| # taz.de -- Aufarbeitung des Falls Oury Jalloh: Den Korpsgeist vernachlässigt | |
| > Dem Landtag von Sachsen-Anhalt haben Berater einen Bericht vorgelegt. Der | |
| > listet Lügen und Rechtsbrüche auf, doch die entscheidende Frage | |
| > beantwortet er nicht. | |
| Bild: Oury Jalloh hätte gar nicht in Gewahrsam genommen werden müssen – sei… | |
| BERLIN taz | Es gäbe vieles, sehr vieles, was sich einem Dokument | |
| voranstellen ließe, in dem es um den qualvollen Tod eines Menschen in den | |
| Händen der Polizei geht. Die beiden Juristen [1][Jerzy Montag] und Manfred | |
| Nötzel, die im Auftrag des Landtags von Sachsen-Anhalt die Ermittlungen zum | |
| Tod des Sierra Leoners Oury Jalloh untersuchten, entschieden sich, in ihrer | |
| „Vorbemerkung“ folgendes zu schreiben: | |
| „Er war kein besonders gesetzestreuer Mensch und hatte bereits mehrfach | |
| gegen Strafgesetze verstoßen. Er konsumierte und handelte mit illegalen | |
| Drogen und war bereits mehrfach im polizeilichen Gewahrsam und in | |
| Untersuchungshaft eingesessen. Immer wieder, auch an seinem Todestag, war | |
| Ouri Jallow erheblich alkoholisiert.“ | |
| Es erscheint den beiden Juristen also am allerwichtigsten, daran zu | |
| erinnern, dass Jalloh, [2][der am 7. Januar 2005 an Händen und Füßen | |
| gefesselt in einer Zelle des Dessauer Polizeireviers verbrannte], ein | |
| Gesetzesbrecher war. | |
| Acht Monate hatten Montag, lange Bundestagsabgeordneter der Grünen und | |
| Nötzel, einst Generalstaatsanwalt von München, sich mit dem Fall befasst. | |
| Ihren 303 Seiten dicken Bericht stellten sie am Freitag dem Rechtsausschuss | |
| des Landtags von Sachsen-Anhalt vor. | |
| Die wichtigsten Feststellungen lauten: 1. Die Polizei hat im Umgang mit | |
| Jalloh vielfach Rechtsbrüche begangen. 2. Die Justiz hat keine Fehler | |
| gemacht. 3. Ein Staatsanwalt und die Justizministerin haben das Parlament | |
| in dem Fall belogen. | |
| Die Justiz war in dem Fall lange von einem Suizid ausgegangen. 2017 nahm | |
| die Staatsanwaltschaft Dessau jedoch Mordermittlungen auf, nachdem eine | |
| Sachverständige Hinweise darauf gefunden hatte, dass Jalloh in dem | |
| Polizeirevier angezündet worden sein muss. | |
| Die Linke im Landtag von Sachsen-Anhalt hatte daraufhin einen förmlichen, | |
| [3][öffentlich tagenden Untersuchungsausschuss in dem Fall beantragt] – und | |
| zwar während das Mordermittlungsverfahren noch lief. Doch das hatte die | |
| regierende Kenia-Koalition abgelehnt und stattdessen Montag und Nötzel als | |
| „Berater“ eingesetzt. Sie sollten den Rechtsausschuss des Landtags im | |
| Jalloh-Fall „unterstützen“. | |
| Zur entscheidenden Frage, ob Jalloh sich selbst angezündet hat oder | |
| verbrannt wurde, bietet der Bericht von Montag und Nötzel, welcher der taz | |
| vorliegt, nichts Neues. Die Vielzahl von Indizien, die auf Mord hindeuten, | |
| widerlegen die beiden Autoren selbst nicht, meist bewerten sie sie nicht | |
| einmal. Vieles sei zu lange her, heute nicht mehr zu klären, nicht | |
| eindeutig bewiesen, könne von den Ermittlungsbehörden so oder so ausgelegt | |
| werden. | |
| ## Ingewahrsamnahme wäre gar nicht nötig gewesen | |
| Was den Umgang mit Jalloh vor den Brand angeht, sind die beiden Juristen | |
| entschiedener. „Das gesamte Handeln der Polizei am 7. Januar 2005 sei | |
| fehlerbehaftet und rechtswidrig gewesen“, sagte Montag am Freitag in | |
| Magdeburg. „Wären diese Fehler unterblieben, dann wäre Oury Jalloh mit | |
