# taz.de -- Big Data und Datenrevolution: Computer werden immer schlauer | |
> Der rasante Fortschritt bei der Künstlichen Intelligenz elektrisiert | |
> Forscher und Politik. Eine Enquête-Kommission soll die Entwicklung | |
> begleiten. | |
Bild: Knotenpunkt für Glasfasern: Die neuen Technologien werden Datenströme a… | |
BERLIN taz | Sensoren und Kameras machen die Welt digital, Computer können | |
in immer größeren Mengen diese Daten verarbeiten: Big Data. Das Wissen, das | |
sich daraus gewinnen lässt, elektrisiert derzeit unter den Stichworten | |
„Künstlliche Intelligenz“ (KI) und „Maschinelles Lernen“ sowohl die | |
Forscher als auch in wachsendem Maße die Politik. In Deutschland soll noch | |
vor dem Sommer vom Bundestag eine Enquetekommission eingesetzt werden, die | |
sich auch mit den Folgen der Datenrevolution für die Gesellschaft | |
beschäftigen soll. Die Bundesregierung arbeitet an einem Strategieplan für | |
Künstliche Intelligenz. | |
Welche Fortschrittssprünge derzeit in der Wissenschaft möglich sind, | |
demonstrierte die [1][Fraunhofer-Gesellschaft], die größte deutsche | |
öffentliche Organisation für anwendungsorientierte Forschung mit | |
Blickrichtung Wirtschaft, in dieser Woche auf ihrer Jahrestagung in Berlin, | |
wo die Preise an die besten Entwicklungen aus den 72 Instituten verliehen | |
wurden. So wurde am Fh-Institut für integrierte Schaltungen im bayerischen | |
Fürth eine neue Computertomografie entwickelt, mit der die Strahlungsdaten | |
von größeren Objekten visualisiert werden können – bis hin zu kompletten | |
Autos, die in der zur Zeit größten CT-Anlage der Welt hochkant gescannt | |
werden. Die Autoindustrie will diese Technik für ihre Crashtests zu | |
Verkehrsunfällen einsetzen. | |
Ebenfalls ermöglicht ein höherer Dateneinsatz am Fh-Institut für | |
bildgestützte Medizin in Bremen die Generierung von Modellen der Leber und | |
Krebs-Metastasen. Der Chirurg kann so schon im Vorfeld exakt erkennen, wo | |
er die lebensrettenden Schnitte ansetzen muss, Weitere Preise der | |
Fraunhofer-Organisation und des Stifterverbands gab es für die nächste | |
Generation optischer Geräte durch die Entwicklung einer „Freiformoptik“ | |
am Fh-Institut für angewandte Optik in Jena und für Mikrostrukturen am | |
Fh-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik in Dresden, mit der sich die | |
Effizienz von Flugzeugtriebwerken so verbessern lässt, dass der Flieger am | |
Ende 10 Prozent weniger Kerosin verbraucht. | |
Die Fraunhofer-Gesellschaft entwickle an vielen Instituten schon heute die | |
Schlüsseltechnologien der Künstlichen Intelligenz und ihrer Anwendungen in | |
Bereichen wie Robotik, Bild- und Sprachverarbeitung sowie | |
Prozessoptimierung, erklärte der Präsident der Gesellschaft, Reimund | |
Neugebauer. „Maschinelle Lernverfahren für die Industrie gehören ebenso | |
dazu wie der Einsatz kognitiver Systeme in der Cybersicherheit und die | |
notwendige Erforschung künstlicher neuronaler Netze“, so der | |
Forschungsmanager. | |
## China als führende KI-Macht | |
Gerade der Einsatz der KI im wirtschaftlichen Bereich haben nach dem | |
rasanten Aufstieg der Plattformökonomien aus dem Silicon Valley und dem | |
angekündigten Mega-Investment der chinesischen Regierung, die ihr Land bis | |
2030 zur führenden KI-Macht weltweit machen will, auch die deutsche und | |
europäische Politik alarmiert. Die neue Bundesforschungsministerin Anja | |
Karliczek (CDU) vertrat beim Fraunhofer-Event die Position, dass | |
Deutschland in diesem Bereich „gute Basisarbeit geleistet“ habe. | |
Ihr Ministerium für Bildung und Forschung investiere „seit mehr als 30 | |
Jahren in die Forschung zu Künstlicher Intelligenz“. Derzeit handele es um | |
Projekte mit einer Förderung in Höhe von 60 Millionen Euro pro Jahr – ein | |
gemessen an den Zukunftserwartungen lächerlich geringer Betrag. Derzeit | |
baut das BMBF zudem vier neue Kompetenzzentren für Maschinelles Lernen in | |
Deutschland auf. Eine neue Dimension soll eine gemeinsame KI-Kooperation | |
mit Frankreich bringen, wozu Karliczek schon erste Gespräche in Paris | |
