# taz.de -- Berliner Abschiebefall: Justiz stimmte Abschiebung zu | |
> Nach Afghanistan abgeschobener Nebenkläger soll im Görlitzer Park | |
> Menschen bedroht haben. Generalstaatsanwaltschaft führte das Verfahren. | |
Bild: Sammelabschiebung nach Afghanistan auf dem Flughafen Leipzig-Halle im Jul… | |
BERLIN taz | Der Fall des abgeschobenen Afghanen ist vielschichtiger als | |
bislang bekannt. Der Mann soll im April 2017 Opfer [1][eines mutmaßlich | |
rassistischen Angriffs durch einen Polizisten] geworden sein. Obwohl der | |
Prozess, in dem er Nebenkläger war, noch nicht zu Ende war, wurde er am 11. | |
März 2020 nach Kabul abgeschoben.Wie am Montag bekannt wurde, hatte der | |
Afghane einer freiwilligen Rückkehr nach Kabul allerdings zuvor zugestimmt. | |
Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, sagte, die | |
Rechtsanwältin des Mannes habe im Zuge eines vor dem Landgericht | |
anstehenden Sicherungsverfahren mitgeteilt, ihr Mandant sei grundsätzlich | |
mit einer Rückkehr nach Afghanistan einverstanden. Auf Nachfrage der taz | |
bestätigte die Anwältin Jenny Fleischer das am Montag. Allerdings sei ihr | |
Mandant zum Zeitpunkt der Zustimmung im Krankenhaus für Maßregelvollzug | |
(KMV) untergebracht gewesen. | |
„Wenn einer in einer geschlossenen Einrichtung sitzt, muss man sich fragen, | |
wie ernst gemeint so eine Zustimmung ist“, sagte Fleischer. Das Kernprinzip | |
einer freiwilligen Ausreise sei zudem, allein auszureisen, den | |
Ausreisetermin vorher zu kennen und jederzeit die Möglichkeit zu haben, es | |
sich noch anders zu überlegen. Das sei mitnichten der Fall gewesen. Zudem | |
hätte der Mandant in jedem Fall noch das anhängige Verfahren als | |
Nebenkläger zu Ende führen wollen. | |
Laut Steltner existierte gegen den Afghanen eine umfangreiche | |
Antragsschrift in einem Sicherungsverfahren. Die Antragsschrift tritt an | |
die Stelle einer Anklageschrift, wenn von einer Unterbringung im | |
Maßregelvollzug wegen Schuldunfähigkeit ausgegangen wird. Das entsprechende | |
psychiatrische Gutachten habe vorgelegen, so Steltner. In der | |
Antragsschrift seien 18 Vorwürfe für die Zeit von 2017 bis 2019 aufgelistet | |
gewesen: Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung, Beleidigung und | |
Androhung von Straftaten. Haupttatzeitraum sei das Jahr 2019 gewesen, | |
Tatort sei überwiegend der Görlitzer Park gewesen. | |
Der Mann solle dort Kinder bedrängt, Frauen bespuckt und auf sexueller | |
Grundlage beleidigt haben. Unter Bezugnahme auf den Dschihad und Vorzeigen | |
eines Messers solle er auch gedroht haben, alle umzubringen. Auch habe er | |
gerufen, er wolle Blut sehen. [2][Parkläufer] – wie die Security des | |
Görlitzer Parks heißt – hätten sich mehrfach besorgt an die Polizei | |
gewandt, Anzeige erstattet und gebeten, den Mann aus dem Verkehr zu ziehen. | |
## Als gefährlich eingestuft | |
Steltner zufolge wurde das Verfahren von der für Islamismus zuständigen | |
Abteilung der Generalstaatsanwaltschaft geführt. Hintergrund ist, dass es | |
bundesweit Vorfälle mit ähnlicher Problematik gegeben hat. Der Gutachter | |
habe den drogenabhängigen Mann für den Fall, dass er sich keiner Therapie | |
unterziehe, als gefährlich eingestuft. Bleibe der Mann drogenabhängig, sei | |
mit hoher Wahrscheinlichkeit auch künftig mit Aggressionstaten zu rechnen. | |
Sowohl Generalstaatsanwaltschaft als auch Landgericht hätten der | |
Abschiebung zugestimmt, sagte Steltner. | |
Der Flüchtlingsrat hatte gefordert, den Afghanen sofort nach Berlin | |
zurückzuholen, weil er als Nebenkläger ein Recht habe, an dem Prozess | |
teilzunehmen. „Dass Innenverwaltung und Ausländerbehörde nichts von dem | |
Nebenklageverfahren gewusst haben, entspricht nicht der Wahrheit“, sagte | |
seine Anwältin. Das sei in den Akten dokumentiert. | |
Laut Fleischer habe ein LKA-Gutachten ergeben, dass bei ihrem Mandanten | |
keine islamistisch-dschihadistische Ideologie erkennbar ist. Dagegen sei | |
eine therapiebedürftige Suchtabhängigkeit attestiert worden. | |
Update, 18.5.: Anders als in einer früheren Version dieses Textes | |
geschrieben, lag der Tatzeitraum nicht zwischen 2014 und 2017, sondern in | |
den Jahren 2017 und 2019. Haupttatzeitraum ist laut Staatsanwaltschaft das | |
Jahr 2019 gewesen. | |
17 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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