| allergrößter Wahrscheinlichkeit noch am Leben.“ | |
| Die beiden listen die Rechtsverstöße detailliert auf: Einer der Dessauer | |
| Polizisten hätte schon am Tag des Todes „völlig unglaubhafte“ Angaben zu | |
| angeblichen Problemen bei der Personalienfeststellung Jallohs gemacht, | |
| heißt es in ihrem Bericht. „Objektiv gab es (…) keine Unklarheiten über d… | |
| Identität von Ouri Jallow.“ Die Beamten hätten „Zwangsmaßnahmen“ – s… | |
| körperliche Gewalt – gegen Jalloh eingesetzt, ohne ihm dies vorher | |
| anzudrohen. Sie haben ihm Blut abnehmen lassen, ohne dass ein Richter dies | |
| entschieden hätte – ebenfalls rechtswidrig. Sie haben ihn ohne richterliche | |
| Entscheidung in Gewahrsam genommen – rechtswidrig. Sie haben ihn auf dem | |
| Rücken auf einer Liege fixiert – „ein rechtswidriger und ein unzulässiger | |
| Grundrechtseingriff“. Und sie haben Jalloh nicht „fortdauernd beobachtet“… | |
| rechtswidrig. | |
| Insgesamt sei die Ingewahrsamnahme – während der Jalloh verbrannte – gar | |
| nicht nötig gewesen, weil die Beamten seine Adresse ganz leicht hätten | |
| feststellen können, so die beiden Juristen. | |
| Wolle man nicht davon ausgehen, dass die Unklarheiten bei den Personalien | |
| nur vorgeschoben seien, um Jalloh „widerrechtlich in Gewahrsam zu halten, | |
| sind jedenfalls erhebliche Fehler in der Dienstausübung (…) als ursächlich | |
| für die Freiheitsentziehung erkennbar,“ schreiben sie. | |
| ## Großes Rätsel Feuerzeug | |
| Weit weniger Klarheit bietet ihr Bericht was die juristische Aufarbeitung | |
| des Todes angeht. | |
| Eines der großen Rätsel dabei ist das Feuerzeug, dass Jalloh laut der | |
| Justiz benutzt haben soll, um sich selber anzuzünden. Es wurde erst mehrere | |
| Tage nach dem Brand in der Zelle gefunden. An seinen verschmorten Resten | |
| wurden „ausschließlich tatortfremde Fasern“ festgestellt, dazu DNA-Spuren, | |
| „die mit Sicherheit nicht von Oury Jalloh sind, sondern von einem Europäer“ | |
| stammen – darauf hatte die Nebenklage, die Familie des Toten, immer wieder | |
| hingewiesen – und daraus geschlossen, es sei ein fingiertes Beweisstück. | |
| Dazu hatte die Staatsanwaltschaft später gesagt, es sei richtig, dass die | |
| Sachverständige „keine Übereinstimmungen“ zwischen den am Feuerzeug | |
| vorhandenen Fasern und den Textilresten aus der Gewahrsamszelle gefunden | |
| habe. Ein Beweis dafür, dass das Feuerzeug nachträglich als Beweisstück in | |
| die Zelle geschmuggelt wurde, sah sie darin aber nicht. Fasern und | |
| DNA-Spuren könnten etwa auch von Gutachtern oder Polizisten stammen, die | |
| die Feuerzeugreste später in Händen hielten. Nötzel und Montag halten diese | |
| Bewertung durch die Staatsanwälte für „zumindest vertretbar“, schreiben s… | |
| nun. | |
| ## Entzug der Ermittlungen – kein Problem | |
| Am 4. April 2017, nach 12 Jahren, gibt der Leitende Dessauer | |
| Oberstaatsanwalt Folker Bittmann die Selbstentzündungshypothese auf. Er | |
| schreibt in einem Vermerk, er gehe nun davon aus, dass Jalloh bereits vor | |
| Ausbruch des Feuers „mindestens handlungsunfähig oder sogar schon tot“ war. | |
| Vermutlich sei er mit Brandbeschleuniger besprüht und angezündet worden. | |
| Dies legten mehrere Gutachter nahe, die Bittmann konsultiert hatte. Das | |
| Motiv könnte nach Auffassung Bittmanns gewesen sein, dass dem Asylbewerber | |
| zuvor zugefügte Verletzungen vertuscht werden sollten. Bittmann benennt | |
| zwei konkrete Verdächtige aus den Reihen der Dessauer Polizei. | |