geführt hat. | |
## KI-Kooperation mit Frankreich | |
Am gleichen Tag wie die Forschungsministerin vor den Wissenschaftlern | |
sprach auch Bundeskanzlerin Angela Merkel vor den Gewerkschaftern des | |
DGB-Kongresses in Berlin, ebenfalls zur Künstlichen Intelligenz. Ihre Worte | |
waren deutlich kritischer. | |
„Bei diesem Thema müssen wir aufpassen“, sagte Merkel. „Deutschland ist … | |
oft am Anfang einer technischen Entwicklung der Erste und gut dabei.“ Das | |
sei beim Computer so gewesen, den Konrad Zuse als Erster gebaut habe, heute | |
sei lediglich ein Institut nach ihm benannt, „aber sonst erinnert sich kaum | |
noch jemand auf der Welt daran“, so die Kanzlerin wörtlich. Das Gleiche | |
beim MP3-Player: in Deutschland von Fraunhofer entwickelt, die große | |
Marktverbreitung besorgten dann andere. Merkel: „Bei der Entwicklung von | |
Künstlicher Intelligenz ist es ähnlich: Wir sind seit 20, 30 Jahren gut | |
dabei, aber die Entwicklung erfolgt jetzt geradezu explosiv; man sagt ja | |
manchmal auch disruptiv.“ | |
Am Freitag (18.5.) sollte es daher im Bundeskanzleramt zu einem ein erstes | |
Treffen von Regierungsvertretern und KI-Experten kommen, um den im | |
Koalitionsvertrag angekündigten Masterplan Künstliche Intelligenz auf den | |
Weg zu bringen. | |
Für Anfang Juni soll dann ein Eckpunktepapier zu dem Thema im Kabinett | |
verabschiedet und bis Herbst daraus der Masterplan mit Zielen für die | |
Forschungsförderung und die Schaffung eines „innovations- und | |
investitionsfreundlichen Ordnungsrahmens“ entwickelt werden, erklärte die | |
Bundesregierung in einer Antwort auf eine Anfrage der | |
Grünen-Bundestagsfraktion. Zeitgleich will das BMBF bis Sommer sein Konzept | |
für eine Agentur für Disruptive Innovationen vorlegen. Nach Monaten der | |
Regierungsstarre soll nun alles ganz schnell gehen. | |
## Gesellschaftliche Akzeptanz | |
Aber nicht nur der wirtschaftliche Wettbewerb besorgt die Politik, sondern | |
auch die gesellschaftliche Akzeptanz. Wenn aus der Gesellschaft breiter | |
Widerstand gegen KI und Digitalisierung erwächst, würden alle | |
forschungspolitischen Strategien zur Makulatur. Vor diesem Hintergrund | |
haben in der vorigen Woche die Bundestagsfraktionen von SPD und CDU/CSU | |
auf ihrer Klausur im bayerischen Murnau vereinbart, noch vor der | |
Sommerpause im Parlament einen Antrag zur Einsetzung einer | |
Enquete-Kommission einzubringen, die den Namen „Künstliche Intelligenz – | |
gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche Potenziale“ tragen | |
soll. Die Kommission, die sich hälftig aus Bundestagsabgeordneten und | |
externen Sachverständigen Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft | |
zusammensetzt, solle Antworten auf die Vielzahl an technischen, | |
rechtlichen, politischen und ethischen Fragen im Zusammenhang mit der | |
Künstlichen Intelligenz geben, hieß es zum Abschluss der Klausur. | |
„Wir müssen über die richtigen regulatorischen wie ethischen Standards für | |
den Einsatz der Technologie sprechen“, sagte Unions-Fraktionsvize Nadine | |
Schön, zuständig für Digitalisierung. „Deshalb ist es richtig, eine | |
Enquetekommission einzusetzen und eine ausgewogene Debatte darüber zu | |
führen, welche ethischen und gesellschaftlichen Grundsätze dem Einsatz von | |
KI zugrunde liegen sollen.“ Unter anderem wird es der Kommission um die | |
Frage gehen, welche Möglichkeiten die Künstliche Intelligenz bietet, um | |
wirtschaftlichen, sozialen und nachhaltigen Fortschritt zu generieren. | |
Ebenso die Frage, welche ethischen Prinzipien bei Entwicklung und Einsatz | |
von KI sowie der Interaktion von Mensch und Maschine zu beachten sind. | |
Relativ spät kommen diese Fragen der Politik nun auf Tapet der | |
gesellschaftlichen Debatte, weil die Wissenschaft von ihrer Seite bisher | |
mit Antworten gespart hat. | |
18 May 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.fraunhofer.de/en/about-fraunhofer/excellence-in-research/fraunh… | |
## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
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