole Anyomi (l.) attackiert Finnlands Essi Sainio | |
Es dauerte bis zur 40. Minute, bis einer dieser Bälle von der Grundlinie | |
verwertbar in den Strafraum segelte. Da hatte Lena Lattwein den Angriff | |
eingeleitet, Aktivposten Svenja Huth technisch fein auf rechts übernommen | |
und einen Steilpass auf Gwinn gespielt, die von der Grundlinie auf Sophia | |
Kleinherne flankte. Die deutsche Nationalelf führte mit 1:0. | |
Es war kein sonderlich vergnügliches Spiel, das das deutsche Team in Milton | |
Keynes gegen Finnland bot. Das lag einerseits an den Finninnen, die sich | |
defensiv verbarrikadierten, jedoch nicht in der Lage waren, gefährliche | |
Konter zu spielen, und vor allem Schadensbegrenzung betrieben. Wenn selbst | |
beim Stand von 0:3 nur ein Team mitspielt, ist das eine etwas zähe | |
Angelegenheit. | |
Und zweitens lag es an der diesmal fehlerhafteren deutschen Elf, die vor | |
allem in der ersten Halbzeit zu unpräzise spielte und Mühe hatte, gegen | |
stabil stehende Finninnen zu Chancen zu kommen. Als die Partie in den | |
letzten zehn Minuten ausplätscherte, verließen viele Fans schon das | |
Stadion. Der Kick war ihnen zu müde. | |
## Wuchtige Kopfbälle | |
Zu sportlich unbedeutend war dieses letzte Gruppenspiel, auf zu vielen | |
Positionen verändert war das DFB-Team, um etwa aus schwachen Hereingaben | |
und Standards wirkliche Erkenntnisse zu ziehen. Wird es im Viertelfinale | |
gegen ein womöglich ähnlich defensives Österreich an kreativen Lösungen | |
mangeln? Gegen Finnland reichte Schema F aus: Flanken von der rechten | |
Grundlinie, wuchtige Kopfbälle. | |
Positiv lässt sich die enorme taktische Flexibilität hervorheben: Wieder | |
haben die Deutschen sich beim ungefährdeten 3:0-Sieg auf eine völlig anders | |
auftretende Gegnerin eingestellt, wieder haben sie sich gut geschlagen. Wie | |
Voss-Tecklenburg nachher süffisant feststellte: „Wenn irgendwer vorher | |
darauf gewettet hätte, dass wir diese [1][Gruppe mit drei Siegen und 9:0 | |
Toren] beenden, hätte er viel Geld verdient.“ Die Bundestrainerin befand | |
das Spiel als „nicht brillant, aber superseriös“. | |
## Psychologische Streicheleinheit | |
Die Partie war vor allem eine psychologische Streicheleinheit für die | |
Ersatzspielerinnen, von denen nun jede ihren Einsatz bekam. Und ein | |
bisschen was fürs Herz gab’s auch: Die Außenverteidigerinnen Sophia | |
Kleinherne, die zuvor in der Vorwärtsbewegung oft fehlerhaft blieb, und | |
[2][Nicole Anyomi], die nach ihrer Einwechslung auf rechts ein starkes | |
Spiel und viel Betrieb machte, hatten von der Bundestrainerin die Lizenz | |
zum Stürmen bekommen und erzielten beide ihr Debüttor im Nationalteam. | |
Anyomi leitete auch mit gutem Auge das 2:0 ein. „Heute Morgen hab ich ihr | |
gesagt: Nicki, ich hab das Bauchgefühl, du machst heute ein Tor“, so | |
Voss-Tecklenburg über Anyomi. „Da hat sie gelacht.“ Der gelernten | |
Angreiferin Anyomi, die auf der rechten Abwehrseite noch fremdelt, soll | |
dieser Treffer helfen, ihre Rolle zu finden. Ein EM-Debüt nach Maß war es | |
allemal. | |
Der Blick geht nun Richtung Österreich. Das temperamentvolle Team erwartet | |
die Deutschen am Donnerstag im Viertelfinale; es ist eine mit | |
Bundesliga-Spielerinnen gespickte Elf. Die These, dass das ein Hinweis auf | |
die große Qualität der Bundesliga sei, ist angesichts der | |
Vorrundengegnerinnen Nordirland und der erschreckend schlechten | |
Norwegerinnen allerdings mit Vorsicht zu genießen. | |
Eine bemerkenswerte Entwicklung hat Österreich in den vergangenen Jahren in | |
jedem Fall hinter sich. Und mit Laura Wienroither, Sarah Zadrazil oder | |
Nicole Billa internationale Klasse, mit der die Deutschen umgehen müssen. | |
Gern wollte die versammelte Presse ein paar knackige Kampfansagen zum | |
Nachbarschaftsduell. | |
Die deutschen Spielerinnen taten ihr den Gefallen nicht. „Österreich ist | |
eine eingespielte und sehr erfahrene Mannschaft. Dass wir gegen sie | |
spielen, ist sehr spannend und gut, weil wir viele Mädels aus der | |
Bundesliga kennen und uns gut darauf einstellen können“, dozierte Linda | |
Dallmann in abgeklärter Floskelei. | |
Aus deutscher Sicht wird eine Bestbesetzung möglich sein: Die an Corona | |
erkrankte Lea Schüller sei kurz davor, sich freitesten zu können, die | |
verletzten Lina Magull und Sydney Lohmann sind wohl zum Viertelfinale | |
wieder fit. Die gelbgesperrten Lena Oberdorf und Felicitas Rauch werden | |
ebenfalls zurückkehren. | |
Die Pflichtaufgabe Finnland war so schnell vergessen, wie sie genommen war, | |
das Erkenntnispotenzial bleibt beschränkt. „Es wäre cool, wenn es zu null | |
bleibt im Turnier“, beschied Voss-Tecklenburg halb im Scherz. „Das wäre | |
eine gute Basis.“ | |
17 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://de.uefa.com/womenseuro/ | |
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Nicole_Anyomi | |
## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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