| Kurz darauf wird ihm der Fall entzogen und an die Staatsanwaltschaft Halle | |
| abgegeben. Dies sei „in der medialen Berichterstattung sehr kritisch | |
| thematisiert worden“, so Montag und Nötzel und werde „bis heute als | |
| Eingriff dargestellt, der eine verfolgungseifrige Staatsanwaltschaft | |
| (Dessau-Roßlau) und deren Leiter ausgebootet habe und an eine andere | |
| Staatsanwaltschaft (Halle) übertragen worden sei, die das | |
| Ermittlungsverfahren ohne weiteres umstandslos eingestellt habe. Dahinter | |
| könne nur die Absicht stehen, das Verfahren unter allen Umständen zu | |
| beenden und so sei es ja dann auch gekommen.“ | |
| Doch diese Lesart sei „sachlich und rechtlich unzutreffend und damit | |
| falsch“, so die beiden Berater. Zum einen habe Bittmann selber in Halle um | |
| Unterstützung gebeten. Zum anderen sei es richtig, die Ermittlungen nicht | |
| in Dessau laufen zu lassen, wo die Staatsanwaltschaft gegen die Polizei der | |
| eigenen Stadt hätte ermitteln müssen. „Mindestens vertretbar und darüber | |
| hinaus als durchaus sachgerecht zu bewerten“, urteilen Nötzel und Montag. | |
| In Halle aber wurde die Akte schon bald zugeklappt. Die dortige | |
| Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen nach wenigen Monaten ein. | |
| Bittmann habe die Ergebnisse der Gutachter eben anders interpretiert als | |
| sie, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Halle damals der taz. | |
| Auch daran haben Nötzel und Montag nichts auszusetzen. Der zuständige | |
| Hallenser Staatsanwalt Weber habe bei seiner Bewertung „sehr stark das | |
| Magdeburger Urteil“ herangezogen. Dabei handelt es sich um das zweite | |
| Verfahren gegen zwei Polizisten des Reviers. In dem 2013 beendeten Prozess | |
| hatten Sachverständige ausgesagt, dass Jalloh den Brand selbst entzündet | |
| habe. Das sei „außerordentlich bedeutend und darf keinesfalls übersehen | |
| werden“, schreiben Nötzel und Montag. Weber habe „nachvollziehbar und | |
| völlig richtig die Lage bewertet.“ | |
| ## Die Frage nach dem Motiv des Brandes | |
| Vor allem während des ersten Gerichtsverfahrens in Dessau ab 2007 hatten | |
| Polizisten offensichtlich gelogen, darauf hatte vor allem der damalige | |
| Richter Manfred Steinhoff hingewiesen. Die Polizisten später, [4][im Lichte | |
| der neuen Gutachten], erneut zu der Sache vernehmen, halten Montag und | |
| Nötzel für sinnlos: „Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, die den Schluss | |
| zulassen, dass neuerliche Vernehmungen zu neuen Erkenntnissen führen | |
| würden.“ | |
| Zu den vielfach kritisierten Mängeln bei der Spurensicherung schreiben die | |
| beiden, es lasse sich „heute nicht mehr aufklären, ob mangelhafte | |
| Tatortarbeit die Aufklärung des Falls tatsächlich verhindert hat.“ Ebenso | |
| sei unklar, ob „bessere Ermittlungsmethoden zu weitergehenden Erkenntnissen | |
| geführt hätten.“ | |
| Lange stand die Frage im Raum, warum Polizisten überhaupt einen Brand in | |
| der Zelle hätten legen sollen. 2018 legte die Initiative Gedenken an Oury | |
| Jalloh ein medizinisches Gutachten vor, dass belegte, dass Jalloh kurz vor | |
| seinem Tod schwer am Schädel verletzt wurde. „Diese Verletzungen könnten | |
| theoretisch ein Motiv gewesen sein, ihn nachträglich zu ermorden“, | |
| schreiben dazu Montag und Nötzel. | |
| Selbst wenn man mit dem Gutachten davon ausgehe, dass Jallow sich diese | |
| Verletzungen nicht selbst beigebracht haben kann, also in Polizeigewahrsam | |
