# taz.de -- C-Waffen-Angriff in Syrien: Giftiger Streit über Giftgas | |
> Die Zahl der Toten des Angriffs von Chan Scheichun steigt auf 72. | |
> Russland stellt sich schützend vor die Assad-Regierung. | |
Bild: Überlebende der Attacke | |
Berlin taz | Nach dem verheerenden mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien am | |
Dienstag zeichnet sich keine einheitliche internationale Linie ab. | |
Russlands Regierung nannte am Mittwochnachmittag kurz vor einer | |
Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats den vorliegenden | |
Resolutionsentwurf „inakzeptabel“ und kündigte eine Fortsetzung ihrer | |
militärischen Unterstützung für die syrische Regierung an. | |
Die USA, Großbritannien und Frankreich hatten Syriens Regierung für den Tod | |
von mindestens 72 Menschen durch Giftgas im Ort Chan Scheichun im syrischen | |
Rebellengebiet der Provinz Idlib Dienstagfrüh verantwortlich gemacht. Der | |
Ort wurde am Mittwoch nach Angaben der lokalen Zivilverteidigung erneut aus | |
der Luft angegriffen. | |
Sowohl Syriens als auch Russlands Regierungen haben bestätigt, dass die | |
syrische Luftwaffe Angriffe auf Chan Scheichun geflogen hat. Sie behaupten | |
aber, dass dabei keine chemischen Kampfstoffe eingesetzt wurden. | |
Vielmehr, so das russische Verteidigungsministerium, hätten die Angriffe | |
zwischen 11.30 Uhr und 12.30 Uhr Ortszeit „ein wichtiges Munitionslager von | |
Terroristen“ getroffen, in dem sich „Werkstätten zur Herstellung von | |
Projektilen voller Giftstoffe“ befanden. „Aus diesem wichtigen Arsenal | |
heraus wurden chemische Waffen an Militante im Irak geliefert“, behauptete | |
Ministeriumssprecher Igor Konaschenkow weiter. | |
## Chemiewaffen gehen anders | |
Die russische Version wurde umgehend von Experten als unglaubwürdig | |
zurückgewiesen. Zum einen gab es die ersten Berichte und Bilder vom Angriff | |
bereits um 9.33 Uhr Ortszeit am Dienstag. Zum Zweiten, wie ein | |
Chemiewaffenexperte im BBC-Interview ausführte, sei es nicht möglich, durch | |
einen Luftangriff die Ausbreitung von am Boden gelagerten Giftgas | |
herbeizuführen. | |
Chemische Kampfstoffe wie das infrage kommende Sarin werden im Allgemeinen | |
sowieso nicht als solche aufbewahrt, weil sie dafür viel zu instabil sind. | |
Ihre Komponenten werden getrennt gelagert und direkt vor dem Einsatz | |
kombiniert, um mittels chemischer Reaktion zum Kampfstoff zu werden, | |
erklärt der britische C-Waffen-Experte Dan Kaszeta. Aus Syrien – dessen | |
Regierung nach verheerenden Giftgasangriffen nahe Damaskus im August 2013 | |
unter internationaler Aufsicht einen Großteil, aber nicht 100 Prozent, | |
ihrer Chemiewaffenbestände vernichtet hat – sei kein anderer Umgang mit | |
C-Waffen bekannt. | |
„Selbst unter der Annahme, dass große Mengen der beiden Sarin-Komponenten | |
im gleichen Teil der gleichen Lagerstätte aufbewahrt worden seien – und das | |
wäre eine merkwürdige Praxis –, führt ein Luftschlag nicht zur Entstehung | |
großer Mengen Sarin“, so Kaszeta. „Auf die Komponenten eine Bombe zu | |
werfen, ist nicht der korrekte Mechanismus, um Nervengas herzustellen.“ | |
Alle Experten sagen, die vorliegenden Informationen würden auf die | |
Freisetzung von Giftgas im Rahmen eines Luftangriffs hindeuten, wofür in | |
Syrien nur das Regierungslager infrage kommt. Die Organisation für das | |
Verbot chemischer Waffen (OPCW), die seit 2014 im UN-Auftrag Vorwürfe von | |
Chemiewaffeneinsätzen in Syrien untersucht, sagte, sie sei dabei, | |
„Informationen von allen verfügbaren Quellen zu sammeln und zu | |
analysieren“. | |
Erste Teams sind aus der Türkei unterwegs, wohin auch überlebende Opfer | |
evakuiert worden sind. | |
5 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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