| # taz.de -- Baumhaus-Räumung im Hambacher Forst: Minister übt Pseudo-Transpar… | |
| > Zum Polizeieinsatz im Hambacher Forst hat die NRW-Regierung einen kurzen | |
| > und exklusiven Blick in ihre Akten gewährt. Das Material ist brisant. | |
| Bild: Räumung im Hambacher Forst: RWE und Innenminister Reul zogen an einem St… | |
| Düsseldorf taz | Ganze 4.565 Seiten zur Räumung des Hambacher Walds kommen | |
| allein aus Nordrhein-Westfalens Innenministerium. Sechs Aktenordner aus dem | |
| Bauressort, einer aus der Staatskanzlei. Sie bündeln das, was aus | |
| Behördensicht zum massiven Polizeieinsatz am Rand des riesigen | |
| RWE-Braunkohletagebaus Hambach zu sagen ist. | |
| Dass Journalist*innen und Abgeordnete am Donnerstagabend zumindest | |
| stundenweise einen oberflächlichen Blick auf die Regierungsdokumente werfen | |
| durften und sogar Kopien gewünschter Seiten erhielten, ist einzig dem | |
| [1][Druck der Öffentlichkeit zu verdanken, unter dem | |
| CDU-Landesinnenminister Herbert Reul] seit Monaten steht. | |
| Nicht nur Klimaschützer*innen werfen dem 67-Jährigen vor, sich [2][zum | |
| Helfershelfer des Braunkohlekonzerns RWE gemacht zu haben]. „Die Räumung | |
| des Hambacher Waldes wurde von dem Kohlekonzern RWE bei der Landesregierung | |
| in Auftrag gegeben. Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist | |
| überfällig“, sagt etwa Kathrin Henneberger, Pressesprecherin der | |
| Klimaschützer*innen von „Ende Gelände“. | |
| Auch Antje Grothuis, als Teil der Anwohner*innen-Initiative „Buirer für | |
| Buir“ Mitglied der Kohlekommission, wirft Reul und der gesamten | |
| Landesregierung „Verantwortungslosigkeit“ und „grobe Fahrlässigkeit“ v… | |
| Und Verena Schäffer, innenpolitische Sprecherin der Grünen im Düsseldorfer | |
| Landtag, sagt: „Das Kabinett Laschet hat das Recht instrumentalisiert, um | |
| die Interessen von RWE durchzusetzen.“ | |
| ## Innenminister in Erklärungsnot | |
| Denn Reul muss nicht nur erklären, warum er das Symbol der Klimabewegung | |
| vor genau einem Jahr – [3][ab dem 13. September 2018] – mit dutzenden | |
| Polizeihundertschaften und großer Härte räumen ließ, obwohl das | |
| Oberverwaltungsgericht am 5. Oktober dann die Rodung durch RWE untersagte. | |
| Der Braunkohleverstromer habe schlicht nicht nachweisen können, dass die | |
| Energieversorgung ohne den Tagebau Hambach landes- oder gar bundesweit | |
| gefährdet sei, befanden die Richter nur drei Wochen nach einem der größten | |
| Polizeieinsätze der Landesgeschichte. | |
| Mit anderen Worten: Auch ohne die massive Natur- und Heimatzerstörung gehen | |
| in Deutschland nicht die Lichter aus, was auch der Kohlekompromiss zeigt: | |
| Der fordert ebenfalls den Erhalt der noch stehenden Reste des einst größten | |
| Walds des Rheinlands. | |
| Doch der Sieg der Vernunft ist nicht das einzige Problem des | |
| Innenministers. Seit Wochen tauchen immer wieder neue Hinweise auf, die | |
| belegen, wie groß die Nähe Reuls zu RWE wirklich war. Hatte der 67-Jährige | |
| noch Ende August im WDR erklärt, im Vorfeld der Räumung habe es „gar keinen | |
| Kontakt“ zu dem Energieriesen gegeben, musste er mittlerweile mindestens | |
| zwei Treffen mit der RWE-Führung einräumen. | |
| ## RWE fordert Räumung – Reul liefert | |
| Am Donnerstagnachmittag erklärte Reul dann im Innenausschuss des Landtags: | |
| RWE-Vorstandschef Rolf Martin Schmitz sei am 15. August 2018, also nur | |
| einen knappen Monat vor Beginn der Räumung, bei ihm „zu Gast“ gewesen – … | |
| habe eine klare Botschaft hinterlassen: „Wir werden Roden, egal, was da | |
| kommt“. | |
| Der Verfassungsschutzminister geht deshalb in die Offensive – und gibt | |
| offen zu, er habe nach einem juristischen Vorwand suchen lassen, um seine | |
| Polizei in Bewegung setzen zu können. „Klar gab es Absprachen, wo ist das | |
| Problem“, meinte Reul im Innenausschuss zu seinen RWE-Kontakten. „Die | |
| hatten das Recht, in den Wald zu gehen und den abzubaggern“, sagt der | |
| Minister. | |
| Wie Reul ebenfalls einräumt, sei deshalb die als RWE-nah geltende | |
| Anwaltskanzlei Baumeister beauftragt worden, um per Gutachten eine | |
