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# taz.de -- Outsourcing Alice Salomon Hochschule: Gute Bezahlung ist unrealisti…
> Ausgerechnet die Alice Salomon Hochschule mit emanzipatorischem Anspruch
> sourct Reinigungsdienste aus. Studierende protestieren nun.
Bild: Die Mindeststandards in der Reinigungsbranche sind gering – der Mindest…
Berlin taz | „Wenn Sie verstehen wollen, was da vor sich geht“, sagt Emine
Corhut, selbst Gebäudereinigerin, „dann müssen Sie sich die Branche
ankucken, nicht ein einzelnes Unternehmen. Das sind alles Banditen, die tun
sich da nichts.“
Emine Corhut heißt eigentlich anders, aus Angst vor Repressionen möchte sie
aber nicht, dass ihr Name in der Zeitung steht. Sie arbeitet seit 25 Jahren
als Gebäudereinigerin, und sie ist sich sicher: „Es wird immer schlimmer.“
Mit jeder erstrittenen Verbesserung gehe auch immer eine Verschlechterung
einher.
Sie habe großen Respekt vor Dora B. und Galyna B., zwei Kolleginnen, die
die [1][Arbeitsbedingungen an der Alice Salomon Hochschule] angeprangert
hatten. Sieben Minuten habe man im Schnitt, um einen Seminarraum zu
reinigen, hatten sie in einem [2][Interview mit der Jungen Welt] gesagt.
Notwendig sei die doppelte Zeit, um die Arbeit gut zu machen und dabei
nicht auszubrennen. Daraufhin wurden ihre befristeten Verträge von der
Firma Peter Schneider gekündigt oder nicht verlängert.
Am Dienstagabend hat nun eine Solidaritätsgruppe unter Studierenden
daraufhin ein Gespräch mit der Hochschule erzwungen, bei dem auch der
Geschäftsführer der Peter Schneider GmbH, Tarik Ylmaz, anwesend war und vor
ungefähr 70 Studierenden seine Sicht der Dinge darstellen konnte, ebenso
wie der Kanzler der Hochschule, Andreas Flegl, und die Rektorin, Bettina
Völter. Alle drei beriefen sich darauf, dass die Peter Schneider GmbH ein
normaler Player am Markt sei, branchenüblich handle und es üblich sei, dass
die Reinigungsdienstleistungen ausgelagert werde.
## Die Rektorin appellierte an den Realitätssinn
Insbesondere Bettina Völter appellierte immer wieder an den Realitätssinn.
„Ich bin bescheiden genug“, sagte sie zum Unmut der anwesenden
Studierenden, „um zu sagen, dass wir nicht alles leisten können.“ Die
Reinigung, wie von den Studierenden gefordert, zum Teil der Hochschule zu
machen, sei nicht darstellbar. „Damit würde ich unsere Verwaltung
überfordern.“ Man habe durchaus darauf geachtet, dass mit der Peter
Schneider GmbH ein Unternehmen beauftragt wurde, das gewisse
Mindeststandards einhalte.
Nur sind die Mindeststandards in der Branche sehr gering. Aktuell liegt der
Mindestlohn bei 10,56 Euro, der aktuelle Tarifvertrag wurde gekündigt,
weswegen es erst vergangene Woche zu Warnstreiks gekommen ist.
Die Gewerkschaften fordern, dass zukünftig ein Weihnachtsgeld gezahlt wird,
dass Überstundenzuschläge nicht nur für Vollzeitkräfte bezahlt werden, und
dass Fachkräfte eine bessere Entlohnung erhalten als ungelernte
Gebäudereiniger*innen.
Da sich die Arbeitgeber nicht bewegen, wird es wohl bald wieder Streiks
geben. In der Vergangenheit wurden so zumindest (bescheidene)
Lohnerhöhungen durchgesetzt. „Aber erstens frisst die Inflation die
Erhöhungen von 30 Cent brutto pro Stunde“, sagt Corhut, und zweitens kämen
die Lohnerhöhungen gar nicht bei den Arbeitnehmern an. Mit jeder Erhöhung
würden einfach die Stunden reduziert, die für die Reinigung eines Gebäudes
veranschlagt werden.
Gerade die Auftraggeber sieht Corhut hier in der Pflicht: „Alle wollen
immer das Beste, für möglichst wenig Geld.“ Dadurch werde der Druck auf die
Firmen immer größer. Für Objekte, in denen vor zehn Jahren sechs
Beschäftigte geputzt hätten, würden jetzt zwei Kräfte eingeteilt. Und die
Möglichkeit, sich zu wehren, sei begrenzt: Die Gewerkschaften zahlen zwar
zwischen siebzig und fünfundachtzig Prozent des Lohnes an Streikgeld, aber
in diesem Niedriglohnbereich zählt am Ende eben jeder Cent – „Arbeitskampf
können sich viele nicht leisten“. Deswegen sei man auf Solidarität
angewiesen. Und es gebe durchaus Auftraggeber, die darauf achteten, dass
die Reinigungskräfte nicht überstrapaziert würden: Der Deutsche Bundestag
zum Beispiel gebe bei zu niedrigen Berechnungen die Angebote zur
Überprüfung zurück. „Aber je kleiner die Institution, desto schlechter die
Arbeitsbedingungen.“
## Studierende sollen selber auf Sauberkeit achten
Warum sich ausgerechnet die Alice Salomon Hochschule daran kein Beispiel
nimmt und kein Vorreiter der sozialen Gerechtigkeit sein wolle, fragten die
Studierenden Bettina Völter mehrfach während des Gesprächs am Dienstag.
Schließlich sei die Hochschule laut Leitbild eine Institution „mit
emanzipatorischem Anspruch“, die „dem gesellschaftlichen Auftrag sozialer
Gerechtigkeit und kritischer Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen
Entwicklungen verpflichtet“ sei.
Das sei richtig, antwortete Rektorin Völter, aber es stünden ganz andere
Herausforderungen an. Die Hochschule wachse ständig, außerdem werde gerade
neu gebaut, und auch dafür stehe die Finanzierung noch nicht. Es sei
ohnehin ein über die Hochschule hinausweisendes Problem, das vom Senat
geregelt werden müsse. Völter versprach trotzdem, einen Qualitätszirkel
einzurichten, der die Einhaltung der Standards überprüfe.
Außerdem seien hier jetzt alle in der Pflicht, sagte sie, und überhaupt:
auch die Studierenden seien dafür verantwortlich, die Seminarräume in
einigermaßen sauberem Zustand zu hinterlassen. Am Ende zeigte sie sich
erfreut darüber, dass sich die Studierenden sozial engagierten. „Ich hätte
gern auch eine bessere, gerechtere Welt“, sagte sie, „aber wir müssen auch
realistisch bleiben.“
4 Oct 2019
## LINKS
[1] /Outsourcing-von-Reinigungskraeften/!5618052/
[2] https://www.jungewelt.de/artikel/358223.ausbeutung-am-arbeitsmarkt-ich-bin-…
## AUTOREN
Frédéric Valin
## TAGS
Alice-Salomon-Hochschule
Arbeitskampf
Tarifstreit
Berlin
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Protest
Elke Breitenbach
Alice-Salomon-Hochschule
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