# taz.de -- Grundsatzprogramm der CDU: Ruck nach rechts | |
> Das neue CDU-Grundsatzprogramm riecht streng nach gestern. Das ist gut | |
> so, denn eine Zukunft haben die Volksparteien nur, wenn sie voneinander | |
> zu unterscheiden sind. | |
Bild: Noch geben sie sich wie die besten Freunde: Friedrich Merz und Markus Sö… | |
Die CDU will schrittweise die Wehrpflicht wieder einführen und klammert | |
sich an die Atomkraft. Die gravierendste Kursänderung betrifft Migration. | |
Deutschland soll sich mit einem Ruanda-Modell Flüchtlinge vom Leib halten. | |
Und Ausländer, die hierzulande leben, sollen sich gefälligst zu einer | |
deutschen Leitkultur bekennen, von der niemand sagen kann, um was es sich | |
dabei genau handelt. All das riecht streng nach gestern. | |
Die Post-Merkel-Partei träumt 2024 in ihrem Grundsatzprogramm von einem | |
Land, das es schon mal gab: die Bundesrepublik der Kohl-Ära, mit | |
[1][Atomkraftwerken], Wehrpflicht und [2][Ausländern, die man auf Distanz | |
hält]. Die Union bewegt sich unter Friedrich Merz nach rechts. Nicht | |
ruckartig, aber deutlich. Dieser Retrosound entspricht der Sehnsucht der | |
Veränderungsmüden, für die Fortschritt wie eine Drohung klingt. | |
Ist diese Wende von Übel? Ein Treibhaus für Ressentiments? Immer wenn | |
Konservative ihre rechte Seite stärken, warnen Linksliberale reflexhaft, | |
dass sie damit das Geschäft der Rechtsextremen betreiben und Minderheiten | |
an den Pranger stellen. Diese Gefahr ist real. Aber sie ist nicht mehr so | |
groß wie vor ein paar Jahrzehnten. Früher agierten PolitikerInnen eher als | |
gate keeper, die die Grenzen des Sagbaren markierten. | |
[3][In den Zeiten von Social Media] und autonomen Meinungsblasen haben | |
PolitikerInnen diesen Einfluss nicht mehr in diesem Maß. Die CDU tut aus | |
zwei Gründen das Richtige. Ihre Rechtswende nutzt ihrer Kenntlichkeit – und | |
die nutzt dem bundesdeutschen Volksparteiensystem. In der [4][Ära Merkel] | |
sind die Unterschiede zwischen Union und SPD verschwommen. Beide Parteien | |
wirkten wie Flügel einer Staatspartei. | |
## Mit Merz gegen die AfD | |
Eine Zukunft haben die Volksparteien nur, wenn sie wieder klare | |
Alternativen bilden – moderat rechts und moderat links. Die Bundesrepublik | |
ist mit dem Volksparteiensystem gut gefahren. Was danach kommt, wird | |
populistischer, nervöser, hysterischer. Zweitens: Es gibt eine | |
migrationsskeptische Stimmung, egal, ob die CDU von Leitkultur redet. Diese | |
Skepsis ist eine Reaktion auf das rasende Veränderungstempo der letzten | |
Jahrzehnte und hat den ganzen Westen erfasst. | |
Eine Mitte-rechts-Partei, die das ignoriert und nicht einzuhegen versucht, | |
erzeugt ein Vakuum, in dem sich Rechtsextreme noch mehr ausbreiten. Ja, das | |
ist ein Balanceakt. Abstürze, wie Merz’ Gepolter gegen ukrainische | |
„Sozialtouristen“, sind jederzeit möglich. Aber die AfD mit einer | |
freundlichen Daniel-Günther-Partei zu bekämpfen, die fast klingt wie die | |
Grünen – wäre das aussichtsreich? | |
7 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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