# taz.de -- Verteilung der Forschung: Streben in Städte | |
> Forschungseinrichtungen drängen in die Ballungszentren. Vor allem die | |
> öffentlichen Wissenschaftsprojekte meiden das Land. | |
Bild: Innenstadt von Jena | |
BERLIN taz | Es läuft noch nicht rund mit den [1][forschungsbasierten | |
Innovationen in Ostdeutschland.] Das zeigt [2][eine neue Studie aus dem | |
Leibniz-Institut für Länderkunde in Leipzig,] die in dieser Woche erschien. | |
Untersucht wurde der Einsatz von Forschungsmitteln zur Stimulierung von | |
Innovationen in Unternehmen und die Auswirkung auf die ländlichen Räume und | |
deren Bevölkerungsentwicklung. Danach hat sich die [3][Abwanderung aus den | |
„abgehängten“ Landstrichen] weiter fortgesetzt, um rund 15 Prozent seit | |
2000, nachdem es seit der Wende 1989 bereits einen massiven Braindrain von | |
Leistungsträgern gegeben hatte. | |
Die Raumforscher der Leibniz-Gemeinschaft teilten für ihre Untersuchung die | |
Bundesrepublik in zwei Raum-Typen: die Ballungsräume mit städtischer | |
Verdichtung („Agglomerationsräume“), in denen inzwischen 77 Prozent aller | |
Deutschen leben und arbeiten, und die dörflich-ländlichen Landesteile | |
(„agglomerationsferne Räume“) mit 23 Prozent der Bevölkerung. Die | |
Ballungszentren wachsen weiter, und auch in den westlichen Bundesländern | |
ziehen die Menschen aus den ländlichen Regionen weg, aber nur um 3,6 | |
Prozent seit 2000. | |
In einer großen Datenanalyse wollten die Leipziger Forscher herausfinden, | |
welche Rolle Innovation und Wirtschaftswachstum dabei spielen. Ausgewertet | |
wurden das Betriebspanel des Instituts für Arbeitsmarkt- und | |
Berufsforschung (IAB) mit 16.000 Betrieben, die Förderdatenbank Zentrales | |
Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) des Bundeswirtschaftsministeriums mit | |
einem Jahresbudget von 550 Millionen Euro, die Förderdatenbank des Bundes | |
mit 110.000 Projekten und die Projektdatenbank der Fraunhofer-Gesellschaft | |
mit 67.000 Kooperationsprojekten zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. | |
Ein überraschender Befund war, dass vor allem öffentliche | |
Forschungsinstitute in Ballungsräume streben und die ländlichen Räume bei | |
ihren Kooperationsangeboten an die Wirtschaft eher meiden. So wurden von | |
den Forschungsprojekten der Fraunhofer-Gesellschaft in den Jahren 2000 bis | |
2015 mit 3.486 Projekten die meisten in München abgewickelt (dem Sitz der | |
Zentralverwaltung), gefolgt von Berlin mit 3.200 und Stuttgart mit 2.036. | |
Führender Oststandort für Fraunhofer ist Dresden mit 1.149 Projekten. Auch | |
bei den 80.000 ZIM-Projekten des Wirtschaftsministeriums wurden 90 Prozent | |
in den Ballungsräumen und 10 Prozent in den ländlichen Regionen umgesetzt. | |
Die eigentliche Innovationsstärke einer Region erschließt sich aber erst, | |
wenn die Projekt- mit der Bevölkerungszahl ins Verhältnis gesetzt wird. | |
„Die höchsten Intensitäten finden sich in Wolfsburg, Jena und | |
Aschaffenburg“, lautet das Ranking der deutschen Innovationshotspots. Es | |
folgen die Standorte Darmstadt, Stuttgart und Leverkusen. „Neben Jena sind | |
in den Agglomerationsräumen Ostdeutschlands Dresden, Chemnitz, Zwickau, | |
Erfurt und Magdeburg bedeutende Standorte“, stellt die Studie fest. | |
Auch in der Förderdatenbank des Bundes gibt es „innovative Ausreißer“: | |
Überdurchschnittlich viele FuE-Projekte wurden im Ilm-Kreis (Thüringen) und | |
den Landkreisen Vorpommern-Greifswald, Nordwest-Mecklenburg und Rostock | |
sowie dem Werra-Meißner-Kreis in Hessen gefördert. Ein bundesweites Problem | |
ist zudem der Rückgang von Unternehmensgründungen, um 20 Prozent seit 2008, | |
in Ostdeutschland sogar um 30 Prozent. | |
Um die peripheren Regionen innovativer zu machen, wird unter anderem die | |
Unterstützung durch „neue Kommunikationstechnologien bzw. einer effektiven | |
Kommunikationsinfrastruktur“ vorgeschlagen, mit der Kooperationen zwischen | |
Wissenschaft und Wirtschaft „effektiv über Distanzen hinweg organisiert und | |
realisiert werden können“. Noch wichtiger sei aber „der Um- und Ausbau | |
geeigneter Bildungs- und Ausbildungsinstitutionen“, um die Fachkompetenz | |
der Mitarbeiter für die innovativen Unternehmen „zu bewahren und zu | |
steigern“. Bessere Bildung, so das Fazit der Leipziger Raumforscher, wird | |
der Schlüssel sein, um der Landflucht Einhalt zu gebieten. | |
31 Jul 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Strukturwandel-in-den-Kohleregionen/!5594046 | |
[2] https://leibniz-ifl.de/presse/details/wissenstransfer-und-innovation-in-deu… | |
[3] /Zahlen-des-ifo-Instituts/!5599931 | |
## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
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