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# taz.de -- CDU-Parteitag in Berlin: Das wäre doch gelacht
> Mit Klamauk mischt der CSU-Chef den Parteitag der CDU auf und bringt das
> Publikum so auf seine Seite. Merz kontert mit Raubtiervergleich.
Bild: Markus Söder in Aktion beim CDU-Bundesparteitag
Berlin taz | Der Tagungspräsident muss die Delegierten zur Disziplin
ermahnen. Über Stunden sei die [1][Arbeitsatmosphäre beim CDU-Parteitag]
konzentriert gewesen, und so solle es nun bitte auch weitergehen, sagt der
EVP-Abgeordnete David McAllister in den trubeligen Saal. Der Grund für die
ausgelassene Stimmung am Dienstagnachmittag ist Markus Söder. Der bayrische
Ministerpräsident setzt mit einer einstündigen Rede ein Ausrufezeichen bei
der Schwesterpartei, macht Witze in Richtung Kanzlerkandidatur, zieht über
die Grünen her und schwört die Konservativen auf Europa ein – und die
CDU-Delegierten lachen dankbar alles weg.
Söder liefert das Intermezzo nach sechs Stunden Antragsberatungen auf dem
Berliner CDU-Parteitag. Die Union ist hier zusammengekommen, um ihr neues
Grundsatzprogramm zu beschließen, das die Partei deutlich konservativer
verortet. Kurz vor dem Auftritt des CSU-Chefs stimmte die Union für eine
schrittweise Wiedereinführung der Wehrpflicht und sprach sich dafür aus,
die Bearbeitung von Asylverfahren in Deutschland abzuschaffen. Am Vortag
hatten die Delegierten mit etwa 90 Prozent [2][Friedrich Merz als
Vorsitzenden bestätigt]; der CDU-Chef hatte mit einer verhältnismäßig
zurückhaltenden Rede für sich geworben.
Anders Söder. Als sich der bayrische Ministerpräsident unter dem
rhythmischem Klatschen der CDU-Delegierten den Weg durch den Pulk auf dem
Parteitag bahnt, kann er sich seiner Beliebtheit in der Schwesterpartei
sicher sein. Kurz vor seinem Auftritt hatte der Sender RTL eine Umfrage
veröffentlicht, nach der Söder in der Bevölkerung einen größeren Rückhalt
als Kanzlerkandidat hätte als Merz. 29 Prozent der Befragten sagten demnach
im „Trendbarometer“, der bayrische Ministerpräsident würde mehr Stimmen
erhalten, für Merz sprachen sich 25 Prozent aus.
## Söder spielt mit der K-Frage
Söder scheint es bei seiner Rede mal wieder zu genießen, bei der K-Frage
mit den Nerven des hinter ihm auf der Bühne versammelten CDU-Präsidiums zu
spielen. „Keine Sorge, wir werden alles lösen“, ruft er in den Saal. „An
mir wird der Erfolg 2025 nicht scheitern.“ Die Unionsparteien würden
gemeinsam die Bundesregierung ablösen, so Söder unter lautem Jubel der
Delegierten. Über die [3][konservative Neuaufstellung] der CDU spricht er
mehrfach in großen Tönen, nur um am Ende zu sagen: „Jetzt genug gelobt, am
Ende glaubt es noch jemand.“
Anders als Merz vor ihm teilt der CSU-Chef auch gehörig gegen die
Bundesregierung aus und nimmt – wie könnte es anders sein – vor allem die
Grünen ins Visier. Lauten Jubel aus dem Saal erhält er dann auch, als er
eine weitere Gegenposition zu Friedrich Merz bezieht: „Ich weiß nicht, ob
ich Ricarda Lang als Ministerin sehen will. Ich bin gegen Schwarz-Grün“,
ruft Söder, und erntet lauten Applaus im Saal. Der CDU-Chef will eine
solche Koalition inzwischen nicht mehr kategorisch ausschließen.
Söder gibt sich als freundlicher Landesfürst und kommt mit seinen Kalauern
beim Parteitag der Schwesterpartei gut an. Mit dem kleinen Komik-Einmaleins
des deutschen Konservativismus, das Söder runterrattert, gehen die
Seitenhiebe auch besser runter. Der Parteitag erfährt, dass der CSU-Chef
schon mal eine vegane Wurst gegessen hat („probieren Sie es nicht“) und wie
sich eine CDU-Präsidiumssitzung bekifft vielleicht leichter aushalten
ließe.
## Bayrischer Löwe und Berliner Bär
Dabei betont der Ministerpräsident auch seine Weltgewandtheit. Söder
erzählt, wie er beim Treffen der G7 von anderthalb Jahren in Bayern länger
mit dem indischen Regierungschef Narendra Modi zusammengessen habe. „Europa
soll begreifen, dass eure Probleme nicht die Probleme der Welt sind“, habe
ihm Modi gesagt. Das habe ihm zu denken gegeben, sagt der CSU-Chef, und er
wolle fortan dafür kämpfen, Europa besser zu machen.
Nach der Rede Söders macht auch Merz bei den Anspielungen rund um die
Kanzlerkandidatur innerhalb der Unionsfamilie mit, durchaus im Spaß. Der
CDU-Chef betont die mühsam wieder hergestellte Einigkeit zwischen den
Parteien und die Zusammenarbeit im Bundestag, die es nicht zu gefährden
gelte.
Symbolisch überweist Merz bei stehendem Applaus im Saal Söder einen
Berliner Bären, der wie ein Bayrischer Löwe ein Raubtier sei – allerdings
einige hundert Kilo schwerer. „Löwe und Bär legen sich in der Regel nicht
miteinander an, wenn es um die Verteidigung von Jagdgbieten geht.“ Die
Union, sie steht zu ihrem Zirkus.
8 May 2024
## LINKS
[1] /CDU-fuer-Wiedereinfuehrung-der-Wehrpflicht/!6009343
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[3] /Grundsatzprogramm-der-CDU/!6006217
## AUTOREN
Cem-Odos Güler
Sabine am Orde
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