# taz.de -- Auseinandersetzung unter Kollegen: G20-Polizist angeklagt | |
> In Hamburg steht ein Polizist wegen Nötigung und fahrlässiger | |
> Körperverletzung im Amt vor Gericht. Der Geschädigte ist ein Kollege. | |
Bild: Polizist*innen vor der Gefangenensammelstelle in Hamburg-Harburg am 24. J… | |
HAMBURG taz | Fast zweieinhalb Jahre nach dem [1][G20-Gipfel] beschäftigen | |
die Vorkommnisse in Hamburg noch immer die Gerichte. Am Mittwoch begann der | |
erste Prozess gegen einen Polizeibeamten in diesem Zusammenhang. Allerdings | |
steht der Beamte nicht wegen eines [2][Übergriffs auf eine*n | |
Demonstrant*in] vor Gericht. Es geht stattdessen um eine Auseinandersetzung | |
zwischen zwei Polizisten, bei der einer der beiden leicht am Finger | |
verletzt wurde. | |
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Polizisten Klaus M. aus Minden Nötigung | |
und fahrlässige Körperverletzung im Amt vor. In der Nacht vom 8. auf den 9. | |
Juli 2017 war M. in der Gefangenensammelstelle (Gesa) Neuland im Einsatz. | |
Dort traf er im Hofbereich auf einen Kollegen der Hamburger Polizei. Dieser | |
trug sichtbar am Oberschenkel eine Flasche Pfefferspray, etwa so groß wie | |
ein kleiner Feuerlöscher. | |
Laut der Anklageschrift soll M. den Hamburger Polizisten „kraftvoll“ mit | |
dem linken Arm am Oberkörper gegen ein Fahrzeug gedrückt und mit der | |
rechten Hand so kräftig am Holster der Sprayflasche gezogen haben, dass es | |
aufging und er die Flasche nehmen konnte. Der Hamburger Polizist soll dabei | |
eine schmerzhafte Bänderdehnung am kleinen Finger erlitten haben. | |
Eigentlich hätte der Fall schon erledigt sein können. Denn in einem | |
vereinfachten Verfahren hatte die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl | |
gegen M. erlassen. Das Gericht stimmte diesem zu. Demnach sollte M. eine | |
Verwarnung mit Strafvorbehalt erhalten. Hätte er sich in den folgenden zwei | |
Jahren etwas zu Schulden kommen lassen, hätte er 4.000 Euro zahlen müssen. | |
## Waffenfreie Zone in der Gesa | |
M. legte jedoch Einspruch dagegen ein. Deshalb kam es nun zum Prozess gegen | |
ihn. Die Tat streitet er nicht ab. Er fühlt sich aber trotzdem zu Unrecht | |
beschuldigt, wie am ersten Prozesstag mehrfach deutlich wurde. | |
Alle Polizist*innen, die in der Gesa eingesetzt waren, trugen zivile | |
Kleidung und gelbe Westen, um als Polizist*innen erkannt werden zu können. | |
Gegenüber M. sei gesagt worden: Wer eine gelbe Weste trägt, darf keine | |
Waffen tragen. Der Hamburger Polizist habe eben eine gelbe Weste und auch | |
Pfefferspray, also eine Waffe, getragen. | |
M. habe ihn auch gesehen, wie er mit dem Pfefferspray in Bereiche ging, die | |
als waffenfreie Zone galten und durch Schilder als solche markiert waren. | |
Außerdem habe der Hamburger Kollege die Sprayflasche vor einem Container | |
der Gesa abgenommen und einer Kollegin gezeigt. | |
Der Mindener Polizist berichtet vor Gericht, er habe den Hamburger | |
angesprochen und ihm gesagt, er wolle ihn mit dem Pfefferspray nicht mehr | |
sehen. Außerdem habe er seinem Vorgesetzten davon berichtet. Als er den | |
Hamburger Polizisten eine halbe Stunde später wiedergesehen habe und der | |
immer noch das Pfefferspray trug, habe er es ihm abgenommen. | |
Er habe gedacht, sein Vorgesetzter habe den Mann nicht gefunden, um die | |
