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# taz.de -- Berliner Tierheim: Auf den Hund gekommen
> Mit dem Lockdown bleibt das Interesse an Haustieren groß, besonders
> gefragt sind Welpen. Doch bei Tieradoptionen gilt es einiges zu beachten.
Bild: Tierpfleger Daniel Prinich mit Kiki und Snoopy
BERLIN taz | Der Kleinste ist im Hundehaus der Lauteste. Sobald die anderen
zehn Hunde sich beruhigt haben, legt der kleine Toni von vorne los und alle
stimmen wieder mit ein. Pfleger Daniel Prinich vom Tierheim Berlin holt
zwei Hunde aus dem Gehege, die sich von dem Gebell der anderen nicht
beeindrucken lassen: Kiki, seine Pflegehündin im Hospiz, die gar nicht mehr
vermittelt wird, und Snoopy, einen grau-weißen Pitbull.
Für diesen wünscht sich Pfleger Prinich eine nette Familie, wo der Hund
sich sicher fühlen kann. Snoopy habe nämlich einige Defizite: „Wenn er
jemandem vertraut, beschützt er denjenigen vor anderen Menschen oder
Hunden“, sagt Prinich, aber da ihm sein vorheriger Besitzer erheblichen
Schaden zugefügt habe, habe der Hund das Vertrauen in Männer verloren. Wenn
er die Situation nicht einschätzen kann, gehe er lieber den Weg nach vorne,
um nicht wieder verletzt zu werden. Snoopy sei außerdem Allergiker, weshalb
er spezielles Futter und Medikamente brauche.
Tiere mit chronischen Krankheiten haben laut Tierheim-Sprecherin Annette
Rost deutlich geringere Vermittlungschancen, weshalb sich der
Tierschutzverein für Berlin und Umgebung dafür entschied, deren Behandlung
weiter zu bezahlen. Für den Rest ihres Lebens können sie also in der
Tierarztpraxis des Tierschutzvereins behandelt werden.
Snoopy ist nur eines von rund 1.300 Tieren, die in Berlins einzigem
Tierheim ein neues Zuhause suchen, darunter finden sich größtenteils Hunde
und Katzen, aber auch Farbratten, Schlangen, Vögel, Schildkröten und
Hausgänse.
## Hund ausführen nur mit Schulung
Ab und zu begegnet man an diesem Tag im Tierheim Ehrenamtlichen, die mit
den Hunden Gassi gehen. Auch während des Lockdowns können sie sich
engagieren, dafür ist allerdings eine Schulung erforderlich. Diese sind
zurzeit ausgesetzt, neue Ehrenamtliche lassen also auf sich warten. Sie
seien aber wichtig für das Wohlbefinden der Tiere, denn die
Pfleger*innen hätten ohnehin schon alle Hände voll zu tun und könnten
nicht noch mit den Hunden Gassi gehen oder mit den Katzen spielen.
Manche Hunde geben keinen Mucks von sich und lächeln den Besuch nur
freundlich an. Vor allem solche, die oft als aggressiv oder gefährlich
wahrgenommen werden, so wie Schäferhunde oder Pitbulls wie Snoopy. „Doch
gerade diese Rassen sind häufig diejenigen, die am meisten Liebe und
soziale Kontakte brauchen“, berichtet Sprecherin Rost. Auch die Farbe des
Tieres spielt eine Rolle bei der Vermittlung: schwarze Tiere lassen sich
laut Rost deutlich schlechter vermitteln.
Dieses Problem wurde gerade mit einem Kalender angegangen, der Anfang des
Jahres in der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und
Antidiskriminierung von Senator Dirk Behrendt (Grüne) vorgestellt. Für den
[1][„Schwarz bringt Glück“-Kalender 2021] haben Berliner
Schornsteinfeger*innen mit schwarzen Schützlingen aus dem Tierheim
posiert, der Erlös aus dem Verkauf kommt dem Tierheim zugute.
In den drei Vermittlungshäusern sind jeweils rund 40 Hunde in Boxen
untergebracht. Alle Boxen haben einen Außenbereich. Dazu kommen ein
Reha-Bereich und eine Auffangstation. Hier sind Tiere untergebracht, die
noch nicht frei für die Vermittlung sind, weil sie sich in ärztlicher
Behandlung befinden oder Trainingsmaßnahmen wie Verhaltenstherapie
erhalten. Traumatisierte Hunde, die schon beim Betreten des Geheges mit den
Zähnen fletschen, werden nicht vermittelt.
