# taz.de -- Bilanz der Special Olympics World Games: Spiele der großen Emotion… | |
> Die Special Olympics bezaubern in Berlin durch Sport mit ungefilterten | |
> Glücksgefühlen. Sie sind aber auch ein Schaufenster für Wege der | |
> Inklusion. | |
Bild: Emotionale Unmittelbarkeit: Special-Olympics-Teilnehmer beim Basketball | |
BERLIN taz | Die Welt der Special Olympics ist vielfältig. Zu ihr gehören | |
Athleten wie Timothy Moharan, der so schnell durch Dublin läuft, dass die | |
ganze Nachbarschaft ihn kennt und die Leute ihm zurufen: „Run, Timothy, | |
run!“ Jetzt, [1][bei den Special Olympics World Games in Berlin], lief | |
Moharan so schnell, dass er nachher in fast akzentfreiem Deutsch stolz in | |
die Reportermikros sagen konnte: „Ich bin ein | |
5.000-Meter-Goldmedaillengewinner in Berlin.“ | |
Michel Detouche gehört zum Universum der Weltspiele. Gewöhnlich flicht er | |
Körbe in einer Werkstatt in Roseau, der Hauptstadt der Karibikinsel | |
Dominica, und spielt Boccia im dortigen Botanischen Garten. In den letzten | |
Tagen nahm er hier in Berlin in den Messehallen an den Bocciawettbewerben | |
der Weltspiele teil. | |
Stefanie Drescher, Berufsjudoka aus Frechen bei Köln, gehört ebenfalls | |
dazu. Dreimal trat sie in den Finalwettbewerben auf die Berliner Tatami. | |
Dreimal warf sie ruck, zuck ihre Gegnerinnen und sprang danach wie ein | |
Gummiball vor Freude in die Luft. Leon Colberg kann man nennen, einen | |
Radsportler, der beim 1. RSC Strausberg trainiert, einem Klub, der auch | |
schon Radprofis herausbrachte und bei dem Colberg gemeinsam mit Athleten | |
ohne Einschränkungen aktiv ist. | |
Sehr viele Sportler*innen müsste man nennen, [2][aus vielen Ländern], | |
mit vielen Sportarten, ganz eigenen Lebensläufen, und ja, auch ganz eigenen | |
Einschränkungen. Die fallen manchmal auf, wenn das Reden schwerer fällt, | |
manch einfach klingende Frage offenbar nicht verstanden wird, der Körper | |
klein gewachsen blieb oder die runde Kopfform auf eine Erkrankung an | |
Trisomie 21 hinweist. | |
## Ausprobieren des Miteinanders | |
Interessant war, dass Tag für Tag bei diesen Weltspielen dieser letztere | |
Teil der Chronistenpflicht immer mehr in den Hintergrund geriet. Die ganzen | |
medizinischen Kategorisierungen gingen einfach über Bord. Und wichtig | |
wurden einzig die Begegnungen. | |
Dabei probierte man immer wieder neu den Zugang aus. Funktionierte er am | |
besten über Sprache mit Worten, und wenn ja, welche Sprache, oder über | |
Sprache mit Gesten oder vielleicht auch nur mithilfe von Eltern, | |
Trainer*innen und Betreuer*innen, die übersetzten und vermittelten? | |
War das geklärt, dann bezauberten regelrecht die Spontanität und die | |
ungefilterte und eben nicht kontrollierte Emotionalität, in der sich die | |
Athlet*innen äußerten. Das war special an diesen Special Olympics. „Was | |
mich an den Special Olympics fasziniert, ist, dass diese wahnsinnig puren | |
Emotionen so unglaublich ehrlich und aufrichtig sind, und ganz auf den | |
Moment fokussiert. Das ist einfach wunderwunderschön“, fasste Marina | |
Müller, Judotrainerin und seit den letzten Weltspielen 2019 in Abu Dhabi | |
bei den Weltspielen dabei, das Phänomen am prägnantesten zusammen. | |
Athlet*innen und Trainer*innen war dies länger schon bewusst. Vielen | |
Medienschaffenden und vielen der Tausenden Volunteers war es aber neu. Auf | |
sie alle, wie auch auf die Zuschauer*innen, strahlte die Freude über diese | |
Unmittelbarkeit ab. Selten sah man in dieser Stadt derart viele | |
dauerglückliche Gesichter. | |
## Tolle Entdeckungsreise | |
Darüber hinaus luden diese Weltspiele zu einer fantastischen | |
Entdeckungsreise über Kontinente und hin zu Institutionen ein, die Sport, | |
und nicht nur Sport, für Menschen mit Einschränkungen, ermöglichen. Sei es | |
die Gold-Kraemer-Stiftung in Frechen bei Köln, die Stipendien für | |
Berufssportler*innen vergibt. Sei es der Inklusive Sportverein | |
Norderstedt, der nicht nur Leichtathletik, Radsport oder Basketball für | |
Menschen in den eigenen Werkstätten anbietet, sondern sich auch Menschen | |
ganz ohne Einschränkung öffnet und damit mal Inklusion ganz andersherum | |
betreibt. | |
Und der gemeinsam mit dem Kieler Segelverein inklusiven Segelsport | |
ermöglicht. Alexander Knaub aus Norderstedt und Nora Nockenroth aus Kiel | |
segeln seit einem guten Jahr zusammen, im Wettkampf sie als Unified Partner | |
am Steuer und Knaub an den Leinen für die Segel. Gold holten sie gemeinsam | |
auf dem Wannsee. Und Nockenroth hat vor, dass ihr Segelpartner Knaub in | |
Zukunft den nächsten Schritt geht und auch das Steuern übernimmt. | |
Erfahren hat man von den IMEs, den Institutes Medico-Educative, [3][auf der | |
Karibikinsel Guadeloupe], die Jugendlichen mit Beeinträchtigungen neben | |
schulischer und beruflicher Ausbildung auch Kajak fahren, segeln, | |
schwimmen, Basketball spielen lassen, und das oft bei Wettbewerben und | |
Sportfesten mit Jugendlichen ohne Einschränkung. | |
Nun ist es wichtig, dass all diese Erfahrungen nicht vergessen, nicht | |
weggewischt werden vom nächsten Sportevent. „Unser Ziel ist es, in Berlin | |
flächendeckend Vereine zu finden, die inklusive Angebote über viele | |
Sportarten hinweg anbieten“, versprach Tim Tschauder, seit gut zwei Jahren | |
Inklusionsmanager beim Landessportbund Berlin. „Wohnortnähe ist ein sehr | |
wichtiges Thema im inklusiven Sport. Jemandem, der mobilitätseingeschränkt | |
ist und in Lankwitz wohnt, nutzt ein Schwimmangebot in Hohenschönhausen | |
wenig“, erläuterte er die Problematik. Tschauder wird über die Weltspiele | |
hinaus für Inklusion im Berliner Sport sorgen, damit sie Alltagspraxis | |
wird. So kann ein Sportgroßevent sogar noch nachhaltig werden. | |
25 Jun 2023 | |
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## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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