# taz.de -- Berliner Club Yaam akut bedroht: Auf wackligem Fundament | |
> Laut Gutachten soll eine Ufermauer, an die das Yaam grenzt, nicht sicher | |
> sein. Die Betreiber bangen um die Zukunft, geben die Hoffnung aber nicht | |
> auf. | |
Bild: Demo zum Erhalt des Yaam – vom Dezember 2012, damals befand sich der Cl… | |
BERLIN taz | Ende letzter Woche musste alles sehr schnell gehen. „Wir | |
hatten nur wenige Stunden Zeit, um das Nötigste aus unseren Büros zu holen, | |
dann mussten wir das Gebäude verlassen“, so Hendrik auf der Heidt vom | |
Yaam-Club. Die Eingänge des Clubs wurden daraufhin amtlich versiegelt. | |
Ein Gutachten, das Ende 2019 in Auftrag gegeben wurde, hatte ergeben, dass | |
die Standsicherheit der Ufermauer im Bereich der Schillingstraße, an die | |
das Yaam direkt grenzt, zweifelhaft sei. Daraufhin wurde im gesamten | |
Uferbereich des Yaam-Außengeländes auf Anweisung der Bauaufsicht ein fünf | |
Meter breiter Streifen mit einem Flatterband abgesperrt. Und der Club, der | |
nur 2,90 Meter vom Ufer entfernt ist, bis auf Weiteres aus | |
Sicherheitsgründen geschlossen. | |
Hendrik auf der Heidt wirkt am Montag immer noch ziemlich fassungslos. Die | |
ganze Logistik, die ganze IT, befinde sich immer noch in dem Gebäude, das | |
er nicht betreten dürfe, erzählt er der taz. Wie soll man so den | |
Clubbetrieb am Laufen halten? | |
Martin Gräff, wie Hendrik auf der Heidt im Vorstand des Vereins, der das | |
Yaam betreibt, sagt, die Ufermauern seien hundert Jahre alt. Dass diese | |
marode seien, das sei längst bekannt. Bereits 2003 wurde dies in einem | |
Gutachten bestätigt. Passiert sei danach – nichts. Die Renovierung würde 5 | |
bis 7 Millionen Euro kosten, sei ihm gesagt worden. „Der Bezirk | |
Friedrichshain-Kreuzberg hat aber kein Geld, das bezahlt der nie.“ | |
Mit den beiden Yaam-Vorständen geht es über das weitläufige, fast 2.000 | |
Quadratmeter große Gelände. Am Eingang befinden sich die Buden, die | |
afrikanisches Essen anbieten. Es gibt einen Garten, man hat einen | |
wunderbaren Blick auf die Spree. Dass der Ort sehr speziell ist – keine | |
Frage. Wenn nicht gerade eine Pandemie wütet, gibt es hier vor allem | |
Reggae-Konzerte. Bei People of Color ist das Yaam ein beliebter Ort. | |
„Anders als in anderen Berliner Clubs kommt bei uns eigentlich jeder rein“, | |
so Martin Gräff. | |
## „Refugees welcome“-Slogans | |
In der Nachbarschaft des Yaam wurde in den letzten Jahren die „Mediaspree“ | |
hochgezogen, überall anonyme Bürokomplexe und Luxusapartements. Ganz in der | |
Nähe befindet sich das urbane Hipsterdorf Holzmarkt. Und direkt neben dem | |
Club wird gerade ein riesiges Hotel fertiggestellt. Das mit Graffiti | |
zugetackerte Yaam mit seinen „Refugees welcome“-Slogans im Eingangsbereich | |
wirkt hier wie ein Fremdkörper. | |
Politiker würden trotzdem immer wieder betonen, dass sie diesen speziellen | |
Ort erhalten wollen, so Martin Gräff – auch der grüne Baustadtrat des | |
Bezirks, Florian Schmidt: „Friedrichshain-Kreuzberg ohne Yaam kommt für | |
mich nicht infrage“, richtet dieser nun in einer Presseerklärung aus. | |
Dennoch fühlt sich Martin Gräff ein wenig von der Politik im Stich | |
gelassen. Er wolle nicht undankbar sein, während des Corona-Lockdowns habe | |
der Bezirk als Besitzer des Yaam-Geländes drei Monate lang die Miete | |
