Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Aufbau einer Einrichtung: Forschungsdaten werden recycelt
> Die Forschung entdeckt Nachhaltigkeit für sich: Wissenschaftliche Daten
> sollen künftig nach Ende eines Projektes nicht mehr verschwinden.
Bild: Forschungsdaten, auch aus der genetischen Pflanzenzüchtung, sollen zentr…
Ein neuer Nachhaltigkeitstrend verbreitet sich in der deutschen
Wissenschaft: das Recycling von Forschungsdaten. Für ihre Wiederverwendung
wird gerade eine neue vernetze Einrichtung aufgebaut: Die Nationale
Forschungsdateninfrastruktur (NFDI), die aus rund 30 Konsortien aus
Hochschulen, Forschungsinstituten und Rechenzentren besteht. Ihre Mission:
Aus Forschungsrohdaten, die bereits einmal für wissenschaftliche
Experimente erhoben worden waren, mit fortgeschrittenen
Computertechnologien neue Fragestellungen und Erkenntnisse zu gewinnen.
Direktor der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur ist seit März York
Sure-Vetter, Informatikprofessor am Karlsruher Institut für Technologie
(KIT). „Es gibt Zehntausende von Studien, die in dieser Hinsicht eine
Auswertung lohnen“, sagt Sure-Vetter, der auf ausgewiesene
Forschungserfahrungen in den Bereichen künstliche Intelligenz (KI) und
Data Science zurückgreifen kann.
Denn KI und Hochleistungsrechenzentren sind heute die Mittel der Wahl, um
frische Daten zu bündeln, aber auch den teilweise schon bejahrten
Forschungsdaten neues Leben einzuhauchen. Das Problem: nahezu alle
öffentlich geförderten Forschungsprojekte – egal ob in den Sozial-, Natur-
oder Ingenieurwissenschaften –, für die per Fragebogen oder mittels
Sensoren Daten erhoben werden, kümmern sich nach Abschluss des
Projektberichts nicht mehr um diese „Rohdaten“.
Sie werden in den Instituten nach dem Weggang des Doktoranden oder der
Emeritierung des Professors schlichtweg vergessen oder schlimmstenfalls
gelöscht. Um dieser Datenverschwendung Einhalt zu gebieten, wurde von den
Wissenschaftsministerien des Bundes und der Länder die NFDI als neue
Serviceeinrichtung auf den Schild gehoben.
Mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) wurden an die
30 Themenfelder definiert, zu denen künftig Forschungsdaten zentral
gesammelt werden. Derzeit werden Konsortien gebildet, die im Wettbewerb um
die jährlich 90 Millionen Euro Anschubfinanzierung konkurrieren. Ende Juni
wurden die ersten neun NFDI-Konsortien durch die Gemeinsame
Wissenschaftskommission (GWK) von Bund und Ländern ausgewählt.
So fungiert das Konsortium „NFDI4Health“ künftig als Nationale
Forschungsdateninfrastruktur für personenbezogene Gesundheitsdaten.
Weitere Daten-Hubs wurden für die Sozial-, Bildungs-, Verhaltens- und
Wirtschaftswissenschaften, zu materiellen und immateriellen Kulturgütern,
für die Pflanzen-Grundlagenforschung, die chemische Katalyse, die
Ingenieurwissenschaft sowie für Biodiversität, Ökologie und Umweltdaten
benannt.
Vier der neun bewilligten Anträge kommen aus den Lebenswissenschaften. An
den Konsortien sind die Hochschulen mit 45 Prozent am stärksten vertreten;
Helmholtz-Gemeinschaft, Leibniz-Gemeinschaft und die Akademien der
Wissenschaften partizipieren an jeweils 11 Prozent der Verbünde.
Die meisten NFDI-Zentren wurden an wissenschaftliche Träger in
Baden-Württemberg vergeben (3), Nordrhein-Westfalen ist mit zwei Konsortien
dabei. Jeweils eine Förderung erhalten Bremen, Hessen, Rheinland-Pfalz und
Thüringen, dem einzigen ostdeutschen Bundesland in der Auswahl.
## Standardisierte Vorgehensweise
Die GWK folgte mit ihrer Entscheidung den Vorschlägen der Deutschen
Forschungsgemeinschaft (DFG), die eine Auswahl aus insgesamt 22 Bewerbungen
auf die NFDI-Ausschreibung getroffen hatte. Zu den ersten Aufgaben der
Konsortien zählt nach den Worten des stellvertretenden GWK-Vorsitzenden und
Minister für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur des Landes
Rheinland-Pfalz, Konrad Wolf, „die Entwicklung von disziplinübergreifenden
Metadatenstandards oder die Etablierung von Prozessen zum standardisierten
Umgang mit Forschungsdaten“.
Die NFDI stelle eine Innovation dar, die „eine Breitenwirkung im gesamten
Wissenschaftssystem entfalten“ werde, so Wolf. Zu den Konsortien zählt
DataPLANT unter der Leitung der Universität Freiburg, das in den kommenden
fünf Jahren insgesamt circa elf Millionen Euro von der DFG erhält.
