# taz.de -- Berlin im Zeichen von Corona: Jetzt ist aber mal Ruhe hier! | |
> Zum Schutz vor der Ansteckung mit dem Coronavirus wird das öffentliche | |
> Leben in Berlin stillgelegt. Wie gehen die Berlinerinnen und Berliner | |
> damit um? | |
Bild: „Shut-Down-Party“ auf dem RAW Gelände in Friedrichshain, fotografier… | |
Das Coronavirus hat Berlin fest im Griff: 263 Infektionsfälle hat die | |
Senatsverwaltung für Gesundheit bestätigt (Stand Samstag). Im Krankenhaus | |
behandelt würden 15 Menschen, die anderen seien häuslich isoliert, hieß es. | |
Um die Ausbreitung des Virus zu bremsen und das Gesundheitssystem damit vor | |
dem Kollaps zu bewahren, hat der Senat zu [1][drastischen Maßnahmen] | |
gegriffen. Ab sofort sind in Berlin alle öffentlichen und nichtöffentlichen | |
Veranstaltungen ab 50 Teilnehmern untersagt. Kneipen, Clubs, Spielhallen, | |
Spielbanken, Messen, Wettannahmestellen müssen schließen, dasselbe gilt für | |
Kinos, Theater, Konzerthäuser, Museen, Ausstellungen und ähnliche | |
Vergnügungsstätten, ebenso für Prostitutionsstätten. Auch Bibliotheken und | |
Schwimmbäder sind geschlossen. | |
Ausnahmen von der Schließung gibt es bisher für Restaurants und | |
Gaststätten, in denen vor Ort zubereitete Speisen verabreicht werden. | |
Öffnen dürfen sie aber nur, wenn die Tische mindestens 1,5 Meter Abstand | |
voneinander haben. Ab Montag werden Oberstufenzentren geschlossen (siehe | |
Seite 22), ab Dienstag wird der Betrieb an den übrigen Schulen sowie Kitas | |
eingestellt. Auch der Besuch in Krankenhäusern wird eingeschränkt. | |
Pflegeheimbewohner dürfen nur einmal am Tag Besuch empfangen, aber nicht | |
von Kindern unter 16 Jahren oder Menschen mit Atemwegserkrankungen. | |
Neben den Moscheen haben auch zahlreiche Kirchen ihre Gottesdienste | |
abgesagt. Gesetzliche Grundlage für die Einschränkungen ist das | |
Infektionsschutzgesetz. Sie gelten zunächst bis zum 19. April. | |
Für viele, aber längst nicht für alle Berliner wird das zu einer | |
Herausforderung. Die taz hat mit einigen gesprochen. | |
## Arbeitende Eltern | |
„Die Corona-Krise holt mich am Freitagmorgen um kurz nach halb zehn aus dem | |
für mich gerade angebrochenen (frühen) Wochenende. Erster Gedanke: F***. | |
Zweiter Gedanke: War abzusehen. Ist richtig so. Aber: f***. ‚Hi xx‘, tippe | |
ich eine Nachricht an unsere Kinderbetreuung, die sonst einmal die Woche | |
nachmittags für ein paar Stunden kommt. ‚Sag mal, hättest du eigentlich | |
auch mal ganze Tage Zeit bis Ostern?‘ | |
Die Nachbarin mit der vierjährigen Tochter meldet sich per WhatsApp: ‚Habt | |
ihr schon einen Plan?‘ Ein Zeitraum von fünf Wochen ohne Fremdbetreuung | |
entspricht beinahe den Sommerferien. Normalerweise planen Eltern so etwas | |
ungefähr ein halbes Jahr lang im Voraus: Woche eins Oma, Woche zwei | |
Ferienlager, Woche drei bis fünf Sommerurlaub, Woche sechs kriegen wir auch | |
noch irgendwie hin. Vielleicht noch mal Oma? | |
Oma und Opa scheiden für die großen Corona-Ferien bekanntlich aus, zu | |
gefährlich scheint das Virus für ältere Menschen zu sein. Einen | |
Betreuungszirkel aus Kita-Eltern bilden? Eigentlich nicht sinnvoll, dann | |
hätte man den Vireninkubator Kita ja auch gleich offen lassen können. | |
Homeoffice? Mit einem Fünfjährigen zu Hause in der Theorie toll, in der | |
Praxis über weite Strecken des Tages schwierig. | |
Auch wenn diese Krise nicht wirklich etwas Gutes hat, wirft sie uns doch | |
andererseits ganz schön auf uns selbst zurück: Arbeitgeber müssen | |
Verständnis dafür aufbringen, wenn die KollegIn im Homeoffice erst mal die | |
Tiefkühl-Pizza in den Ofen schieben und das Hörbuch starten muss, bevor es | |
weitergehen kann. Klar hilft man sich als Nachbarn gegenseitig mit den | |
Kindern. Und nein, ich widerstehe der Einladung der Großeltern, die Kinder | |
doch einfach trotzdem vorbeizubringen. Man passt ein bisschen mehr | |
aufeinander auf. Das ist das Gute.“ | |
Anna Klöpper ist Co-Ressortleiterin der taz.Berlin und Mutter von zwei | |
Kindern | |
## Der Gastwirt | |
„Das Slumberland ist weiter offen. Weil sich die Politiker ständig | |
widersprechen, habe ich am Samstag im Internet nachgeguckt und gemacht, was | |
in der Verordnung des Senats steht: Tische, Stühle und Hocker reduziert und | |