| so heftig geschlagen wurde, dass ihm solche Verletzungen beigebracht worden | |
| sind, „wäre diese gefährliche Körperverletzung etc. verjährt.“ Es gebe | |
| „heute keine Möglichkeiten, diese Verletzungen einzelnen Polizeibeamten | |
| zuzuordnen und damit auch nicht, einzelnen Beamten gegenüber den Vorwurf | |
| eines Verdeckungsmordes zu erheben.“ | |
| Das heiße allerdings nicht, dass ein neues Verfahren ausgeschlossen sei. | |
| Mord verjähre nicht, insofern sei es auch zukünftig möglich, Ermittlungen | |
| gegen konkret zu benennende Beschuldigte aufzunehmen. „Praktisch ist dies | |
| nach Überzeugung von Montag und Nötzel aber nur noch im Falle eines | |
| glaubwürdigen Geständnisses oder einer neuen glaubwürdigen Aussage eines | |
| Zeugen eines möglichen Mordes an Ouri Jallow möglich.“ | |
| ## Täterversionen übernommen | |
| Insgesamt bleibt der Bericht von Montag und Nötzel uneindeutig, ihr Befund | |
| höchst unbefriedigend. Dass alle Strafverfahren eingestellt wurden, sei | |
| „nicht notwendigerweise auf Ermittlungsfehler oder einen Unwillen zur | |
| Verfolgung eines Verbrechens zurückzuführen“. Nach Auswertung der Akten | |
| sehen die „keine offenen Ermittlungsansätze. Soweit Ermittlungen nicht oder | |
| nicht sorgfältig genug durchgeführt wurden, lassen sich die Versäumnisse | |
| heute nicht mehr nachholen.“ | |
| „Dass man bei der juristischen Prüfung der Akte zum Schluss kommt, eine | |
| Einstellung ist okay, ist nicht so überraschend,“ sagt die | |
| Linken-Abgeordnete Henriette Quade. Schließlich seien die Akten von denen | |
| angelegt worden, die das Verfahren beendet hätten. | |
| Montag und Nötzel „übernehmen die Täterversionen und vernachlässigen den | |
| Korpsgeist“ in der Polizei, schreibt die Initiative Gedenken an Oury | |
| Jalloh. „Entgegen der vorliegenden Beweislage wollen auch sie keine | |
| weiteren Ermittlungsansätze erkennen können.“ Klar erkennbare Widersprüche | |
| blieben unberücksichtigt – etwa das Gutachten zu den Schädelverletzungen. | |
| Jalloh habe kein Feuerzeug gehabt und könne das Feuer nicht selbst gelegt | |
| haben, die Rekonstruktion des Brandbildes sei erwiesenermaßen nicht ohne | |
| die Verwendung von Brandbeschleunigern zu erreichen. | |
| Klarer sind Montag und Nötzel, was Lügen im Parlament angeht. Das von ihnen | |
| beklagte Fehlverhalten bezieht sich vor allem auf den Herbst 2017 – kurz | |
| nachdem öffentlich bekannt geworden war, dass Bittmann von Mord ausging und | |
| zwei konkrete Polizisten verdächtigte. Im Rechtsausschuss hatte der | |
| damalige Naumburger Generalstaatsanwalt Konrad jedoch auf Nachfrage gesagt, | |
| es habe keine Beschuldigten gegeben. Das sei „unzutreffend und somit | |
| objektiv falsch“ gewesen, so Nötzel und Montag. Auch Konrads Behauptung, es | |
| gebe gegen die beiden Polizisten „keinen näheren Tatverdacht als gegen | |
| jeden anderen auch“, nennen sie „unzutreffend und somit objektiv falsch“, | |
| ebenso wie mindestens zwei weitere Aussagen Konrads im Parlament. | |
| Auch die Justizministerin Ministerin Keding habe im September 2017 den | |
| Landtag „bewusst unvollständig und damit nicht wahrheitsgemäß informiert�… | |
| so Montag und Nötzel. „Hierdurch wurde den Abgeordneten ein falsches Bild | |
| über den Stand der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zum Zeitpunkt der | |
| Information des Landtags vermittelt.“ | |
| „Der Generalstaatsanwalt hat im Ausschuss mehrfach gelogen, die Ministerin | |