Sache zu klären. Als der Vorgesetzte ihm später gesagt habe, er müsste sich | |
entschuldigen, habe er abgelehnt. Er könne sich nicht dafür entschuldigen, | |
seinen Auftrag erfüllt zu haben, habe er geantwortet. | |
Schon diese erste Erklärung des angeklagten Polizisten sorgt für Unmut bei | |
der Richterin und der Staatsanwältin. Denn dass der Vorgesetzte | |
möglicherweise ein relevanter Zeuge sein könnte, ist beiden neu. „Warum | |
erfahre ich das erst jetzt?“, fragt die Richterin. Ihre Kritik richtet sich | |
an den Verteidiger. Mehrfach habe dieser eine Stellungnahme seines | |
Mandanten angekündigt, aber es sei nichts gekommen. Außerdem habe sie | |
wiederholt versucht, ihn zu erreichen, aber er habe nicht zurückgerufen. | |
M. wiederum kritisiert die Ermittlungen gegen ihn. „Ich habe mich nicht | |
wohl gefühlt, wie ich die Akten gelesen habe“, sagt er. Er sei selbst | |
Aktenführer und es sei nicht tief genug ermittelt worden. „Vielleicht | |
hätten Sie sich mal äußern sollen, wir können das nicht erträumen“, sagt | |
dazu die Staatsanwältin. Sie weist zudem darauf hin, dass M. dem Hamburger | |
das Spray in einem Bereich abgenommen habe, in dem es kein Waffenverbot | |
gab. | |
Auch der geschädigte Hamburger Polizist sagt zum Prozessauftakt vor Gericht | |
aus. Dass er die waffenfreie Zone mit dem Spray betreten hat, streitet er | |
ab. Seinem Kollegen M., der ihm gegenüber verbal aggressiv gewesen sei, | |
habe er im ersten Gespräch gesagt, dass er das Spray tragen dürfe. „Ich | |
fand das auch ein bisschen unprofessionell alles“, sagt er. Kein anderer | |
Kollege habe ihn auf das Pfefferspray angesprochen. | |
„Für mich stellt sich das als Missverständnis dar“, folgert M.s | |
Verteidiger. Er betont immer wieder, es habe offenbar ungenaue Anweisungen | |
seitens der Vorgesetzten gegeben, wer nun wo Waffen und gelbe Westen tragen | |
dürfe und wer nicht. Für den Hamburger Polizisten ist das kein Argument: | |
„Herr M. ist ein Polizeibeamter, ein Profi für Sicherheit“, entgegnete er. | |
„Ich glaube, das war kein Missverständnis.“ Weil sich M. zu keinem | |
Zeitpunkt entschuldigt habe, glaube dieser offenbar, richtig gehandelt zu | |
haben. | |
M.s Verteidiger fragt, ob der Hamburger Interesse an einem klärenden | |
Gespräch habe. „Das kommt zwei Jahre nach der Tat sehr spät“, entgegnet d… | |
Beamte. Er habe das Gefühl, das Angebot komme jetzt, wo es schlecht für M. | |
laufe. | |
## Polizist berichtet von uneinsichtigem Kollegen | |
Bei der Staatsanwältin sorgt das Vorgehen des Verteidigers immer wieder für | |
Unmut, sie wirft ihm vor, „Rauchbomben“ zu werfen. Die Richterin nennt | |
seine Vorhalte gegen die Ermittler*innen „teilweise problematisch“. | |
Ein weiterer Polizist, der die Szene beobachtete und beim Leiter der Gesa | |
gemeldet hatte, sagt aus, dass M. sich vor Ort wenig einsichtig gezeigt | |
habe. Selbst als der Gesa-Leiter ihm gesagt habe, dass der Hamburger | |
Polizist das Spray rechtmäßig trug, sei M. sein eigenes Verhalten nicht | |
unangenehm gewesen. | |
Bisher sind zwei weitere Prozesstage angesetzt, weitere Zeugen sollen noch | |
aussagen. Auch der bisher unbekannte Vorgesetzte des Angeklagten soll | |
vorgeladen werden. | |
1 Nov 2019 | |
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## AUTOREN | |
Marthe Ruddat | |
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