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# taz.de -- Corona-Konjunkturprogramm: Ringen ums Klima beim Aufbau
> Zum Petersberger Klimadialog wollen 68 Konzerne ein
> Öko-Konjunkturprogramm. Doch der BDI will die Klimaziele für 2030
> aufweichen.
Bild: In Bogotá hat die Regierung wegen Corona mehr Fahrradstreifen anlegen la…
BERLIN taz | Das wahrscheinlich wichtigste Klimatreffen des Jahres 2020,
der Petersberger Klimadialog, hat am Montag die Fronten zwischen
Befürwortern und Gegnern von schnellem und entschlossenem Klimaschutz in
der deutschen Wirtschaft offen gelegt. Während Umweltministerin Svenja
Schulze (SPD) betonte, ein Konjunkturprogramm nach der Coronakrise müsse
sich an Klimaschutz und Jobs orientieren und darin von Verbänden und einem
Aufruf von 68 Unternehmen bestärkt wurde, bremste der Bundesverband der
deutschen Industrie (BDI) diesen Elan – man müsse die Klimaziele 2030 „auf
den Prüfstand stellen“, erklärte der stellvertretende
BDI-Hauptgeschäftsführer Holger Lösch.
Beim Klimadialog treffen sich zum elften Mal, erstmals virtuell, die
Vertreter von etwa 30 Staaten, um informell über internationale Fragen der
Klimapolitik zu verhandeln. Weil für dieses Jahr die großen UN-Konferenzen
wegen der Coronakrise verschoben sind, ist das Treffen ein besonders
wichtiges Forum. Hauptthema für die Debatten zwischen Staaten, aber auch
Städten, Wirtschaftsvertretern und Umweltverbänden, ist die Frage, mit
welchen „grünen Stimulus-Paketen“ nach der akuten Coronakrise die
Wirtschaft wieder in Gang kommen soll. Mit Spannung wird erwartet, welchen
Kurs Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrer Rede am Dienstag vorgibt.
Für Schulze, die das Treffen moderiert, ist klar: Erst einmal gehe es um
die akute Rettung von Unternehmen in Liquiditätsproblemen. Deshalb wollte
sie auch keine Öko-Bedingungen für eine Rettung der Lufthansa fordern, über
die die Bundesregierung derzeit mit der Fluglinie verhandelt. Aber nach der
Krise, so Schulze, müsse „bei einem Neustart der Wirtschaft ein
Konjunkturpaket einen klaren Kompass haben“. Das heiße: Es dürfe nicht
schädlich für das Klima sein und müsse auf „die sozial-ökologische
Transformation einzahlen“.
## Klimaschützer Thyssenkrupp und Bayer?
Unterstützt wurde die deutsche Umweltministerin dabei vom britischen
Ökonomen Nicholas Stern, der warnte, auf keinen Fall dürfe es als Reaktion
auf die globale Rezession nach der Pandemie „ein Zurück zur alten, braunen
Wirtschaft“ und zur Sparpolitik der Länder geben. Investitionen in saubere
Energie, Transport, Gesundheit, Naturschutz, moderne Städte und Bildung
seien jetzt nötig.
Auch Sharan Burrow vom internationalen Gewerkschaftsbund betonte, die
Krisen von Corona, Klima und nachhaltiger Entwicklung ließen sich nur durch
mehr Jobs und internationale Zusammenarbeit lösen.
Diesen Kurs hatte auch ein offener Brief von 68 deutschen Unternehmen zu
Beginn des Treffens verlangt. Die Firmen, unter ihnen Schwergewichte wie
Thyssenkrupp, Bayer, Allianz, SalzgitterAG, E.On oder Heidelbergcement,
fordern, mit einem „Klima-Konjukturprogramm unsere Wirtschaft krisenfester
(zu) machen“. Sie wollen einen „ambitionierten“ Green Deal der EU und
ambitionierte Klimaziele aller Staaten unter dem Pariser Abkommen.
Diese bislang einmalige Koalition aus allen Branchen war von der Stiftung 2
Grad zusammengebracht worden. Deren Vorständin Sabine Nallinger sagte: „Die
Unternehmen brauchen nach der Coronakrise Planungs- und
Investitionssicherheit, denn sie haben begonnen, ihre Geschäftsmodelle
klimafreundlich auszurichten.“ Auch Daimler-Chef Ola Kälenius rief in einer
Videobotschaft dazu auf, die Klimakrise wie Corona gemeinsam zu bekämpfen,
„durch Allianzen jenseits der angeblichen Interessengruppen“.
## Wer braucht schon Klimaziele?
Dem Bundesverband der deutschen Industrie fehlt allerdings die Begeisterung
für die eher allgemeinen Ziele der Erklärung. Die deutsche Industrie halte
zwar am 2050-Ziel der EU für Klimaneutralität fest. Aber: „Die
Zwischenziele für 2030 müssen aufgrund der veränderten wirtschaftlichen
Lage dringend auf den Prüfstand“, so der BDI. Gemeint sind damit die Pläne
der EU, die CO2-Reduktion bis 2030 von derzeit 40 auf 50 bis 55 Prozent zu
verschärfen.
Die Angst des BDI: Durch die Krise hätten in Zukunft Staaten, Unternehmen
und private Konsumenten deutlich weniger Geld für Investitionen zur
Verfügung. Kapital für die Erholung nach der Coronakrise werde bei der
Finanzierung des EU-GreenDeal fehlen, die Unternehmen damit überfordert –
vor allem in Ländern wie Italien drohe eine De-Industrialisierung. Für den
BDI muss daher der Green Deal zu einem Smart Deal werden. Man solle sich
auf Gebäudesanierung, Energieeffizienz, Digitalisierung,
Kreislaufwirtschaft, die Wasserstofftechnologie und CO2-freie Brennstoffe
konzentrieren – was den Zielen des Green Deal kaum widerspricht.
Die Chefin des Verbandes der Energie- und Wasserunternehmen BDEW, Kerstin
Andreae, konterte: Konjunkturprogramme nach Corona müssten „einen Beitrag
zu einer nachhaltigeren Wirtschaft leisten“. Es ergebe „keinen Sinn, das
Wirtschaften von vorgestern zu subventionieren“. Andreae weiter: „Meine
große Bitte ist, dass sich die Wirtschaft jetzt nicht spaltet oder spalten
lässt. Beim Klimaschutz das Rad zurückzudrehen ist keine Lösung.“
27 Apr 2020
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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