| hat wissentlich Unwahrheit gesagt, mehrfach. Die Justizministerin Keding | |
| muss zurücktreten,“ sagt die Linken-Abgeordnete Henriette Quade. | |
| ## Keineswegs ein Schlussstrich | |
| Ist der Bericht der beiden nun der Schlussstrich unter der Aufarbeitung des | |
| Falls? Keineswegs. | |
| Denn nun soll es doch einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss geben. | |
| Den hatte die Linke im Landtag schon 2018 beantragt. Nötig war dafür das | |
| Votum eines Viertels der 87 Abgeordneten – also 22. Die Linken haben | |
| derzeit 16 Abgeordnete, wenigstens die 5 Grünen und einer der elf SPDler | |
| hätten zustimmen müssen. Doch beide sind Teil der Regierungskoalition – und | |
| hatten sich dagegen entschieden, wohl aus Rücksicht auf den | |
| Koalitionspartner CDU, der strikt gegen einen solchen Ausschuss war. | |
| Ein Ausschuss hätte der Reihe nach alle Zeugen vorladen und somit die | |
| Widersprüche der zurückliegenden Gerichtsverfahren für die Öffentlichkeit | |
| noch einmal nachvollziehbar machen können. Die Naumburger | |
| Staatsanwaltschaft hätte während der laufenden Arbeit eines solchen | |
| Ausschusses das Verfahren kaum einstellen können. | |
| Die Kenia-Koalition aber setzte Montag und Nötzel als Berater ein. Die | |
| bekamen ausdrücklich auch das Recht, mit allen Beteiligten vertrauliche | |
| Gespräche zu führen. Sie wollten mit sieben JustizbeamtInnen sprechen, | |
| darunter wohl mindestens drei StaatsanwältInnen. [5][Im Juli 2020 aber | |
| lehnte das Justizministerium in Magdeburg die unbeaufsichtigte, | |
| vertrauliche Befragung der StaatsanwältInnen durch Montag und Nötzel als | |
| „verfassungswidrig“ ab]. Zulässig sei sie nur innerhalb von Sitzungen des | |
| Rechtsausschusses. | |
| Der SPD-Fraktionssprecher Martin Krems-Möbbeck nannte dies damals „äußerst | |
| irritierend“. Das Fragerecht für Montag und Nötzel sei der „klare | |
| politische Wille“ des Landtags. Die Arbeit der beiden mache „gar keinen | |
| Sinn“ wenn sie nicht die Möglichkeit haben, diese Gespräche zu führen. | |
| „Wir waren geschockt, als wir gehört haben, dass sich die | |
| Justizbediensteten nicht äußern werden“, sagt Krems-Möbbeck jetzt. Das sei | |
| ein „erhebliches Manko“ und daran sei zu sehen, dass die Arbeit der Berater | |
| „nicht ausreicht“. Schon vor der Sommerpause hatte die SPD deshalb | |
| beschlossen, in der nächsten Legislaturperiode auf jeden Fall einem | |
| Untersuchungsausschuss zuzustimmen, egal welche Koalition sich dann | |
| gebildet hat. | |
| Für diese Legislaturperiode ist es dafür zu spät. In Sachsen-Anhalt wird im | |
| Juni 2021 gewählt, das Parlament tritt aber schon ab März kaum mehr | |
| zusammen. Der Ausschuss dürfte also in etwa einem Jahr seine Arbeit | |
| aufnehmen. Die Linken-Abgeordnete Henriette Quade setzt darauf, dass auch | |
| die Grünen einem solchen Ausschuss zustimmen. Der dürfe sich nicht auf die | |
| Weigerung der Justizbeamten beschränken. „Da müsste alles rein,“ sagt sie. | |
| Möglicherweise wird die Arbeit des Ausschusses doch noch ein | |
| Gerichtsverfahren flankieren. Denn Mamadou Saliou Diallo, der Bruder des | |
| Toten, hat einen Antrag auf Klageerzwingung eingereicht. Dieser [6][wurde | |
| zwar im Oktober 2019 vom OLG Naumburg als unzulässig und unbegründet | |
| zurückgewiesen]. Diallo hat dagegen aber Verfassungsbeschwerde zum | |
| Bundesverfassungsgericht erhoben, über die noch nicht entschieden ist. | |
| 29 Aug 2020 | |
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