# taz.de -- Corona im Globalen Süden: Bei uns ist der Lockdown Luxus | |
> Der Stillstand der Wirtschaft ist für die Menschen in armen Staaten eine | |
> Katastrophe. Sie sind existenziell bedroht. | |
Bild: Die Coronakrise trifft den globalen Süden besonders hart, hier in Uganda… | |
In manchen Gegenden Deutschlands herrscht eine Art [1][Ausgangssperre]. Die | |
häusliche Gewalt steigt an. Das Gesundheitssystem ist am Anschlag. Einige | |
Firmen und Restaurants werden trotz Staatshilfe pleitegehen. Doch im | |
globalen Maßstab sind das derzeit Luxusprobleme. Niemand weiß, wie viele | |
Corona-Fälle es zwischen Guayaquil und Mumbai gibt. Die offiziellen Zahlen | |
sind kaum brauchbar. Doch klar ist: Auch ohne massenhafte Infektionen sind | |
die Folgen massiv. | |
Die teils rabiat durchgesetzten Ausgangssperren und die globale Rezession | |
führen in ein Desaster, das weit schlimmer sein wird als die Schäden der | |
Finanzkrise 2009. Den Lockdown, den Stillstand der Wirtschaft, muss man | |
sich leisten können. In Hamburg und München ist das möglich. Wo Tagelöhner | |
von der Hand in den Mund leben, in Wirtschaften, in denen die Menschen | |
mehrheitlich ohne Arbeitsverträge oder Arbeitslosenversicherung jobben und | |
keine Staatshilfen in Sicht sind, geht es kaum. | |
Die [2][indischen Wanderarbeiter], die vor dem Hunger fliehen, sind ein | |
Menetekel. Diese Krise ist eine wuchtige, existenzielle Bedrohung. Je ärmer | |
die Staaten und Bevölkerungen sind, desto heftiger sind die Auswirkungen | |
der Krise. Genau in dem Moment, in dem der Globale Süden Hilfe von den | |
reichen Staaten benötigt, passiert das Gegenteil. Das Geld fließt nicht von | |
Norden nach Süden, sondern umgekehrt. Mehr als 100 Milliarden Dollar sind | |
seit Jahresanfang aus dem kriselnden Süden von Investoren abgezogen worden. | |
Ohnehin wackelige Haushalte in den armen Staaten kollabieren. Die USA und | |
Europa, vor allem Deutschland, können es sich hingegen leisten, Billionen | |
Dollar und Euro in Wirtschaft und Sozialsysteme zu pumpen. Es ist | |
naheliegend, dass die westlichen Gesellschaften derzeit auf sich selbst | |
starren. Aber dieser Blick hat etwas Enges und Herzloses. Die Solidarität | |
nach innen funktioniert. Was jenseits der gut befestigten Grenzen passiert, | |
verschwindet mehr als sonst vom Wahrnehmungsradar. | |
## Mindestens ein Schuldenmoratorium | |
Die westlichen Regierungen tun sehr viel, um Ärzten das moralische Dilemma | |
zu ersparen, zu wählen, welcher Patient die rare nötige Behandlung bekommt, | |
welcher nicht. Das ist richtig. Doch zu einer Ethik des Notfalls gehört das | |
Globale. Der Westen aber tut wenig. | |
Das Mindeste ist ein Schuldenmoratorium, wie es [3][IWF und Weltbank] | |
vorgeschlagen haben – und zwar nicht nur für die allerärmsten Staaten, | |
sondern für all jene überschuldeten Staaten, die nun Milliarden in den | |
Norden transferieren, anstatt ihre maroden Gesundheitssysteme zu retten. | |
Ist es derzeit nicht schlicht unmoralisch, Zinsen von Staaten zu kassieren, | |
die Geld für das schiere Überleben benötigen? | |
6 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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