# taz.de -- Bedingungen in der Sicherheitsbranche: Ausgebeutet und bespuckt | |
> Kötter Security sorgt am Flughafen Düsseldorf für Sicherheit. Die Firma | |
> behandelt Beschäftigte schlecht und bedroht einen Gewerkschafter. | |
Bild: Könnte ab Sommer länger dauern: Sicherheitskontrolle am Flughafen Düss… | |
DÜSSELDORF taz | Im Kampf um bessere Arbeitsbedingungen bei | |
Fluggastkontrollen geht die Sicherheitsfirma Kötter hart gegen Beschäftigte | |
und Gewerkschafter vor – und trifft damit auch die Passagiere. Am Flughafen | |
Düsseldorf will das Essener Unternehmen trotz drohendem Chaos nicht nur | |
kurz vor der Sommerurlaubszeit aus seinem Vertrag aussteigen – Kötter | |
bedroht auch den für die Luftsicherheitsassistent*innen zuständigen | |
Verdi-Gewerkschaftssekretär Özay Tarim mit einer Unterlassungsklage. Deren | |
Wert: 112.500 Euro. | |
Konkret wirft die Sicherheitsfirma, die bundesweit rund 18.500 | |
Mitarbeiter*innen beschäftigt, Tarim vor, in Flugblättern | |
Falschinformationen verbreitet zu haben. Bei einem Streik am Düsseldorfer | |
Flughafen im Februar hatte der 42-Jährige öffentlich gemacht, wie Kötter | |
versucht, seine Beschäftigten einzuschüchtern und deren Streikrecht | |
auszuhebeln. | |
Offenbar im Auftrag des zuständigen Geschäftsführers der Kötter-Sparte | |
„Aviation Security“, Peter Lange, habe eine Mitarbeiterin mit befristetem | |
Arbeitsvertrag Kollegen per SMS aufgefordert, Streikbrecher zu werden, | |
schrieb Tarim. Er garnierte seinen Bericht mit detaillierten Zitaten aus | |
dem Chatverlauf: „Es kommen sogar zwei Mitarbeiter, die ihren Urlaub | |
unterbrechen“, schrieb die offenbar vom Geschäftsführer instrumentalisierte | |
Frau. | |
Vor Gericht will Kötter dafür offenbar jede Verantwortung zurückweisen. | |
Dabei hat der gewerkschaftsfeindliche Kurs bei dem Essener Unternehmen | |
Tradition: „Noch heute gibt es bei uns Mitarbeiter*innen mit Altverträgen, | |
in denen Kötter Streiks einfach untersagen wollte“, sagt | |
Betriebsratsvorsitzende von Kötter Aviation, Torsten Bogula. | |
## Täglich bis zu 12 Stunden am Flughafen | |
Deshalb dürfte es kein Zufall sein, dass die Sicherheitsfirma scharf gegen | |
Tarim schießt: Der Verdi-Mann, der die Flughafen-Sicherheitsbranche in NRW | |
seit zehn Jahren betreut, dürfte einer der erfolgreichsten | |
Gewerkschaftssekretäre sein. Tarim hat die als prekär sowie nicht | |
organisierbar geltende Branche aufgemischt und den Mitarbeiter*innen das | |
Selbstbewusstsein gegeben, für ihre Rechte zu kämpfen. | |
Seit 2013 haben die rund 1.100 Kötter-Beschäftigten am Düsseldorfer | |
Flughafen alle zwei Jahre für mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen | |
gestreikt – und das hat sich gelohnt: Ihre Bezahlung stieg von 12,36 Euro | |
im Jahr 2012 auf aktuell 18,36 Euro. [1][Für das kommende Jahr sieht der | |
Tarifvertrag eine weitere Steigerung auf 19,01 Euro vor.] „Das ist eine | |
Steigerung von 54 Prozent“, bilanziert Tarim, der sich wegen des laufenden | |
Verfahrens nicht zu der Unterlassungsklage äußern will. | |
Gekämpft haben die Luftsicherheitsassistenten auch für bessere | |
