# taz.de -- Einsatz von Gift durch Landwirte: Nagerplage sorgt für Streit | |
> Wegen Mäusen auf den Feldern will das Landwirtschaftsministerium | |
> Gifteinsätze erleichtern. Das Umweltbundesamt kritisiert das. | |
Bild: Die Feldmaus: Wenn es nach Agrarministerin Klöckner geht, soll sie mit m… | |
Berlin taz | Das Umweltbundesamt (UBA) wehrt sich gegen den [1][Umgang von | |
Agrarministerin Julia Klöckner mit dem Artenschutz]. Konkreter Anlass ist | |
eine Mäuseplage in einigen Bundesländern, vor allem in Sachsen-Anhalt und | |
Thüringen. Die Christdemokratin hatte am Montag ihre KollegInnen in den | |
Ländern in einem Brief dazu gedrängt, die Landwirte beim Kampf gegen Mäuse | |
zu unterstützen. | |
Die Nager treten derzeit regional massenhaft auf, begünstigt durch den | |
milden Winter und die lange Trockenheit in Frühjahr und Sommer. Gegen | |
Mäuse, die ihre Äcker durchlöchern und Ernten fressen, dürfen Landwirte | |
hierzulande ausschließlich Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff | |
Zinkphosphid einsetzen. | |
Um geschützte Nagetiere wie Feldhamster, Hasel- oder Birkenmäuse zu | |
schützen, hat das BVL Ende vergangenen Jahres Bestimmungen erlassen, die | |
den Gebrauch dieses Giftes einschränken. Beispielsweise darf es zwischen | |
März und Oktober nicht in Gebieten eingesetzt werden, in denen Populationen | |
der geschützten Nager leben. | |
Klöckner hält das für nicht praktikabel: „Aus beiden betroffenen | |
Bundesländern wurde die Bitte an das BVL gerichtet, diese | |
Anwendungsbestimmungen zumindest vorübergehend auszusetzen“, schreibt sie | |
und fährt fort: Es sei zu beachten, „dass sowohl der Schutz der besonders | |
zu schützenden Arten, aber auch der Schutz der Ernte gewährleistet werden | |
müssen“. | |
## Notfallverordnungen auch ohne Umweltbundesamt | |
In ihrem Brief schlägt sie drei Maßnahmen gegen die Mäuseplage vor: Die | |
zuständigen Länderbehörden müssten ihren im Pflanzenschutz vorgesehenen | |
Ermessensspielraum nutzen. Beispielsweise seien Hamster-, Haselmaus- oder | |
Birkenmausnachweise, die länger als fünf Jahre zurückliegen, nach | |
Einschätzung der Fachabteilung des Ministeriums nicht mehr als aktuell | |
anzusehen; zweitens würden Anträge auf Notzulassungen für weitere | |
Bekämpfungsverfahren beim zuständigen Bundesamt für Verbraucherschutz und | |
Lebensmittelsicherheit (BVL) kurzfristig geprüft und entschieden. Laut BVL | |
liegen derzeit noch keine solchen Anträge vor; drittens würden die zwischen | |
UBA und BVL vereinbarten Änderungen in den Anwendungsbestimmungen zu | |
Zinkphosphid schnellstmöglich umgesetzt. | |
Gegen diese letzte Aussage wehrt sich nun das UBA. Eine Einigung von UBA | |
und BVL zur Änderung von Anwendungsbestimmungen zum Schutz der Umwelt liege | |
entgegen der Aussagen aus dem BMEL nicht vor, heißt es aus der Behörde, die | |
dem SPD-geführten Umweltministerium nachgeordnet ist. | |
Eine Lockerung von Schutzmaßnahmen für den Hamster sehe das Umweltbundesamt | |
sehr kritisch: Der Hamster sei mittlerweile in seinem gesamten | |
Verbreitungsgebiet auf der Erde vom Aussterben bedroht – da verbiete sich | |
jede Pestizidanwendung, die seine Bestände weiter schädigen könnte. Dass | |
würde auch gegen bestehendes Pflanzenschutzrecht verstoßen, weil bei der | |
Anwendung von Pflanzenschutzmittel europarechtlich geschützte Arten wie der | |
Hamster und Vogelarten nicht geschädigt werden dürfen. | |
Zuständig für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln ist das BVL; das UBA | |
hat hierbei jedoch ein Mitspracherecht. Die beiden im Spannungsfeld | |
zwischen Agrar- und Umweltministerium angesiedelten Behörden müssen sich | |
also einigen. Im Falle von Notfallzulassungen gilt dies jedoch nicht. Sie | |
können durch das BVL alleine erteilt werden und können für maximal 120 Tage | |
erteilt werden. | |
Den Feldhamster hatte die Weltnaturschutzorganisation IUCN aus dem | |
Schweizer Gland [2][erst kürzlich als weltweit vom Aussterben bedrohte | |
Tierart eingeordnet]. Die Organisation geht davon aus, dass die Art in | |
Deutschland in den vergangenen zehn bis 15 Jahren um ein Drittel | |
zurückgegangen ist; die Deutsche Wildtier-Stiftung geht in diesem Zeitraum | |
sogar von einem Rückgang von 42 Prozent aus. Experten schätzen, dass | |
aktuell noch circa 10.000 Tiere in Deutschland leben. | |
13 Aug 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Brief-der-Landwirtschaftsministerin/!5706283&s=KL%C3%B6ckner/ | |
[2] /Aktuelle-Rote-Liste-bedrohter-Arten/!5694336&s=Hamster/ | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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