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# taz.de -- Neue Auflagen für Tierhaltung: Wenn der Hund mit Anwalt droht
> Landwirtschaftsministerin Klöckner (CDU) möchte das Leben von Hunden
> verbessern. Weil die sich für Sommerloch-PR eignen?
Bild: Um seine zukünftige Freiheit steht es gut: Hund
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optimal.
Im Frühjahr während der Coronakrise meldeten Hundezüchter eine
Rekordnachfrage nach den haarigen Begleitern, während nun
[1][Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner] (CDU) eine Verordnung
ankündigt, die vorschreiben soll, diesen dann auch zweimal am Tag für
insgesamt mindestens eine Stunde Auslauf im Freien zu gönnen.
Da dürfte manch Frauchen froh sein, wenn es den Frischluftaufenthalt
delegieren und sozusagen zertifiziert nachweisen kann, falls der
missgünstige Nachbar es beim Amt anschwärzt.
Die Freilaufpflicht ist nicht die einzige vorgeschlagene Neuerung. Weitere
Regeln betreffen verschärfte Vorgaben bei der Haltung in Zwingern und zur
Zucht – so sollen Züchter nur noch fünf statt bisher zehn Hunde pro Person
betreuen dürfen, eine Person muss täglich nach den Tieren sehen, den Hunden
muss im Zwinger außerhalb der Schutzhütte ein eigener Liegeplatz zur
Verfügung stehen, und Welpen sollen in den ersten Lebenswochen mindestens
vier Stunden täglich Menschenkontakt haben, damit sie sich an das
merkwürdige Wesen auf zwei Beinen gewöhnen.
Manchen wird es überraschen, dass das überhaupt noch erlaubt ist, aber nun
soll auch die Anbindehaltung, also der berüchtigte Kettenhund, tatsächlich
endgültig verboten werden.
## Tierschutz kostet Geld
Das ist alles gut und richtig. Erwartungsgemäß fordern Tierschützer mehr,
während zuständige Behörden reserviert reagieren, weil sie ausufernde
Nachbarschaftsstreitigkeiten um Gassifrequenzen fürchten und die
Vorgaben bei privaten Haltern ohnehin nicht kontrollieren können.
Aber allein die Signalwirkung könnte Gutes bewirken, denn dass es immer
noch [2][massive Tierschutzprobleme] im Umgang mit den Lieblingstieren der
Deutschen gibt, ist unbestritten. Manchem Halter ist vermutlich bislang
nicht einmal bewusst, dass es kein übertriebener sportlicher Ehrgeiz der
anderen Hundefreunde ist, regelmäßig rauszugehen, sondern tierpflegerische
Notwendigkeit.
Und auch wenn natürlich kein Amtsveterinär zukünftig mit der Stoppuhr
hinter dem Herrchen herlaufen wird, könnten die Vorgaben den Behörden
helfen, etwa bei Streitigkeiten, was denn nun angemessen ist.
Dabei gilt natürlich schon jetzt nach Tierschutzgesetz, dass jedes Tier
seinen Bedürfnissen entsprechend gehalten werden muss. Solange die Behörden
personell nicht besser ausgestattet werden, um diese Vorgaben auch
umzusetzen, bleiben aber alle Vorschriften zahnlose Hunde. Tierschutz
kostet eben Geld.
Das gilt erst recht für das übliche Zweiklassensystem zwischen Heim- und
Nutztieren. Hunde gehen immer, da ist der Beifall für ein paar politische
Streicheleinheiten rasch eingeheimst. Aber Hühner laufen ebenfalls gerne
herum, und eine Stunde Auslauf würde dem Schwein bestimmt auch gefallen.
Gleiches Recht für alle, könnte man da guten Gewissens fordern.
## Ein politischer PR-Gag
Dann allerdings würden die Preise für das Schnitzel so saftig, wie das
[3][Fleisch aus der Massentierhaltung] niemals ist. Statt also in der
Nutztierhaltung mit klaren Vorschriften für tierwürdige Haltungsbedingungen
zu sorgen, belässt Klöckner es hier bei windelweichen Wohlfühlansagen, die
der institutionalisierten Tierquälerei in großen Teilen der Landwirtschaft
nichts entgegensetzen. Da wird der Kettenhund der schärferen Vorschriften
noch lange nicht von der Leine gelassen.
Auf der anderen Seite bleibt anzumerken: Freilauf heißt nicht frei
herumlaufen lassen. Während Hundebesitzer gezwungen werden müssen, ihre
Tiere überhaupt mal an die frische Luft zu bringen, lassen Katzenhalter
ihre Lieblinge einfach unkontrolliert draußen herumtigern und nach Belieben
Vögel, Kleinsäuger und Eidechsen töten. Das ist nicht nur ein Tier-,
sondern auch ein Artenschutzproblem.
So ist der Klöckner’sche Vorschlag insgesamt letztlich eher ein PR-Gag zum
ausgehenden Sommerloch. Während nicht zuletzt wegen der Corona-Ausbrüche in
der Fleischindustrie zunehmend ganz grundlegend über die Zukunft der
Tierhaltung nachgedacht wird, kommt das Ministerium mit Kuschelvorschriften
für ein paar niedliche Hundewelpen daher, die kaum jemandem wehtun. Da wird
doch das Huhn in der Pfanne verrückt.
19 Aug 2020
## LINKS
[1] /Koch-Auftritt-von-Ministerin/!5682811
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[3] /Dahlenburger-Rat-ist-fuer-Schweinezucht/!5666583
## AUTOREN
Heiko Werning
## TAGS
Tierschutz
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Schwerpunkt Brexit
Massentierhaltung
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