## Den Tieren tut der Lockdown gut
Wobei es den Tierheim-Tieren seit dem Lockdown sogar grundsätzlich besser
zu gehen scheint. „Die finden das super! Das ist für sie wie Urlaub. Auch
Tiere, die vorher auffälliges Verhalten gezeigt haben, kommen gerade zur
Ruhe“, sagt Rost. Zuvor kamen jedes Wochenende bis zu tausend Menschen ins
Tierheim, um sich umzuschauen oder eben um Tiere zu adoptieren. Trotz
derzeitiger Terminpflicht gebe es weiter viele Interessent*innen,
erzählt Rost, meint aber auch: „Sich in so einer Krise ein Tier
anzuschaffen, sollte man wirklich auf Herz und Nieren prüfen.“ Gerade jetzt
komme es oft vor, dass sich Menschen nicht über die Konsequenzen einer
Adoption bewusst seien: „Wenn das Homeoffice irgendwann vorbei ist, wissen
viele nicht, wohin mit dem Hund.“ Coronabedingte Einsamkeit könne man nicht
durch ein Haustier kompensieren. „Ein Tier ist nicht dafür da, menschliche
Sozialkontakte zu ersetzen.“
Auch sei die Nachfrage nach Welpen gestiegen. „Das Problem dabei ist, dass
über legale Wege die Nachfrage nicht mehr zu bedienen ist. Dadurch wird der
illegale Welpenhandel massiv begünstigt“, sagt Rost, und der bereite den
Tierschutzvereinen große Sorgen, denn es sei davon auszugehen, dass ein
großer Teil dieser Tiere nach der Coronakrise im Tierheim lande. Auch habe
man bei dem Handel das Tierwohl nicht immer im Blick. Muttertiere würden
katastrophal gehalten und als Zuchtmaschinen eingesetzt, die Welpen sehr
früh den Muttertieren weggenommen, und sie seien oft weder geimpft noch
klinisch durchgecheckt.
„Zu Beginn der Coronakrise haben wir gemerkt, dass plötzlich sehr viele
Anfragen von Familien mit dem Wunsch nach einem kleinen Hund kamen“, sagt
Rost. „Die illegalen Händler gehen dann natürlich einfach auf die Anzeige
ein, was für sie viel bequemer ist.“ Und später landeten dann teilweise
todkranke Welpen im Tierheim, weil die neuen Besitzer*innen die Kosten
für die Behandlung nicht übernehmen wollen. „Das ist natürlich eine große
Belastung für uns, da wir uns ausschließlich durch Spenden finanzieren“,
erklärt Rost resigniert.
Im Gegensatz zu den älteren Hunden werden Welpen nicht auf die
[2][tierheimeigene Website] gestellt, denn sonst könnte man sich vor
Anrufen kaum retten. Interessierte können sich trotzdem per E-Mail bewerben
und auf eine Warteliste setzen lassen. Dann wird abgeschätzt, wer zu
welchem Hund passen könnte. Oft schicken künftige Besitzer*innen Fotos
von ihren Wohnungen. Daraufhin wird geprüft, was das Tier noch an
Spielmaterial und Bewegungsmöglichkeiten benötigt.
## Radio soll Katzen an Geräusche gewöhnen
Im Garfield-Haus, einem der vier Katzenhäuser, hängen Fotos von erfolgreich
vermittelten Katzen. Im Hintergrund läuft das Radio, um die Katzen an
Alltagsgeräusche in ihrem zukünftigen Zuhause zu gewöhnen. Die Tiere sind
in verglasten Boxen unterschiedlicher Größe untergebracht, eingerichtet mit
Kratzbäumen und Spielzeug. „Reserviert“-Schilder kennzeichnen, wenn Katzen
vermittelt wurden.
Da nicht alle in den Häusern zurechtkommen, gibt es Boxen mit
Katzenklappen, damit die Tiere tagsüber draußen unterwegs sein können und
sich abends dann ihr Futter holen. Zusätzlich existiert ein eigener Bereich
für Straßenkatzen, die aufgrund zu gravierender Verletzungen nicht mehr
alleine in Berlin überleben können. Laut Rost leben etwa 10.000
Straßenkatzen auf Berlins Straßen. In Abstimmung mit der Senatsverwaltung
kämpft der Tierschutzverein seit Jahren für [3][eine
Katzenschutzverordnung]. Diese beinhaltet, die Katzenpopulation über
Geburtenkontrolle zu dezimieren.
Es kann dauern, bis man zu einem Tier kommt. Häufig passt es nicht sofort,
Interessent*innen kommen mehrmals, um das richtige Haustier zu finden.
Man müsse dranbleiben, die Suche sei meist nicht mit einem Anruf erledigt,
mahnt die Tierschützerin zur Geduld: „Viele Leute denken, ich gehe ins
Tierheim und finde den dreijährigen Golden Retriever, der bestens erzogen
ist. Das wird dann schwierig, diese Wünsche zu erfüllen“, sagt Rost. „Da
muss man sich schon vor Augen halten, was für Tiere ins Tierheim kommen.
Wir haben nicht immer einen familienkompatiblen Hund.“ Mit einem großen
Herz für Tiere werde man aber auf jeden Fall fündig.
26 Jan 2021
## LINKS
[1] https://www.schornsteinfeger-berlin.de/
[2] https://tierschutz-berlin.de/tierheim/
[3] /Freigang-der-Stadtkatzen/!5739038
## AUTOREN
Atessa Bucalovic
## TAGS
Tier
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