Abstände von eineinhalb Metern geschaffen. Auch bei den Stehplätzen soll | |
man 1,50 Meter Abstand schaffen. Sollen da Kreise auf dem Boden gemalt | |
werden, oder was heißt das? | |
Es kommen ja sowie kaum noch Leute. Die Hysterie wird immer größer. Die | |
Umsätze haben sich halbiert, weil weniger Leute kommen, aber die Kosten | |
laufen weiter. Man fragt sich, warum die Restaurants offen bleiben dürfen. | |
Restaurants seien zur Daseinsvorsorge, sagte Michael Müller. Scheinbar geht | |
die Regierung davon aus, dass die Leute nicht mehr selber kochen können. | |
Die Kneipen sind genauso wichtig: Die Leute drehen alle am Rad, die wollen | |
sich austauschen über die Situation. Das sind Kieztreffpunkte. Die Gäste | |
halten Abstand, die geben sich nicht mehr die Hand, das hat sich alles | |
schon verändert. Meine Leute am Tresen desinfizieren sich ständig die | |
Hände. Statt dieser Massenhysterie sollte die Politik lieber über die Frage | |
nachdenken: Wie kann man sich schützen und die Ökonomie trotzdem | |
weiterlaufen lassen?“ | |
Heiner Klinger ist Betreiber der Szenekneipe Slumberland am | |
Winterfeldtplatz in Schöneberg | |
## Der Geistliche | |
„Die Moschee ist geschlossen. Seit Sonntag ist das so. Die Freitagsgebete, | |
bei denen normalerweise über eintausend Leute kommen und alle sonstigen | |
Gebete, Kurse und Veranstaltungen sind abgesagt. Wir verrichten unsere | |
Gebete jetzt einzeln zu Hause. Nach der neuen Verordnung des Senats haben | |
wir das entschieden und per Videobotschaft auf unsere Internetseite | |
gestellt. | |
Die Leute sind traurig darüber, aber die meisten haben volles Verständnis. | |
Die Gesundheit geht vor. Ich bin selbst herzkrank und versuche, möglichst | |
nicht rauszugehen. Nicht in Panik verfallen ist das A und O, um die | |
Ausbreitung solcher Krankheiten zu verhindern. Ich bewundere, wie gelassen | |
die Bevölkerung reagiert.“ | |
Mohamed Taha Sabri, Imam der Neuköllner Begegnungsstätte | |
## Der Lebensmittelhändler | |
„Ich bin gerade im Geschäft und warte auf den Lkw mit einer neuen Fuhre. Am | |
Samstag ist so viel verkauft worden, dass der halbe Laden ist leer ist. | |
Ohne Sonntagslieferungen würden die Einzelhandelsgeschäfte das nicht mehr | |
schaffen. Aber die Ware muss auch noch ausgepackt und einsortiert werden. | |
So viele Hände hat man gar nicht. Das haben wir nicht mal zu Weihnachten | |
oder Silvester. | |
Eng ist es zurzeit beim Toilettenpapier. Die Leute horten das zu Hause und | |
schüren mit ihrem Kaufverhalten bei den anderen Panik. Dadurch machen sie | |
es noch schlimmer. Die Kunden denken, ist ja kaum noch was da, und greifen | |
auch zu. Dabei gibt überhaupt keinen Grund zum Hamstern. Abgesehen von der | |
normalen Krankheitsquote sind meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum | |
Glück noch alle gesund. Pro Schicht hat eine Kassiererin zurzeit bestimmt | |
400, 500 Kundenkontakte. Zwischendrin desinfizieren sie sich die Hände. Sie | |
nehmen das alles noch sehr ruhig und gelassen. Toi, toi, toi, dass das so | |
bleibt.“ | |
Soran Ahmed ist Inhaber eines Einzelhandelsgeschäfts mit 1.500 | |
Quadratmetern Verkaufsfläche | |
## Die Wanderin | |
„Corona begleitet uns die ganze Zeit. Wir sind eine Wandergruppe von sechs | |
Leuten. Am heutigen Sonntag laufen wir vom S-Bahnhof Wannsee zum Park | |
Babelsberg. Gerade sitzen wir in einem Gartencafé mit Biergarten. Alles ist | |
voller Menschen. Nicht nur Spaziergänger, auch viele Fahrradfahrer. Die | |
Tische sind auseinandergerückt. Es ist genug Platz für alle, man hockt sich | |
nicht auf der Pelle, aber man hat auch nicht das Gefühl, dass die Leute | |
bewusst auseinanderrücken. Das Wetter ist total schön. | |
Ich kann mir vorstellen, dass der eine oder andere denkt, es könnte das | |
letzte Mal gewesen sein, dass man so unbeschwert draußen ist. Wir haben uns | |
bei der Begrüßung nicht in den Arm genommen und halten beim Laufen mehr | |
Abstand als üblich. Aber auch wenn Corona das zentrale Gesprächsthema ist: | |
Man kann beim Wandern auch gut abschalten.“ | |
Claudia Hiesl, Soziologin und Wanderführerin | |
15 Mar 2020 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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