# taz.de -- Computerspiel-Swatting als neuer Trend?: Wenn das Spiel zur Realit�… | |
> Gamer in den USA hetzen sich gegenseitig die Polizei auf den Hals, um zu | |
> gewinnen. Psychologen sehen darin eine bedenkliche Entwicklung. | |
Bild: Wenn das SEK an die Tür klopft. Gamer nutzen Swatting, um zu gewinnen. | |
DENVER ap | Online-Spieler in den USA versuchen immer häufiger, ihren | |
virtuellen Gegnern Besuch von der Polizei zu bescheren und dabei live | |
zuzusehen. Sie setzen angebliche Notrufe ab und beobachten über ein kleines | |
Fenster im Spiel in Echtzeit im Netz, wie ein Polizeiteam ihre Rivalen ins | |
Visier nimmt. Die Zahl solcher Streiche nehme zu, berichten US-Behörden und | |
Experten. | |
„Swatting“, wie dies in Anlehnung an den Begriff „Swat“ für | |
Spezialeinheiten der Polizei genannt wird, ist ein Phänomen, das vor | |
einigen Jahren zunächst ganz andere traf. Damals richteten sich die bösen | |
Scherze nicht gegen Spieler, sondern gegen Prominente wie Tom Cruise. | |
Häuser bekannter Sänger und Schauspieler in Los Angeles bekamen plötzlich | |
Besuch von der Polizei. Ein Jugendlicher, der es auf Justin Bieber und | |
Ashton Kutcher abgesehen hatte, wurde festgenommen. | |
Nun trifft es Teilnehmer von Kampfspielen wie „Call of Duty“ oder | |
„Counterstrike“, die im Internet mit und gegen eine Vielzahl anderer Gamer | |
gespielt werden können. In diesen Spielen gibt es Fenster, auf denen man | |
die Gesichter der anderen auf seinem eigenen Bildschirm sehen kann. | |
„Das ist, als ob man seine eigene Folge von 'Cops' erzeugt“, sagt der auf | |
Online-Verhalten spezialisierte Psychologe John Grohol. „Cops“ ist eine | |
seit Jahrzehnten in den USA erfolgreiche Reality-TV-Serie, in der man | |
Polizisten bei ihrer täglichen Arbeit zusehen kann. | |
## Swattern drohen empfindliche Strafen | |
Das Vorgehen des Swattings ist simpel: Die Spieler, die oft etliche | |
Kilometer voneinander entfernt sitzen, schauen die Adressen ihrer | |
Kontrahenten im Telefonbuch nach. Ihre eigene Identität verschleiern sie | |
mit einem Online-Programm, so dass die Notrufzentrale ihre Telefonnummer | |
nicht erkennen kann. Wenig später ist ein Polizeiteam auf dem Weg zu einer | |
vermeintlichen Straftat. | |
Ein solcher Anruf in Long Beach im US-Staat New York hat Behördenangaben | |
zufolge im April zum Einsatz von 60 Polizisten und geschätzten Kosten von | |
100.000 Dollar (rund 77.000 Euro) geführt. Ermittlungen haben ergeben, dass | |
Frustration des Anrufers nach einer Niederlage bei „Call of Duty“ dahinter | |
steckte. Die Beamten fanden bei ihrem vermeintlichen Einsatz nur einen | |
Teenager vor, der mit Kopfhörern vor seinem Computer saß. | |
Ende August wurden in Bradenton in Florida mindestens 15 Beamte in das Haus | |
eines professionellen Videospielers gerufen. Der Anrufer hatte sich als die | |
Tochter des Mannes ausgegeben und gesagt, ihr Vater sei bewaffnet und | |
betrunken, wie ein Polizeisprecher berichtet. Stattdessen spielte der | |
Verdächtige gerade eine Runde „Minecraft“ – auf einer Online-Plattform, … | |
der Millionen Gaming-Fans fremden Spielern beim Zocken zuschauen. Nicht mal | |
eine Woche später bekam der Notdienst wieder einen Anruf aus Bradenton, in | |
dem von einer Bombendrohung in einer Tankstelle gesprochen wurde. | |
Ein 21-Jähriger aus Connecticut wurde am 10. September festgenommen, weil | |
er für die Anrufe in Florida und mindestens vier weiteren US-Staaten | |
verantwortlich sein soll. Das Problem trifft kleinere Polizeibehörden wie | |
die der Stadt Littleton im Staat Colorado mittlerweile so stark, dass sie | |
beim FBI die Hilfe von Spezialisten für Internetkriminalität erbeten haben. | |
## Spiel und Realität verschmelzen | |
Psychologen glauben, dass hinter diesen Streichen nicht nur der Spaß für | |
Anrufer und Mitspieler steckt. Im Swatting zeige sich das Verschmelzen von | |
Realität und Fantasie, sagen Experten. Speziell in Kriegsspiele würden die | |
Gamer so hineingezogen, dass sie alles Weitere hinten anstellen, erläutert | |
die Direktorin des Erholungszentrums für Internetsüchtige, Kimberly Young. | |
„Sie wollen um jeden Preis gewinnen, dafür setzen sie auch die Sicherheit | |
anderer aufs Spiel.“ Das echte Leben werde für manche bedeutungslos. Alles, | |
was zähle, sei der Erfolg in diesen Spielen, sagt Young. „Swatting | |
erscheint für sie dann als Teil des Spiels.“ | |
Die gefährlichen Scherze sorgen für teils bizarre Szenen wie die des | |
Spielers Jordan Mathewson. Als er am 27. August eine Runde „Counterstrike“ | |
spielte – [1][das Ganze wurde in einem Video aufgenommen] –, hörte er | |
hinter sich plötzlich Polizisten im Anmarsch. Statt in Panik zu verfallen, | |
hebt Mathewson die Hände und sagt in die Kamera: „Ich glaube, wir wurden | |
gerade geswattet.“ | |
Hinter ihm rufen schwerbewaffnete Polizeieinheiten derweil, er solle sich | |
auf den Boden legen. Sie legen ihm Handschellen an und durchsuchen ihn. | |
„Ich vermute“, sagt Mathewson dann, „ein Witzbold dachte, es wäre lustig, | |
euch Bescheid zu sagen“. | |
15 Sep 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.youtube.com/watch?v=SGnPUUQ1ZoA | |
## AUTOREN | |
Sadie Gurman | |
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