| # taz.de -- Berliner Szenen: Mit Swing in der U-Bahn | |
| > Sie sitzt in der U1 mit Stöpseln in den Ohren und tanzt für sich selbst | |
| > den Lindy Hop. | |
| Bild: Tanz, 20er, Swing, Club, Berlin: So sieht's aus | |
| Sie holt ihr Taschentelefon aus ihrer riesenhaften silberglänzenden | |
| Handtasche. Sie sucht und öffnet eine Musikdatei. Sie mag Musicals. Sie mag | |
| Musicals, weil sie gute Laune mag. Sie mag gute Laune und Tanzen. Sie mag | |
| Swing. Sie mag den Lindy Hop. Sie kann die Grundschritte. | |
| Sie mag es, mit den Armen zu schwingen. Sie mag es zu lächeln. Sie mag die | |
| Ordentlichkeit dieser alten Musik, die Disziplin, die es benötigt. (Sie | |
| weiß, dass die Swing-Szene in Berlin eine Szene ist, Leute, die unter sich | |
| bleiben, man muss viel Geld investieren, um einmal dazuzugehören.) Sie wird | |
| von niemandem bemerkt (alle sitzen wie im Museum da, versunken in ihre | |
| Bildschirme). Sie mag es, bunte Regenschirme zu drehen und | |
| Belanglosigkeiten zu singen. | |
| Aber das macht sie nur, wenn sie sich unbeobachtet fühlt. Hier in der | |
| U-Bahn (U1 Uhlandstraße Richtung Warschauer Straße) ist nicht der Raum | |
| dafür. Ja, man hat schon Leute pfeifen gehört. Man hört Leute singen. Auf | |
| der Straße. Beim Vorübergehen. Während des Joggens. Auf dem Fahrrad. Leute | |
| mit dicken Kopfhörern auf dem Schädel. Leute mit Fahrradhelmen, die immer | |
| ein wenig nach Wehrmacht aussehen, und dicken Kopfhörern. | |
| Aber sie, sie ist nicht so. Sie ist etwas scheu. Sie lächelt auch selten. | |
| Sie klebt sich die Ohrstöpsel in die Ohren, die guten kleinen, und hört | |
| sich Musik an. Staubige, gespenstische Musik aus anderen Zeiten. Sie mag | |
| es, durch ihren eigenen Soundtrack zu spazieren. Zu Hause greift sie sich | |
| den Wischmop (wie Jennifer Lawrence in diesem Film über die erfinderische | |
| Hausfrau, die zur Ikone der Putzwerkzeuge wird). Und tanzt durch ihren | |
| Schuppen. Durch ihren persönlichen, imaginären Ballsaal. | |
| Hier füllt sie den Raum. Mit ihrer Musik. Die nur sie hört. Eine Musik, die | |
| den gesamten Wagon füllt. Sie badet in der Illusion, dass alle in dieser | |
| Musik sind. In der Musik schwimmen. Für einen Moment. | |
| 6 Feb 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| René Hamann | |
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