| Rechtsgrundlage für den massiven Polizeieinsatz im Hambacher Wald zu | |
| finden. Die Anwälte aus Münster lieferten prompt: Das Baurecht verbiete die | |
| Baumhäuser der Waldbesetzer*innen, befanden sie. Der fast lächerlich | |
| wirkende Grund dahinter: mangelnder Brandschutz. „Handlanger“ des | |
| Braunkohlekonzerns will der Minister trotzdem keinesfalls gewesen sein. Er | |
| habe nur „Recht und Gesetz“ kreativ durchsetzen lassen, glaubt Reul noch | |
| heute. | |
| ## Akteneinsicht – aber nur für wenige Stunden | |
| Um davon auch die Öffentlichkeit zu überzeugen, hat sich der Minister | |
| deshalb zu einer Art Pseudo-Transparenzoffensive entschlossen: Volle | |
| Akteineinsicht wollte er gewähren – und zwar den gewählten Abgeordneten im | |
| Innenministerium und den Journalist*innen der Landespressekonferenz im | |
| Bauministerium. In dessen holzgetäfeltem Sitzungssaal 101 wälzten am | |
| Donnerstagabend deshalb mehr als ein Dutzende Pressvertreter*innen | |
| Protokolle, Vermerke, Dienstanweisungen, Gutachten und Mails. | |
| Aber: Möglich war dies erst einmal nur an dem einen Abend – und das ist | |
| wohl Reuls Strategie. Eine intensive Durchsicht der etwa 8.000 Seiten | |
| umfassenden Regierungsunterlagen ist in wenigen Stunden natürlich nicht | |
| möglich. | |
| Doch schon ein erster oberflächlicher Blick machte klar: RWE trat nicht nur | |
| gegenüber der gewählten Landesregierung, sondern auch gegenüber Polizei, | |
| Kommunen und untergeordneten Behörden mit einer glasklaren, arrogant | |
| wirkenden Anspruchshaltung auf. „Welche Behörde oder welche der Behörden, | |
| ggfls. auch gemeinsam, die Räumung verfügt, ist für RWE irrelevant“, ließ | |
| der Konzern am 2. Juli in einem „Antrag auf Räumung von Waldbesetzungen“ | |
| wissen. „Relevant ist allerdings, dass die Räumung tatsächlich | |
| stattfindet.“ | |
| ## Deutlich mehr Bedenken in anderen Behörden | |
| Interessant ist auch: Jenseits des NRW-Innenministeriums gab es Bedenken in | |
| verschiedensten Behörden. Ihre Mitarbeiter*innen versuchten alles, um nicht | |
| mit einer radikalen Räumung in Verbindung gebracht zu werden. Das | |
| Justizministerium machte klar, dass ein möglicher Hausfriedensbruch durch | |
| Klimaschützer*innen „nicht zu den schwerwiegenden Straftaten“ zähle. | |
| Untersuchungshaft komme deshalb nicht in Frage, heißt es fast anklagend in | |
| einem Protokoll des Innenministeriums vom 17. Juli 2018. | |
| Das Gesundheitsressort argumentierte, auch blockierte Rettungswege seien | |
| für die „geländegängigen Fahrzeuge“ von RWE passierbar. Ein Vertreter des | |
| Landesforstbetriebs erklärte, in Hambach stehe kein Forst, sondern ein | |
| „Protest-Wald“ – und für den sei man nicht zuständig. Und das | |
| Bauministerium bezweifelte sogar, dass es sich bei den Baumhäusern der | |
| Waldbesetzer*innen überhaupt um „bauliche Anlagen“ handele – schließlich | |
| seien die nicht „durch Stützen“, sondern eben nur durch Bäume „fest mit… | |
| Erdreich verbunden“. | |
| Doch Reul gab nicht auf. Am 27. Juli 2018 forderte er bei | |
| CDU-Ministerpräsident Armin Laschet und fünf weiteren Kabinettsmitgliedern | |
| mehr Unterstützung ein. Parallel dazu lief die Gutachten-Auftragsvergabe an | |
| die Kanzlei Baumeister, deren Kosten zunächst auf 8.181,25 Euro geschätzt | |
| wurden. Am 8. Oktober folgte dann eine Anwaltsrechnung über 32.582,32 Euro, | |
| mittlerweile ist von Gesamtkosten von rund 60.000 Euro die Rede. | |
| Politisch könnte der Preis für Reul, ja sogar das gesamte Kabinett Laschet | |
| noch teurer werden. CDU-Bauministerin Ina Scharrenbach jedenfalls erklärt | |
| im Gegensatz zu Reul tapfer weiter, nur das Baurecht und damit der | |
| mangelnde Brandschutz sei Grund für die Räumung des Hambacher Walds | |
| gewesen. | |
| SPD und Grüne fordern deshalb unbefristeten Zugang zu den | |
| Regierungsdokumenten: „Diese bizarre Akteneinsicht war keine Transparenz“, | |
| findet nicht nur die parlamentarische Geschäftsführerin der | |
| SPD-Landtagsfraktion, Sarah Philipp. „Das war vorgetäuschte Transparenz.“ | |
| 13 Sep 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Wyputta | |
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