Arbeitsbedingungen. Noch 2017 hätten die Kötter-Beschäftigten bis zu sechs | |
Stunden ohne jede Pause [2][Fluggäste abgetastet und Gepäck durchleuchtet], | |
sagt „Aviation“-Betriebsratschef Bogula. Wegen Personalmangels seien | |
Mitarbeiter*innen täglich bis zu 12 Stunden am Flughafen gewesen. | |
„Unverantwortlich“ nennt das Verdi-Mann Tarim. Nach zwei bis drei Stunden | |
sei „die Konzentration im Keller“, eine Pause nötig: „Schließlich geht … | |
hier um die Flugsicherheit, um Terror-Abwehr“. | |
Probleme machen auch ständig wechselnde Arbeitszeiten. Um Fluggast-Spitzen | |
abzudecken, bestellt die Bundespolizei als Kötter-Auftraggeber täglich | |
andere Personalstärken. Für die Mitarbeiter*innen heißt das: Ihre Arbeit | |
beginnt mal morgens um halb vier, mal um fünf, mal um sechs. Dazu kommen | |
bei vielen lange Anfahrtswege. Sie wohnen im von hoher Arbeitslosigkeit | |
geprägten nördlichen Ruhrgebiet – die Mieten des völlig überhitzten | |
Düsseldorfer Wohnungsmarkts können sie sich trotz Lohnerhöhungen oft nicht | |
leisten. | |
## Luftsicherheitsassistent*innen wurden bespuckt | |
Am Düsseldorfer Flughafen hat der Personalmangel deshalb Tradition. Schon | |
im Sommer 2017 eskalierte die Situation an den unterbesetzten | |
Kontrollstellen völlig. Passagiere mussten teilweise stundenlang warten, | |
verpassten ihre Flüge. Augenzeugen berichten von Handgreiflichkeiten unter | |
den Fluggästen, die überlasteten Luftsicherheitsassistent*innen wurden | |
bespuckt und angepöbelt, die Bundespolizei musste eingreifen. Zwar betont | |
Kötter, danach mehr als 250 neue Mitarbeiter*innen eingestellt zu haben. | |
Doch auch in diesem November gab es wieder Klagen über lange Wartezeiten | |
und verpasste Flüge – noch immer liegt der Krankenstand der gestressten | |
Kontrolleur*innen bei extrem hohen 20 Prozent. | |
Das Sicherheitsunternehmen hat deshalb die Reißleine gezogen und das für | |
die Auftragsvergabe zuständige Beschaffungsamt des Bundesinnenministeriums | |
um Auflösung seiner regulär bis Ende 2020 laufenden Verträge an den | |
Flughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn gebeten – „Kötter | |
Aviation“-Geschäftsführer Lange klagt über Millionenverluste in seinem | |
Geschäftsbereich. Stattgegeben hat die Behörde der Bitte aber nur für den | |
Flughafen Düsseldorf – warum, will das Beschaffungsamt nicht mitteilen. | |
Fest steht aber: Ende Mai ist Kötter am Flughafen Düsseldorf erst einmal | |
raus. | |
Nötig ist damit eine Neuausschreibung des Kontrollauftrags. Die dürfe | |
„nicht auf dem Rücken der Beschäftigten“ ablaufen, fordert die zuständige | |
Verdi-Fachbereichsleiterin Andrea Becker. Keinesfalls dürfe es zu einer | |
Aufsplittung der Kontrollen auf mehrere Firmen kommen, sagt die | |
Gewerkschafterin: „Nur ein geordneter Betriebsübergang auf einen anderen | |
Einzelanbieter sichert, dass alle 1.100 Beschäftigten übernommen werden und | |
es im Sommer nicht wieder zu langen Schlangen, Wartezeiten und neuem Chaos | |
kommt.“ | |
Auch eine Wiederverstaatlichung der vor 20 Jahren privatisierten | |
sicherheitsrelevanten Fluggastkontrollen sei denkbar, findet die | |