Partnerinstitutionen sind die Universität Tübingen, das Forschungszentrum
Jülich und die Technische Universität Kaiserslautern. Aufgabe ist es, neben
der Sammlung großer Datenmengen aus der modernen Pflanzenforschung auch
Methoden zu entwickeln, wie sich die digitale Flora für unterschiedliche
Nutzungsbereiche mittels KI auswerten lassen – ob zur Ertragssteigerung von
Getreide oder zur Klimaresistenz.
„Im Fehlen einer nationalen Infrastruktur sehen wir bislang ein
wesentliches Hindernis auf dem Weg, das volle Potenzial der
Pflanzenforschung in Europa ausschöpfen zu können“, erklärte Ralf Reski,
Professor für Pflanzenbiotechnologie an der Universität Freiburg, nach der
erfolgreichen Ernennung des DataPLANT-Verbundes.
In Bremen fördert die DFG bereits seit 2013 das Projekt GFBio (German
Federation for Biological Data), das Datenzentren für Nukleotid- und
Umweltdaten umfasst sowie die sieben etablierten Datenzentren der größten
naturwissenschaftlichen Forschungseinrichtungen Deutschlands. Hinzu kommt
die weltweit vielfältigste mikrobiologische Ressourcensammlung. Auf diesen
Erfahrungen baut das Konsortium NFDI4BioDiversity auf.
## Kuturwissenschaftlicher Schwerpunkt
Das Netzwerk soll nun um das Netz der Botanischen Gärten und die größten
Sammlungen von Nutzpflanzen und deren wilden Verwandten erweitert werden.
NFDI4BioDiversity wird ab Herbst 2020 mit bis zu 25 Millionen Euro für
zunächst fünf Jahre gefördert. Beteiligt sind 49 universitäre und
außeruniversitäre Partnereinrichtungen in ganz Deutschland.
Einen kulturwissenschaftlichen Schwerpunkt hat das Konsortium NFDI4Culture,
an dem die Abteilung für Digitale Musikwissenschaft der Uni Paderborn
beteiligt ist. Ziel der Forscher ist es, geisteswissenschaftliche
Forschungsfragen durch digitale Methoden zu beantworten. Dazu gehört
insbesondere die digitale Verarbeitung von Texten, Notenmaterial,
Abbildungen, Audio- und Videoaufnahmen sowie weiteren Quellen. Das
Konsortium sammelt sowohl 2D-Digitalisate von Gemälden, Fotografien und
Zeichnungen als auch digitale 3D-Modelle kulturhistorisch bedeutender
Gebäude, Denkmäler oder audiovisuelle Daten von Musik-, Film- und
Bühnenaufführungen. „Für uns ist es von zentraler Bedeutung, die
kontinuierliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe und den regelmäßigen Transfer
innovativer Forschungsergebnisse in die Fächer, wie auch in die
Kulturpolitik, die Kulturwirtschaft und die interessierte Zivilgesellschaft
voranzutreiben“, betonen die Verantwortlichen.
Das Konsortium NFDI4Chem unter der Leitung der
Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) will die Digitalisierung aller
Bereiche der chemischen Forschung vorantreiben. „Wir werden am
frühestmöglichen Zeitpunkt im Forschungsprozess, nämlich bei der Planung
von Experimenten und ihrer Durchführung im Labor ansetzen und die Daten in
elektronischer und wiederverwendbarer Form erfassen“, sagt der Jenaer
Chemieinformatiker Professor Christoph Steinbeck als Sprecher der Gruppe
mit 27 universitären und außeruniversitären Partnern.
„Von dort fließen die Daten noch vor ihrer Verwertung in lokale, nationale
und internationale Repositorien, um ihre Wiederverwendbarkeit zu fördern
und die Validierung der Forschung zu ermöglichen.“ Und er erwartet, dass
dies auch den Publikationsprozess in der Wissenschaft verbessern werde.
9 Aug 2020
## AUTOREN
Manfred Ronzheimer
## TAGS
Daten
Sammlung
Forschung
Forschungspolitik
Schwerpunkt Coronavirus
TikTok
Forschung
## ARTIKEL ZUM THEMA
Zweitnutzung von Forschungsdaten: Das Netz der Datenfischer
Mühsam ermittelte Daten werden oftmals nur von einem Forscherteam genutzt.
Mit dem Ausbau von Netzwerken für Forschungsdaten soll sich das ändern.
Datensicherheit versus Pandemieschutz: Kuchenmathematik
Die Bundesregierung findet es okay, wenn die Polizei sich
Corona-Gästelisten aus Restaurants anschaut. Diese Haltung setzt Vertrauen
aufs Spiel.
Chinesischer Video-App droht Verbot in USA: Trump macht Hektik wegen TikTok
Weil TikTok Nutzer*innendaten an China weitergeben könnte, will der
US-Präsident die Plattform sperren. Und dann? Wird sie vielleicht an
Microsoft verkauft.
Verteilung der Forschung: Streben in Städte
Forschungseinrichtungen drängen in die Ballungszentren. Vor allem die
öffentlichen Wissenschaftsprojekte meiden das Land.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.