# taz.de -- Atomstrom in Belarus: Ein AKW zur Wahl | |
> In Astravets entsteht ein neues Atomkraftwerk. Das treibt vor allem die | |
> Menschen im Nachbarland Litauen zu Protesten auf die Straße. | |
Bild: Die erste Ladung von Brennelementen im neuen AKW wird vorbereitet | |
STOCKHOLM taz | Für Litauen ist es ein Sicherheitsrisiko, Lettland hofft | |
auf billigen Strom und der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko | |
glaubt, dass der Atomstrom aus dem AKW Astravyets dem Land beim „Durchbruch | |
in die Zukunft“ helfen wird: Hin zu einer „grünen Ökonomie“, mit billig… | |
Strom und E-Autos. | |
Seit 2012 hatte die staatliche russische „Rosatom“ am ersten belarussichen | |
AKW gebaut. Zwei Druckwasserreaktoren des Typs NPP-2006 mit einer Kapazität | |
von zusammen 2.400 MW sind jetzt mit einjähriger Verspätung fertig | |
geworden. Möglicherweise sollen im Laufe der 2020er Jahre zwei weitere | |
dazukommen. | |
Am Freitag fand die Einweihung des Kraftwerks statt. Der gewählte | |
Zeitpunkt, [1][zwei Tage vor den Parlamentswahlen am Sonntag], das ist | |
sicher kein Zufall. Zunächst soll nur mit der Ladung der Brennstäbe des | |
ersten Reaktors begonnen werden. Dafür hatten Energieministerium und | |
Strahlensicherheitsbehörde am Donnerstag grünes Licht gegeben. Die | |
eigentliche Aufnahme des Betriebs ist für Ende 2020 oder das erste | |
Vierteljahr 2021 vorgesehen. | |
Für Proteste hat der AKW-Neubau vor allem im Nachbarland Litauen gesorgt. | |
Astravyets liegt nur 25 km von der litauisch-belarussischen Grenze und 45 | |
km von der litauischen Hauptstadt Vilnius entfernt. In einem Radius von 100 | |
km um das Kraftwerk lebt fast ein Drittel der litauischen Bevölkerung – | |
aber vergleichsweise weniger als 5 Prozent der von Belarus. Litauen hat | |
Angst vor einem möglichen Störfall. | |
Für Sicherheitsmaßnahmen wie Jodtabletten hat man 125 Millionen Euro | |
eingeplant. Präsident Gitanas Nauseda sprach vor einigen Tagen von einem | |
„Monster“, das das Land bedrohe. Ende Juli bat er den EU-Ratspräsidenten | |
Charles Michel, um ein „Engagement auf höchster politischer Ebene und | |
sofortige Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit und des Wohlergehens der | |
EU-Bürger“. | |
## Hoffnung auf Brüssel | |
Was man in Vilnius gerne von Brüssel möchte, wäre ein Appell an die | |
EU-Länder den Atomstrom von Astravyets zu boykottieren, so wie es Litauen | |
bereits beschlossen hat. Dazu ist man aber beispielsweise in Lettland und | |
Estland nicht bereit. Lettland lehnt einen Boykott ab. Den Stromhandel mit | |
Belarus zu stoppen, würde Strompreissteigerungen von 15 Prozent bedeuten, | |
sagt Wirtschaftsminister Janis Vitenbergs: Das könne sich Lettland nicht | |
leisten. | |
Estland bekundet „derzeit“ keine Absicht für einen Stromimport aus Belarus | |
zu haben und wirft Litauen ein Doppelspiel vor. Das Land, das bis Ende 2009 | |
das AKW Ignalina betrieben hat, habe aus Eigeninteresse jahrzehntelang eine | |
bessere Anbindung des Baltikums an das mitteleuropäische Stromnetz | |
verhindert, kritisiert Energiestaatssekretär Timo Tatar. Jetzt spalte es | |
mit seiner Boykottforderung die Einheit der baltischen Staaten. Und auch | |
die lettische Zeitung Diena kommentierte Ende Juli: Statt nach der EU zu | |
rufen, solle sich Vilnius an die eigene Nase fassen. Man habe die jetzige | |
Situation selbst verschuldet. | |
Alexander Lukaschenko weist Bedenken gegen die Sicherheit des AKW | |
Astravyets zurück „Wir sind die eigentliche [2][Tschernobyl]-Republik.“ 19 | |
Milliarden Dollar habe die Katastrophe des ukrainischen Reaktors | |
Weissrussland gekostet: „Uns muss niemand etwas über die Bedeutung von | |
Nuklearsicherheit erzählen.“ | |
7 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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