Gewerkschafterin: „Wer Qualität und ausreichend Personal haben will, darf | |
den Auftrag nicht an gewinnorientierte Unternehmen vergeben.“ Unterstützt | |
wird Verdi dabei von der nordrhein-westfälischen SPD: „Mittelfristig ist es | |
zwingend erforderlich, dass die Flugsicherung wieder vollständig in | |
hoheitliche Hände gelegt wird“, sagt SPD-Landtagsfraktionschef Thomas | |
Kutschaty – doch im Innenausschuss des Landtags dürfte ein entsprechender | |
Antrag der Sozialdemokraten wohl am Widerstand von CDU und FDP scheitern. | |
Selbst Kötter signalisiert deshalb, sich erneut für die Fluggastkontrollen | |
bewerben zu wollen. „Aviation“-Geschäftsführer Lange hofft dabei offenbar | |
auf eine staatliche Gewinngarantie: „Das unternehmerische Risiko darf nicht | |
allein der Dienstleister tragen“, lässt er auf taz-Nachfrage mitteilen. | |
Dass ein Konfrontationskurs gegenüber Beschäftigten und Gewerkschaft dabei | |
nicht hilfreich ist, scheint der Geschäftsführer mittlerweile begriffen zu | |
haben: In der Unterlassungsklage gegen Verdi-Mann Özay Tarim hat Kötter um | |
Verschiebung des Gerichtstermins gebeten – angeblich sind die Firmenanwälte | |
überlastet. | |
18 Nov 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Tarifstreit-des-Flughafenpersonals/!5568035 | |
[2] /Sicherheitskontrolleur-auf-dem-Flughafen/!5525477 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
## TAGS | |
Security | |
Flughafen | |
Gewerkschaft | |
Arbeitsbedingungen | |
Verdi | |
Flugsicherheit | |
Arbeitsgericht | |
Christina Schulze Föcking | |
Vermögenssteuer | |
Alice-Salomon-Hochschule | |
Volkshochschule | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Gewerkschafter siegt vor Gericht: Tarim darf streitbar bleiben | |
Die Sicherheitsfirma Kötter kann den unbequemen Ver.di-Mann Özay Tarim | |
nicht zum Schweigen zwingen – und zieht sich vom Flughafen Düsseldorf | |
zurück. | |
Privatisierte Flugsicherheitskontrollen: Eine hoheitliche Aufgabe | |
Dass auf Flughäfen an der Sicherheit gespart wird, ist eine Folge der | |
Privatisierungen während der 1990er Jahre. | |
Unterlassungsklage gegen Verdi-Sekretär: Gewerkschafter vor Gericht gezerrt | |
Kampf um bessere Arbeitsbedingungen: Die Sicherheitsfirma Kötter will die | |
Gewerkschaft Verdi zum Schweigen bringen. | |
Angeblicher Hackerangriff in NRW: Die lange Nase des Ministers | |
Nächster Dreh in der irren NRW-Affäre um Ex-Ministerin Schulze Föcking: Der | |
Justizminister könnte das Parlament belogen haben, glauben SPD und Grüne. | |
Gewerkschaftstagung des DGB: Offensiv gegen Vermögensteuern | |
Der DGB lädt zur „Verteilungskonferenz“. CDU-Fraktionsvize Gröhe schießt | |
gegen Robert Habeck, Christian Lindner gegen einen Familienunternehmer. | |
Outsourcing Alice Salomon Hochschule: Gute Bezahlung ist unrealistisch | |
Ausgerechnet die Alice Salomon Hochschule mit emanzipatorischem Anspruch | |
sourct Reinigungsdienste aus. Studierende protestieren nun. | |
Prekäre Arbeitsbedingungen: VHS-DozentInnen sind arm dran | |
DozentInnen an Volkshochschulen unterrichten zum Beispiel Deutsch für | |
Fremdsprachler. Ihre Jobs sind prekär. Eine Dozentin geht jetzt vor | |
Gericht. |