erlassen, eine großzügige Geste. Und die Miete sei für ein Filetgrundstück | |
wie dieses sowieso vergleichsweise gering, das sei ihm auch bewusst. Doch | |
Gräff wünsche sich ein noch stärkeres Engagement, vielleicht auch mal ein | |
Bekenntnis von Kultursenator Klaus Lederer (Linke). Er vermisse eine | |
vorausschauende Politik, die nicht blind Probleme wie nun das mit der | |
maroden Uferanlage auf sich zukommen lasse und die dann das Yaam | |
„auszubaden“ habe. | |
Einen Ort wie das Yaam erhalten zu können, sei in den letzten Jahren | |
sowieso immer schwerer geworden. 100.000 Euro habe man im letzten Jahr | |
allein für den Brandschutz ausgegeben, 1 Millionen Euro insgesamt in den | |
letzten fünf Jahren zur Instandhaltung des Clubs. Gleichzeitig fahre man | |
immer nur auf Sicht, es fehle eine Planungssicherheit. Der Vertrag mit dem | |
Bezirk wurde eben erst bis 2024 verlängert, immerhin. | |
## Das kommt zu einer Unzeit | |
Aber warum nicht für einen noch längeren Zeitraum? Man könne sofort 800.000 | |
Euro aus Mitteln der Lottostiftung Berlin bekommen, die dringend benötigt | |
werden für die Renovierung des alten Gebäudes, erklärt Gräff. Aber nur, | |
wenn man einen Mietvertrag über 25 Jahre vorweisen könne. Und die | |
Geschichte mit der maroden Ufermauer komme natürlich auch zu einer Unzeit. | |
Erst seit ein paar Wochen habe man wegen Corona wieder geöffnet, statt | |
sonst 800 Personen lasse man nur noch 250 auf das Gelände. „Wir sind ein | |
Sommerbetrieb. Im Sommer erwirtschaften wir eigentlich Rücklagen für den | |
Winter“, so Gräff. Doch derzeit sei es schon schwer genug, das Geld | |
reinzubekommen, das man allein für die 20.000 Euro monatliche | |
Betriebskosten brauche. Und da werde einem auch noch der Uferbereich | |
gesperrt, wahrscheinlich für eine lange Zeit, „dabei kommen eigentlich alle | |
unsere Gäste wegen dem Wasser“. | |
Hendrik von der Heidt stellt dann letztendlich die große Frage: „Wir wollen | |
wissen, ob wir hier weitermachen können.“ Nicht nur nächste Woche, nicht | |
nur diesen Sommer, sondern auch irgendwann nach Corona und „hoffentlich | |
noch in 25 Jahren“. | |
## Schon mehrere Umzüge überlebt | |
Aus dem Büro von Baustadtrat Schmidt heißt es: „Der Bezirk hat bereits | |
einen Prüfstatiker beauftragt, um möglichst schnell zu klären, ob er eine | |
Öffnung der Halle (ggf. auch in Teilen) für möglich hält. Wenn ja, wird | |
dies unmittelbar vollzogen.“ Falls nicht, müsse erst noch ein bereits | |
beauftragtes Gutachten abgewartet werden. In drei bis vier Wochen werde | |
eine detaillierte Ausarbeitung zur Gebäudestatik der jetzt gesperrten Halle | |
vorliegen. | |
Martin Gräff meint, er könne sich nicht vorstellen, dass sich das Gutachten | |
gegen eine Öffnung aussprechen werde. Er sei schon mehrmals im Keller | |
gewesen. Die Stelen, die das Gebäude tragen, seien extrem massiv. | |
Und falls doch? Gräff sagt, das Yaam gebe es nun schon seit 25 Jahren, man | |
habe mehrere Umzüge überlebt, „wenn wir etwas können, dann improvisieren�… | |
Zur Not werde das Gebäude eben abgerissen und ein neues Yaam gebaut. In der | |
Zwischenzeit könne man auch in Zelten weitermachen. Hauptsache, man könne | |
überhaupt weitermachen. | |
1 Jul 2020 | |
## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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