| # taz.de -- Café Moskau für ein paar Tage Café Kyiv: Ein Zeichen der Solidar… | |
| > Zu DDR-Zeiten ging Ostberlin hier schick essen, heute ist es eine | |
| > Eventlocation in Privathand. Das Café Moskau hat sich ins „Café Kyiv“ | |
| > verwandelt. | |
| Bild: Demo unter dem Motto „Wir werden nie vergessen“ an der Berliner Karl-… | |
| Eine schwache Frühlingssonne gibt sich große Mühe, die Stadt etwas | |
| aufzuhellen, als ich aus der U-Bahn-Station Schillingstraße komme. Von | |
| jenseits der Karl-Marx-Allee grüßt mit schlichter Eleganz das [1][Kino | |
| International]. Doch mein Ziel ist das temporär in „Café Kyiv“ umbenannte | |
| [2][Café Moskau], wo an diesem 27. Februar eine Veranstaltung zum Thema | |
| Ukraine stattfindet. | |
| Initiiert hat das Event die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung, mit einer | |
| beeindruckenden Anzahl so unterschiedlichen Partnern wie der Europäischen | |
| Kommission und der Non-Profit-Organisation Bake for Ukraine, die mit | |
| Brotverkauf Spenden für die Ukraine generiert. | |
| Das Gebäude, auf dem jetzt in großen Buchstaben der Name der ukrainischen | |
| Hauptstadt prangt, wurde 1964 in der Hauptstadt der DDR eröffnet. Auf zwei | |
| Etagen befanden sich ein Nationalitätenrestaurant mit 600 Plätzen, | |
| Tee- und Mokkastube und ein Tanzcafé. Eine elegante Location – die Eltern | |
| meiner Ostberliner Freundin feierten dort ihre Hochzeit. | |
| Ich habe sie darum beneidet, denn ich selber habe das Café Moskau noch nie | |
| von innen gesehen. Nach der Wende stand das Gebäude ein Jahrzehnt leer, | |
| dann wurde es als Club wiedereröffnet. Heute ist es eine teure | |
| Eventlocation in Privatbesitz. Schon seit 1990 stehen Gebäude und auch die | |
| großen „Café Moskau“-Buchstaben auf dem Dach unter Denkmalschutz. | |
| ## Inklusive Namensänderung | |
| Zum Jahrestag des russischen Großangriffs auf die Ukraine verwandelte sich | |
| das Gebäude für vier Tage ins „Café Kyiv“. Inklusive provisorischer | |
| Namensänderung auf dem Dach. | |
| Die Veranstaltung ist eine Art intellektuelles Festival mit Workshops, | |
| Diskussionen, Talks. Mit Salons und Kultur, einem Designermarkt für | |
| ukrainische Mode, Schmuck und Lebensmittel, Fotoausstellungen und Filmen. | |
| Es ist so etwas wie ein Crashkurs in ukrainischer Geschichte, Politik und | |
| Kultur. | |
| In Räumen, die jetzt nach ukrainischen Städten heißen, kann man so | |
| illustren Gästen wie dem ukrainischen Botschafter und der FDP-Politikerin | |
| Marie-Agnes Strack-Zimmermann zuhören. Sich von namhaften Historikerinnen | |
| wie [3][Gwendolyn Sasse] und Franziska Davies die komplexe ukrainische | |
| Geschichte erklären lassen. Von Jurist*innen und Militärhistorikern | |
| erfahren, was es mit dem geplanten Sondertribunal für Kriegsverbrecher und | |
| den Schwierigkeiten des ukrainischen Nato-Beitritts auf sich hat. | |
| Im Raum „Luhansk“ erzählt eine Sanitäterin über ihre Zeit im belagerten | |
| Asowstal-Stahlwerk. In „Kherson“ referiert kurz darauf die bekannte | |
| ukrainische Autorin Oksana Sabuschko über das falsche Bild, das man sich im | |
| Westen nach 1989 von der Situation in Osteuropa gemacht hatte. | |
| ## Ein bisschen aus der Zeit gefallen | |
| Am frühen Nachmittag brauche ich eine Pause. Zwar gibt es kostenlose | |
| Getränke und Brezeln, aber Mittagessen und frische Luft wären auch ganz | |
| gut. Statt bei den schmackhaft aussehenden ukrainischen Spezialitäten im | |
| Haus stelle ich mich im Innenhof an einem usbekischen Foodtruck in die | |
| Schlange für eine Portion Plow. Der Verkäufer spricht schlecht Deutsch und | |
| gut Russisch, was hier fast ein bisschen aus der Zeit gefallen wirkt. | |
| Auch anderenorts blitzt die Sowjetunion durch – wenn auf den Bildschirmen | |
| der Konferenzräume die aktuelle Anzeige verschwindet und man plötzlich die | |
| früheren Namen der Räume lesen kann: „Tallinn“ etwa, Hauptstadt des | |
| EU-Mitglieds Estland. Oder Asgabat – Hauptstadt des mittelasiatischen | |
| Turkmenistans. Orte, die früher in einem gemeinsamen Land lagen – bis die | |
| Sowjetunion 1991 zerfiel. Ein Riesenreich, das einige gerne | |
| wiederauferstehen lassen würden. | |
| In seiner Eröffnungsrede bat Norbert Lammert, ehemaliger | |
| Bundestagspräsident und heute Direktor der Konrad-Adenauer-Stiftung, die | |
| Gäste, sich doch beim Berliner Senat dafür einzusetzen, dass der Name „Café | |
| Kyiv“ erhalten bleiben dürfe. Zumindest für die Dauer des russischen | |
| Angriffskriegs. Auch wenn Denkmalschutz in Deutschland so wichtig sei. „Die | |
| Ukraine steht leider nicht unter Denkmalschutz.“ | |
| 5 Mar 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Kino_International | |
| [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Caf%C3%A9_Moskau | |
| [3] /Osteuropa-Expertinnen-ueber-Frieden-in-Ukraine/!5914792 | |
| ## AUTOREN | |
| Gaby Coldewey | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| wochentaz | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| Geschichte Berlins | |
| Karl-Marx-Allee | |
| Kolumne Großraumdisco | |
| Kino Berlin | |
| Kolumne Großraumdisco | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| DEFA-Filmmarathon im Kino Babylon: Mit DDR-Filmlegende im Kino | |
| Das Kino Babylon in Berlin zeigt die 100 besten DEFA-Filme der 1970er | |
| Jahre. Darunter ist der wohl bekannteste: „Die Legende von Paul und Paula“. | |
| Theaterperformance in Bremen: Mit dem Horn voran | |
| Begegnungen zwischen Mensch und Fabelwesen sind mitunter für beide | |
| herausfordernd. Chiara Bersani spielt in „Seeking Unicorns“ mit | |
| Zuschreibungen. | |
| Vinylbar in Berlin: Ein Gefühl von Tokio | |
| Schallplattenhören ist eine kulturelle Aneignung. In der Bar Rhinoçéros in | |
| Prenzlauer Berg gibt es dazu noch eine japanische Note. |