| # taz.de -- Berliner Wohnungsmarkt: Vergesellschaftung finanziert sich selbst | |
| > Eine neue Studie zeigt: Vergesellschaftung von Wohnungen lässt sich über | |
| > Mieteinannahmen refinanzieren. Es ginge also ganz ohne öffentliche | |
| > Zuschüsse. | |
| Bild: In Feierstimmung: Aktivist:innen der DWE | |
| Eine von der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ (DWE) beauftragte | |
| Studie kommt zum Ergebnis, dass die für die Vergesellschaftung großer | |
| Wohnungsbestände benötigte Enteignungssumme durch Mieteinnahmen | |
| refinanziert werden könnte. Der nach verschiedenen Modellen berechnete | |
| Finanzierungskorridor liegt der Studie nach zwischen 10 und 17 Milliarden | |
| Euro. Damit würde die Summe nahe an den auf den Gebäudewerten basierenden | |
| Berechnungen von 8 bis 18 Milliarden Euro als Entschädigungswert liegen. | |
| „Das zeigt, dass die Enteignung ohne langfristige Mittel aus dem | |
| Landeshaushalt bezahlt werden kann“, sagt Firdes Firat, Sprecherin von DWE. | |
| Die Initiative fordert, große, private Immobilienfirmen in Berlin, die mehr | |
| als 3.000 Wohnungen besitzen, zu enteignen. Anschließend sollen die | |
| Wohnungen vergesellschaftet werden. Grundlage bietet GG Artikel 15, der | |
| Vergesellschaftung von Grund und Boden, Naturschätzen und | |
| Produktionsmitteln regelt. In der Geschichte der Bundesrepublik wurde der | |
| aber noch nie angewendet. | |
| ## Realistische Entschädigungssumme | |
| Bereits 2021 stimmten die Berliner:innen in einem Volksentscheid für | |
| das Vorhaben. Umgesetzt ist es immer noch nicht – obwohl der Senat | |
| eigentlich dazu verpflichtet ist. In der Debatte stellte etwa die Politik | |
| immer wieder die Frage, wie hoch die Entschädigungssumme für die | |
| Enteigneten sein müsste und wie diese aufgebracht werden soll. Damit | |
| beschäftigt sich die jetzt veröffentlichte Studie mit dem Titel | |
| „Refinanzierungsoptionen in vergesellschafteten Wohnungsbeständen“. Zentral | |
| ist die Frage, wie hoch eine Entschädigungssumme angesetzt werden kann, | |
| damit sie dauerhaft und ohne öffentliche Zuschüsse aus den Mieteineinnahmen | |
| refinanziert werden kann. | |
| Durchgeführt hat die aktuelle Studie ein Team um Sozialwissenschaftler | |
| Andrej Holm und Friedrike Thonke. Letztere arbeitet bei der Triodos Bank im | |
| Bereich wertorientierte Immobilienfinanzierung. Die Verfassier:innen | |
| gehen für ihre Berechnungen davon aus, dass 240.000 Wohnungen | |
| vergesellschaftet werden. Auf dieser Annahme führen sie verschiedenen | |
| Modelle zur Berechnung der möglichen Mieteinnahmen durch. Das Spektrum an | |
| möglichen Entschädigungsbeträgen basiert dabei auf drei einander | |
| beeinflussenden Faktoren: Miethöhe, Bewirtschaftungsausgaben und | |
| Finanzierung der Schulden. | |
| ## Verschiedene Modelle ergeben ein Spektrum | |
| Bei konservativen Annahmen – also niedrigen Mieteinnahmen, hohen | |
| Bewirtschaftungskosten und kurzen Laufzeiten für die Rückzahlung von | |
| Krediten – gehen die Studienautor:innen von einem möglichen | |
| Entschädigungswert von 9 bis 11 Milliarden Euro aus. In einem mittleren | |
| Bereich liege der Wert zwischen 10 und 17 Milliarden Euro. Das betrachten | |
| die Autor:innen als realistischste Berechnung. Bei sehr günstigen | |
| Konditionen könnte laut der Studie sogar ein Betrag bis zu 25 Milliarden | |
| Euro erreicht werden. | |
| DWE-Sprecherin Firat sieht mit dieser Studie die notwendige Grundlage | |
| geschaffen, um die Vergesellschaftung weiter voranzutreiben: „Mit dieser | |
| Studie liefern wir den klaren Nachweis: Vergesellschaftung ist finanzierbar | |
| ohne dauerhafte Zuschüsse aus dem Haushalt – und das bei dauerhaft | |
| bezahlbaren Mieten und einer funktionierenden Bewirtschaftung“, sagt Firat. | |
| Über eine konkrete Miethöhe könne man trotzdem noch keine Aussage treffen. | |
| Das könne erst die zukünftige Anstalt öffentlichen Rechts festlegen, die | |
| die Wohnungen dann verwaltet, sagt Firat der taz. | |
| ## Keine höheren Mieten durch Vergesellschaftung | |
| „Wir verfolgen weiter das Ziel, Mieten langfristig zu stabilisieren und | |
| unterhalb des derzeitigen Mietniveaus der großen, privaten Wohnkonzerne zu | |
| halten“, sagt die DW-Sprecherin weiter. Auch die neue Studie geht davon | |
| aus, dass die durchschnittlichen Mietpreise nach der Vergesellschaftung | |
| nicht über denen der „Vergesellschaftungskandidatinnen“ liegen werden – | |
| also den Wohnungen, die DWE vergesellschaften möchte. | |
| Auch Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger, Sprecherin für Bauen und | |
| Wohnen, sieht in der Studie eine wichtige Ergänzung der bisherigen Debatte: | |
| Die Studie schließe eine entscheidende Lücke im Bericht des Berliner | |
| Rechnungshofs von 2024, der lediglich Extremwerte betrachtet habe und so | |
| keine Aussage zur tatsächlichen Refinanzierbarkeit bieten konnte. | |
| Schmidberger fordert die Landesregierung dazu auf, zur neuen Studie | |
| Stellung zu beziehen: „Senat und Landesrechnungshof müssen sich dem | |
| deutlichen Ergebnis des Volksentscheids verpflichtet fühlen und die neuen | |
| belastbaren Daten ernsthaft prüfen“, sagt Schmidberger. | |
| Trotz des erfolgreichen Volksentscheids 2021 hat der Berliner Senat bisher | |
| keine Bestrebungen gezeigt, die Vergesellschaftung großer, privater | |
| Wohnungsbestände umzusetzen. Deswegen verfolgt DWE mittlerweile ein neues | |
| Ziel: ein weiterer Volksentscheid, dieses Mal gleich mit einem | |
| [1][Vergesellschaftungsgesetz]. Einen entsprechenden Entwurf stellte die | |
| Initiative Ende September vor. Vielleicht darf DWE hoffen: Vergangenes | |
| Wochenende kündigte Tobias Schulze, Linken-Fraktionsvorsitzender, beim | |
| Parteitag an, den Gesetzesentwurf noch vor der Wahl 2026 ins | |
| Abgeordnetenhaus zu bringen. | |
| Auch der frisch gekürte [2][SPD-Spitzenkandidat Steffen Krach] kündigte am | |
| Samstag beim Parteitag der SPD an, jetzt mal gegen die „Mieten-Mafia“ | |
| vorgehen zu wollen. | |
| 17 Nov 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Clara Dünkler | |
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