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# taz.de -- Indien versucht das Unmögliche: Die größte Ausgangssperre der We…
> Premierminister Modi verhängt zur Eindämmung des Coronavirus eine
> Ausgangssperre in ganz Indien. Betroffen sind über 1,3 Milliarden
> Menschen.
Bild: Einkaufsschlange vor einem Lebensmittelgeschäft in Mumbai am Mittwoch
MUMBAI taz | „Machen Sie sich keine Sorgen. Verlassen sie das Haus nicht,
es geht um ihre eigene Gesundheit“, tönt es aus dem Lautsprecher des
Polizeiwagens. Seit Verkündung der landesweiten Ausgangssperre am Vorabend
umkreist ein weißer Polizeiwagen die Häuserblocks im Süden der
Wirtschaftsmetropole Mumbai.
Nach der Ansprache des indischen Premiers Narendra Modi am Dienstagabend,
in der er die vorerst bis zum 14. April gültigen massiven Einschränkungen
verkündete, eilten vielerorts die Menschen aus den Häusern, um noch schnell
das Nötigste zu besorgen. Dabei waren allerdings in vielen Landesteilen
schon Ausgangsbeschränkungen verhängt worden. Die erlaubten, sich mit
Lebensmitteln oder Medikamenten zu versorgen, was auch weiterhin der Fall
ist.
Modi sprach eindringlich aus, was ohnehin bereits gefordert und teilweise
schon umgesetzt wurde. Dass möglichst viele Menschen ihre Unterkünfte nicht
verlassen und räumliche Distanz wahren: „Wenn wir diese 21 Tage nicht gut
bewältigen, dann wird das Land um 21 Jahre zurückgeworfen. Viele Familien
werden für immer zerstört“, warnte er.
Doch ergreift die Regierung nun weitere drastische Maßnahmen zur Eindämmung
der Coronapandemie, nachdem sie den [1][internationalen Flugverkehr bereits
ausgesetzt] und [2][Exportbeschränkunen für Medikamente] erlassen hatte.
Bisher waren Coronainfizierte in Indien vor allem TouristInnen, reisende
InderInnen und deren Kontaktpersonen. In den letzten Tagen waren die
Infektionen stetig angestiegen und haben inzwischen die 500er Marke
überschritten.
## Kritikern kommt der sogenannte Lockdown zu spät
Jetzt scheinen die Warnungen, dass Indien sich zu einem neuen
Coronabrennpunkt mit Millionen Infizierten entwickeln könnte, gewirkt zu
haben. Doch gibt es auch Kritik, dass der sogenannte Lockdown zu spät
komme. Anderseits blieb so zumindest einigen der WanderarbeiterInnen etwas
Zeit, noch ihre Familien zu erreichen. Denn für viele ist das Leben in
Megacities wie Mumbai ohne Einkommen zu teuer.
Schon seit Samstagabend stehen die meisten Eisenbahnzüge still, auch der
Inlandsflugverkehr. Nicht alle konnten so noch ihr Ziel erreichen. Neben
Bildern von kaschmirischen Studierenden, deren Flug im südindischen
Bangalore gestrichen wurde, zeigten Onlinemedien viele Gestrandete an
Bahnhöfen.
Eine halbe Million Menschen hat zuletzt allein Mumbai verlassen. Darunter
sind Bau- und Hilfsarbeiter, Personal aus der Gastronomie oder FahrerInnen.
Geblieben sind die meisten der mindestens 8 Millionen BewohnerInnen der
Slums. Für sie wird das Wasser knapp. Auch räumliche Distanz einzuhalten
dürfte hier kaum funktionieren.
Einige Frauen, die als Hausangestelle arbeiten, bekommen ihren Lohn
teilweise weitergezahlt. Arbeiten können jetzt nur noch wenige, wie der
60-jährige Gemüsehändler Naresh, der nach wie vor am Straßenrand sitzt,
solange er Nachschub bekommt.
## Lokalregierungen versprechen mehr Lebensmittelhilfe
Der Ruf nach einer Grundsicherung wird lauter. Einige Lokalregierungen
haben versprochen, die staatlichen Lebensmittelzuteilungen für arme
Menschen zu erhöhen. Die Opposition kritisiert, es gäbe gar nicht genügend
Vorräte.
Noch Sonntagabend hatten Menschen das Ende einer nur eintägigen
Ausgangssperre gefeiert. Doch statt wie von Modi gefordert vom Balkon aus
zu feiern, den viele InderInnen gar nicht haben, gab es Straßenumzüge.
Auf WhatsApp kursierte die Falschmeldung, dass Glockenläuten und Klatschen
sowohl Viren und Bakterien als auch bösen Mächten die Kraft nehmen würden.
Bereits früher haben Falschnachrichten in Indien eine tödliche Dynamik
entfaltet und sich schneller verbreitet als jetzt das Virus. Auch gegen
Fake News könnte die Ausgangssperre helfen.
Schon ab Mitte März war das öffentliche Leben in der
20-Millionen-Einwohner-Metropole Mumbai schrittweise eingeschränkt worden.
Milliardenschwere Industrien wie Bollywood mussten ihre Arbeit einstellen,
nur Börsen und Bankgeschäfte durften weiterlaufen.
Auch in anderen Landesteilen waren Schulen, Einkaufszentren oder Kinos
geschlossen worden. Hilfsorganisationen, die die Ärmsten versorgen,
versuchen weiterzuarbeiten. Aber Vivek Pai, Leiter eines Lepraprojekts,
sagt, dass Mitarbeiter wie Betroffene in ihrer Bewegungsfreiheit
eingeschränkt seien. „Unsere Aktivitäten haben sich verringert“, sagt der
Hautspezialist.
25 Mar 2020
## LINKS
[1] /Indien-schliesst-wegen-Corona-die-Grenzen/!5672929
[2] /Indien-schraenkt-Export-ein/!5669491
## AUTOREN
Natalie Mayroth
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Indien
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