# taz.de -- Biologin über Gipfel zu Biodiversität: „Säule unserer Existenz… | |
> Der Schutz der biologischen Vielfalt ist elementar, sagt Nicola Uhde. | |
> Anlässlich des UN-Sondergipfels zum Thema fordert sie, es ernster zu | |
> nehmen. | |
Bild: Aus den Augen, aus dem Sinn? Die Gefahr der Zerstörung der Biodiversitä… | |
taz: Frau Uhde, am Mittwoch findet der [1][UN-Sondergipfel zur biologischen | |
Vielfalt] statt. Zu diesem Anlass fordern der BUND und andere | |
Umweltverbände von der Bundeskanzlerin, den Schutz der Biodiversität zur | |
Chefsache zu machen. Warum ist das wichtig? | |
Nicola Uhde: Genau wie Luft, Wasser oder Klima ist die Vielfalt des Lebens | |
auf unserem Planeten eine grundlegende Säule unserer Existenz. Das ist so | |
selbstverständlich, dass wir kaum darüber nachdenken. Wie zuletzt der | |
[2][„Global Biodiversity Outlook“ der UN] gezeigt hat, ist die Vielfalt der | |
Arten und der Lebensräume in größter Gefahr. Der Report hat auch gezeigt, | |
dass die Treiber der Naturzerstörung oft außerhalb der Hoheit von | |
Umweltministerien liegen. Zum Beispiel beim Insektensterben und dessen | |
Zusammenhang mit der industriellen Landwirtschaft: Wir werden kaum | |
vorankommen, wenn wir den Erhalt der Natur nicht auf höchster Ebene als | |
Querschnittsaufgabe begreifen. | |
Was erhoffen Sie sich konkret von dem Gipfel? | |
Ein starkes politisches Signal von den Staatschef*innen aller Länder. Sie | |
müssen klarmachen, dass es sich beim Schutz der biologischen Vielfalt um | |
eine der drängendsten Fragen überhaupt handelt. Jede Naturzerstörung kann | |
weitreichende Folgen haben, denn in der Natur hängt alles mit allem | |
zusammen. Aber wie können Regierungen Unternehmen oder Bürger*innen für den | |
Erhalt der Natur motivieren, wenn sie diesen selbst nicht ernst nehmen? | |
Über den Gipfel hinaus fordern wir von der Bundesregierung, sich bei den | |
laufenden Verhandlungen für ein neues UN-Regelwerk zum Schutz der | |
Biodiversität für ehrgeizige globale Ziele einzusetzen, inklusive klarer | |
Regeln für deren Umsetzung. | |
2020 sollte das Jahr der Biodiversität werden. Wegen Corona wurde die für | |
die nächste Dekade entscheidende [3][Konferenz in China auf 2021 | |
verschoben]. Ist den Verhandlungen dadurch der Wind aus den Segeln genommen | |
worden? | |
Nicht unbedingt – dieses Jahr ist einfach alles anders, und mehr Zeit ist | |
bei den Verhandlungen nicht unbedingt von Nachteil. Die Gespräche kamen | |
bereits vor der Pandemie nicht richtig voran, es ging zu wenig ans | |
Eingemachte. Das ist ein sehr komplexer Prozess, der vor allem unter | |
Zeitdruck Gefahr läuft, intransparent zu werden. Es ist aber wichtig, dass | |
das Abkommen partizipativ zustande kommt und die Eingaben der verschiedenen | |
Stakeholder-Gruppen aus der Zivilgesellschaft angemessen berücksichtigt | |
werden. | |
Die Verzögerung ist also sogar ein Vorteil? | |
Vermutlich ja. Hinzu kommt, dass Deutschland nächstes Jahr nicht mehr die | |
EU-Ratspräsidentschaft innehat. Das hat den Vorteil, dass sich die | |
Bundesregierung dann wieder besser inhaltlich in die Verhandlungen | |
einbringen kann. Mit gemischten Gefühlen sehe ich, dass 2021 auch | |
Bundestagswahl ist. Politische und mediale Zuspitzungen auf Wahlkampfthemen | |
sind nicht unbedingt von Vorteil für ein gutes Verhandlungsergebnis zum | |
komplexen Thema Erhalt der Biodiversität. | |
Ist diese Komplexität auch der Grund, dass die Biodiversitätskrise weniger | |
präsent ist als der Klimawandel? | |
Das ist sicher einer der Gründe. Beim Klima haben wir relativ klare | |
Zusammenhänge zwischen bestimmten Aktivitäten und deren Wirkungen. | |
Treibhausgasemissionen, CO2-Gehalt der Atmosphäre und Erderhitzung sind gut | |
messbar, finanzielle Auswirkungen leichter zu berechnen. Bei der | |
Biodiversität ist das etwas verschlungener. Die Auswirkungen ihrer | |
Zerstörung sind oft nicht so direkt spürbar. Doch diese Zerstörung bedroht | |
die Menschheit ebenso so sehr wie die Klimakrise. Daher sollten wir uns | |
sputen, etwas dagegen zu unternehmen. | |
29 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Andrew Müller | |
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