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# taz.de -- Corona-Krise in Schleswig-Holstein: Ministerin will Abitur absagen
> Das Reifezeugnis solle es 2020 ohne schriftliche Prüfung geben, fordern
> Schüler. Schleswig-Holstein will das mit den Kultusministern diskutieren.
Bild: Abi trotz Abwesenheit? Blick auf leere Stuhlreihen in der Aula des geschl…
Hamburg taz | Schleswig-Holstein will wegen der Corona-Krise das Abitur
absagen. „Ich werde der Kultusministerkonferenz vorschlagen, dass wir keine
Abiturprüfungen mehr abnehmen“, sagt CDU-Bildungsministerin Karin Prien am
Nachmittag. Statt dessen sollte die Note anhand bisher erbrachter
Leistungen errechnet werden. Ihr sei es aber wichtig, sich mit allen
Ländern auf einen „gemeinsamen Weg“ zu einigen.
Damit greift Karin Prien exakt die Forderung der Hamburger Schüler Filippa
Steffens und Paul Gringel auf. Beide sind beide Asthmatiker. Und beide
sollen in der Corona-Krise ab 16. April in Hamburg Abitur schreiben. „Auch
andere Mitschüler gehören wie wir zur Risikogruppe“, sagt Gringel. „Wir
haben kein gutes Gefühl dabei, mit 20 Personen in einem Raum zu sitzen.“
Ein ausgetauschter Stift, das Berühren eines Tisches, die Benutzung der
Toiletten könnte ausreichen, das Sars-CoV-2-Virus zu übertragen.
Die beiden Schüler der „Winterhuder Reformschule“ starteten vor wenigen
Tagen die [1][ungewöhnliche Petition „Abi Umdenken 2020“]. „Schwierige
Zeiten erfordern moderne Problemlösungen“, sagen sie. Deutschlandweit
sollte die rund 350.000 Abiturienten das Reifezeugnis ohne schriftliche
Prüfung erhalten. Ein „Durchschnittsabitur“, nennen sie es. Das heißt: Die
jeweils individuelle Abiturnote würde gebildet aus den 32 bis 40
einzubringenden Kursnoten, die die Schüler in zwei Jahren Oberstufe
belegten.
„Wir haben ausgerechnet, dass wir in der Oberstufe 2.000 Stunden Unterricht
haben, da sollten die 15 Stunden Abi-Prüfung nicht so viel Gewicht haben“,
sagt die 19-jährige Filippa. Wer sich verbessern wollte, könnte per
Videocall eine mündliche Leistung erbringen, auf freiwilliger Basis.
„Ich finde den Vorschlag ziemlich charmant“, sagt der Familienvater Armin
Oertel. Denn die Abiturnote setze sich eh zu zwei Dritteln aus den
Kursnoten zusammen. Durch die schriftliche Prüfung ändere sich letztlich
die Gesamtnote höchstens „um ein oder zwei Stellen hinter dem Komma“.
Der Sozialwissenschaftler weist auf die psychische Belastung durch Corona.
„Die Schüler sind total verunsichert, wissen nicht, wie es weitergeht. Da
eine Prüfung durchzuziehen, ist unpädagogisch“. Die Tage zu Hause „fühlen
sich nicht an wie Ferien“, sagt auch seine Tochter Jonna Henze. Die
Prüfungsvorbereitung sei sehr erschwert. Der Kontakt zu Lehrern bestehe nur
über Mail und sei „häufig mühsam“.
## Gerechtigskeits-Problem
Bis Dienstagmittag unterzeichneten schon 72.000 Menschen die Petition. Das
starre Festhalten am Abi-Termin spreche der Situation im Lande Hohn,
schreibt Lehrer Heino Schäfer. „Nur für Menschen in Prüfungen soll Social
Distancing nicht gelten?“ Er regt an, auch für die Prüfungen zum Ersten und
Mittleren Abschluss so zu verfahren.
In Hessen fanden schon die ersten Prüfungen statt, teils hatten Lehrer
dabei Mundschutz an. Bayern,Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und weitere
Länder kündigten an, in den Mai zu verschieben. In Hamburg indes hält
Schulsenator Ties Rabe (SPD) am Termin fest, führte nur für Nachschreiber
eine „dritte Terminschiene“ ein. Eine generelle Verschiebung sei wegen der
frühen Sommerferien nicht möglich.
Bei einem Verzicht auf die schriftliche Prüfung stelle sich „die
Gerechtigkeitsfrage“ zu anderen Abiturjahrgängen, so Albrecht. Denn
üblicherweise fiele das schriftliche Abi „etwas schlechter aus“. Auch
könnte ein Wegfall der zentralen Prüfungen zu „künstlich erhöhten
Abiturnoten“ führen. Deshalb müsse eine „faire Lösung“ her. Armin Oert…
überzeugt das nicht. „Wie fair ist es, die Schüler zu zwingen, jetzt zu den
Prüfungen zu gehen?“
## Kultusminister sichern Anerkennung zu
Immerhin scheint aus Sicht Kultusministerkonferenz (KMK) die Forderung von
„Abi Umdenken“ nicht abwegig. Sie vereinbarten in ihrer März-Sitzung, dass
das Abitur 2020 gegenseitig anerkannt wird. Auch für den Fall, dass
Prüfungen ausfallen, solle es eine Regelung geben, „die die gegenseitige
Anerkennung sichert“, erklärt KMK-Präsidentin Stefanie Hubig.
Sogar der Deutsche Philologenverband hält die Idee für gangbar. „Je
nach,Corona-Situationʻ ist ein erster möglicher Schritt das Verschieben von
Abiturprüfungen“, sagt die Vorsitzende Susanne Lin-Klitzing. Doch
sollte das nicht mehr möglich sein, könnte „das letzte fehlende Drittel der
Abiturnote aus den bereits erbrachten Vorleistungen ersatzweise berechnet
werden“. Die ginge, weil die Abiturnote „so gut konstruiert“ sei. „Zwei
Drittel der Abiturnote sind ja bereits aus den ersten beiden Jahren in der
Oberstufe, den vier Kurshalbjahren erbracht.“ Die Frage ist, ab wann dieser
Fall eintritt. „Wir würden gerne mit Verantwortlichen sprechen, um das zu
klären“, sagt Schüler Paul. Mit Karin Prien hat sich nun eine angeboten.
Schulsenator Ties Rabe hielt Priens Entscheidung am Abend offenbar schon
für gesetzt und erklärte: „Ich bedaure, dass Schleswig-Holstein im
Alleingang, ohne die anderen Länder zu informieren, die Abiturprüfungen
komplett ausfallen lässt.“ Man werde jetzt zügig prüfen, welche
Auswirkungen dies auf das Abitur in Hamburg haben wird, und „für Klarheit
sorgen.“
Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel nachträglich um die Stellungnahme
von Ties Rabe ergänzt.
24 Mar 2020
## LINKS
[1] https://www.change.org/p/peter-tschentscher-abi-2020-umdenken?recruiter=fal…
## AUTOREN
Kaija Kutter
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