| # taz.de -- Proteste am Tagebau Garzweiler: Ein zweiter Hambacher Forst | |
| > Demonstranten am Tagebau Garzweiler wehren sich gegen Pläne von RWE, sie | |
| > umzusiedeln und ihre Dörfer abzubaggern. | |
| Bild: Blick in die Grube von Wanlo aus: Der Kohleabbau schluckt die Dörfer der… | |
| Kuckum taz | „Wir haben vor 23 Jahren hier gebaut und einen 2.000 | |
| Quadratmeter großen Garten angelegt“, sagt Waltraud Kieferndorf aus Kuckum. | |
| „Im Laufe der Jahre haben wir exotische Pflanzen und Raritäten gesammelt, | |
| über hundert Bäume gepflanzt, über 100 Rhododendren und Azaleen. Das | |
| kriegen wir nie wieder. Nicht in diesem Leben und schon gar nicht von RWE. | |
| Wir ziehen nicht um. Die Zeiten sind vorbei.“ | |
| Kuckum ist eines der Dörfer, die RWE umsiedeln, abreißen und abbaggern | |
| will, um den Tagebau Garzweiler II zu erweitern. Aber viele | |
| Dorfbewohner*innen wollen nicht gehen. Unter dem Motto „Alle Dörfer | |
| bleiben“ organisieren sie Widerstand. | |
| Am Sonntag hat die Initiative zusammen mit der Deutschen Stiftung für | |
| Denkmalschutz den „Tag des offenen Denkmals“ veranstaltet. Auf dem | |
| Spaziergang zeigten Dorfbewohner*innen den rund 100 Teilnehmer*innen des | |
| Spaziergangs ihre Höfe, das Wasserschloss, die alte Kornmühle, die | |
| Dorfkirche, Pferdekoppeln und Felder. | |
| All das soll in den kommenden Jahren Schritt für Schritt im Loch des | |
| Tagebaus verschwinden. „Es gibt Menschen, die umsiedeln wollten und das | |
| auch getan haben“, sagt David Dresen, ebenfalls aus Kuckum. „Hier haben mal | |
| knapp 500 Menschen gewohnt.“ Davon sei ein Drittel ausgezogen, aber nur die | |
| Hälfte nach Neu-Kuckum: Die anderen seien woanders hingezogen, weil der | |
| neue Ort kein Dorf ist, sondern eine Neubausiedlung an einer Stadt. | |
| ## RWE argumentiert mit Sozialverträglichkeit | |
| Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft ist es im Rahmen | |
| des [1][Kohlekompromisses] nicht mehr nötig, den Hambacher Forst oder die | |
| Dörfer am Tagebau Garzweiler abzubaggern. RWE beruft sich allerdings | |
| darauf, die Umsiedlungen zu Ende bringen zu müssen, um | |
| Sozialverträglichkeit zu sichern und einer Spaltung der Dorfgemeinschaften | |
| vorzubeugen. „Die Dorfgemeinschaft ist gespalten, seit es RWE hier gibt“, | |
| sagt Dresen. „In vorherigen Umsiedlungen sind maximal 60 Prozent der Leute | |
| mitgezogen. Das ist auch die Statistik für uns, die RWE selbst rausgegeben | |
| hat.“ | |
| Wer bleiben wolle, würde nicht in das Neubaugebiet ziehen, selbst wenn die | |
| Dörfer abgerissen würden, sagt Dresen. „Wir haben noch keinen einzigen | |
| Landwirt, der mit umgesiedelt ist. Keinen, in keinem der Dörfer. Weil es am | |
| neuen Ort keine Flächen gibt und andere Auflagen gelten. Wir haben einen | |
| Friseur, zwei Metzger, zwei Bäcker, zwei Reiterhöfe und locker 30 Bauern. | |
| Alle diese Leute können Stand heute überhaupt nicht mit. Sie müssten ihre | |
| Existenz aufgeben.“ | |
| Auch Elisabeth Hoffmann-Heinen ist zum Dorfspaziergang gekommen. Sie hat | |
| früher im zu Mönchengladbach gehörenden Wanlo gewohnt. „Da habe ich vor 30 | |
| Jahren dasselbe gemacht, wie die Menschen hier heute“, sagt sie. Auch Wanlo | |
| sollte eigentlich – wie die Dörfer Kuckum und Keyenberg – für den Tagebau | |
| Garzweiler abgebaggert werden. „In den 90er Jahren ging es nicht um CO2, | |
| sondern ums Grundwasser.“ Das Grundwasser wird in den Tagebauen abgepumpt, | |
| dadurch sinkt der Wasserspiegel. „Wir haben unheimlich Druck gemacht.“ Das | |
| Verhalten der Landesregierung aktuell könne sie ebenso wenig | |
| nachvollziehen: „Ich habe so eine Wut innerlich, was die Politik mit uns | |
| macht. Sie macht genau, was RWE sagt. Wir werden von vorne bis hinten | |
| belogen.“ | |
| ## Es geht nicht nur um Heimat, sondern auch um Klimapolitik | |
| Für Kieferndorf und Dresen aus Kuckum geht es bei den Dörfern nicht nur um | |
| ihre Heimat. Es geht auch um Klimapolitik. „Es gibt keinen Grund mehr, uns | |
| zwangsumzusiedeln“, sagt Kieferndorf. „In Zeiten von Klimakrise wollen wir | |
| das nicht unterstützen, indem wir unseren Garten noch hergeben, unter dem | |
| Braunkohle liegt. Nee, die bleibt schön unten.“ | |
| Dresen sagt, es brauche ohnehin einen frühen Kohleausstieg: „Uns fliegt die | |
| gesamt Erde um die Ohren. De facto können wir es uns energie- und | |
| klimapolitisch nicht erlauben, das hier abzureißen. Und noch viel weniger | |
| werden die Menschen das mitmachen. Wenn hier die Dörfer abgerissen werden, | |
| haben wir hier einen zweiten Hambi und ich kann mir nicht vorstellen, dass | |
| die Landesregierung das politisch überlebt.“ | |
| Für den Fall, dass die Dörfer erhalten bleiben, entwickeln die | |
| Anwohner*innen bereits Pläne. „Wir haben das Gefühl, dass die Menschen noch | |
| nie so engagiert waren wie jetzt“, sagt Dresen. „Menschen aus den Dörfern | |
| schreiben Anträge für Erneuerbare-Energie-Projekte. Wir wollen hier wieder | |
| eine Kneipe und ein Café ins Leben rufen, wir wollen wieder einen Markt | |
| aufbauen.“ | |
| Die Lage der Grundstücke 40 Bahnminuten von Köln entfernt ist gut, die | |
| Bewohner*innen berichten von vielen Anfragen von Leuten, die gern herziehen | |
| würden – wenn RWE sie ließe. Nach aktuellem Plan soll der Abriss der Dörfer | |
| ab 2027 beginnen. | |
| 8 Sep 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anett Selle | |
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