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# taz.de -- Arbeitsmigration in Italien: Früchte der Ausbeutung
> Tunesische Arbeitskräfte zahlen Tausende Euro, um auf Sizilien unter
> elenden Bedingungen beschäftigt zu werden.
Bild: Unbekannte Arbeiter bei der Auberginenernte in einem Gewächshaus in der …
Ragusa taz | Erst als seine abgenutzten Sportschuhe einer nach dem anderen
den Sand berühren, kann Mounir langsam ausatmen. Der Blick des 49-jährigen
Tunesiers, eben noch unruhig, richtet sich auf das Meer, das jetzt vor ihm
liegt. Der starke Wind an diesem warmen Tag lässt die Wellen unter tosendem
Lärm brechen. Auf seiner Stirn stehen Schweißperlen. Um an diesen Ort zu
kommen, musste er durch ein Labyrinth aus Gewächshäusern laufen. Aber
selbst an diesem vermeintlich isolierten Strand ist er noch inmitten der
„Fascia trasformata“, eines der größten landwirtschaftlichen Anbaugebiete
Europas im Südosten [1][Siziliens]. Die Zone liegt in der Provinz Ragusa
und erstreckt sich über einen 80 Kilometer langen Küstenstreifen. Wo man
auch hinsieht: Hier prägen Gewächshäuser das Landschaftsbild. In einem
davon hat auch Mounir gearbeitet.
5.200 landwirtschaftliche Betriebe zählt die „Fascia trasformata“. Jedes
Jahr werden Zehntausende Tonnen Obst und Gemüse vom zentralen Großmarkt in
Vittoria aus nach ganz Europa geliefert. Eine so hohe Konzentration an
Gewächshäusern gibt es in Europa sonst nur noch im als „Plastikmeer“
bekannten Anbaugebiet in der Nähe von Almeria in Andalusien. Auf Sizilien
ist die intensive Landwirtschaft in den Gewächshäusern zentraler
Wirtschaftsmotor der Region. Bioanbau betreiben nur wenige. Das
verbreitete, pestizidbelastete Landwirtschaftsmodell ist umweltschädigend –
und auch sonst ziemlich schmutzig. Wer einen Blick hinter die Plastikplanen
erhaschen kann, merkt schnell: Es basiert auf der Ausbeutung Tausender
ausländischer Arbeitskräfte, die jährlich auf der Suche nach Arbeit in die
Region kommen – und dort oft entsetzlichen Arbeits- und Lebensbedingungen
ausgesetzt sind.
Grund für den hohen Bedarf an ausländischen Arbeitskräften ist auch eine
immer älter werdende Bevölkerung. Für die italienische Wirtschaft sind die
Arbeitsmigrant*innen unverzichtbar geworden. Selbst diejenigen in der
italienischen Regierung, die ausländerfeindliche Diskurse führen und
obsessiv um die Migrationsfrage kreisen, allen voran Ministerpräsidentin
Giorgia [2][Meloni und ihre Partei Fratelli d’Italia,] können diese
Tatsache nicht mehr leugnen. Für den Zeitraum 2023 bis 2025 will die
Regierung 500.000 ausländische Arbeiter ins Land holen.
Auf Sizilien sind vor allem die Sektoren Gastronomie, Fischfang,
Altenpflege und Landwirtschaft von Einwanderung abhängig. In der Provinz
Ragusa sind offiziell mehr als 28.000 Beschäftigte in der Landwirtschaft
registriert, die Hälfte davon sind Ausländer, die Mehrheit von ihnen sind
Tunesier. Hinzu kommen Tausende Schwarzarbeiter, die weder ein angemessenes
Gehalt noch irgendeine andere Form der Sicherheit haben.
Viele von ihnen leben in heruntergekommenen Baracken, Zelten oder Hütten
zwischen Gewächshäusern. Nicht einmal die Gewerkschaft CGIL, die sich für
die Rechte ausländischer Landarbeiter in der Provinz Ragusa engagiert, kann
ihre genaue Zahl benennen oder auch nur schätzen. Auf den Straßen in der
Zone bekommt man eine vage Idee davon, wie viele es wirklich sind.
Frühmorgens und am späten Nachmittag sieht man ganze Gruppen an Migranten
auf Fahrrädern und E-Tretrollern, die zur Arbeit oder nach Hause fahren und
zwischen mit Gemüse beladenen Lastwägen navigieren. Immer wieder kommt es
dabei zu tödlichen Unfällen.
Zuletzt starb im Februar 2024 ein senegalesischer Arbeiter, der mit einem
Fahrrad auf einer von Arbeitern viel benutzten Straße unterwegs war, als
ein Lastwagen ihn erfasste. In den lokalen Medien gibt es jährlich
Meldungen zu verunglückten Arbeitern.
Mounir ist mit einem Visum nach Sizilien gekommen. Seine Ankunft auf der
Mittelmeerinsel hatte er sich anders vorgestellt. Dann zitiert er die Worte
seines Vermittlers, der ihn hierher gebracht hat. Dieser versprach ihm:
„Mach dir keine Sorgen. Du bekommst alles, Unterkunft und Arbeit.“ Der
49-Jährige schaut auf seine Füße, schiebt gedankenverloren mit dem einen
ein bisschen Sand zur Seite. Dann blickt er wieder auf die Wellen vor ihm.
Weniger als 300 Kilometer Luftlinie trennen den Familienvater, der früher
am Strand seiner tunesischen Heimatstadt Tabarca als Badeaufsicht
arbeitete, von seiner Heimat. Heimat, das sind für ihn in erster Linie
seine Frau und sein sechsjähriger Sohn. Mit ihnen telefoniert er täglich.
Es ist das erste Mal in seinem Leben, dass er sie und Tunesien verlassen
hat. Jetzt fragt er sich, wofür. „Ich fühle mich, als wäre ich illegal“,
sagt er und seine dunklen Augen weiten sich. Zu dem Zeitpunkt unseres
Treffens lebt er mit zwei weiteren tunesischen Arbeitern auf zwölf
Quadratmetern zwischen Betonwänden. Umgeben von Gewächshäusern, ohne
fließendes Wasser und anfangs auch ohne Bett. Für die Dusche bleibt nur
„abgestandenes Wasser, das an mit Pestiziden besprühte Anbauflächen grenzt�…
und das, so Mounir, „einen Juckreiz am ganzen Körper auslöst“. Sein Chef
brachte ihn und andere ausländische Arbeiter, die zu zweit oder dritt in
ähnlich beengten Zimmern leben, in einer Absteige auf seinem Grundstück
unter.
Auch nach seiner Kündigung lebt Mounir hier. Eine Alternative hat er nicht.
„Meistens wohnen die Arbeiter in der Nähe der Gewächshäuser und müssen
ihrem Arbeitgeber Miete für ‚ein Haus‘ zahlen. Ein Haus, in dem die
Lebensbedingungen entsetzlich sind“, kritisiert Giuseppe Scifo, Leiter der
Gewerkschaft CGIL in der Provinz Ragusa. In vielen Unterkünften fehlen
Toiletten und Strom.
Mounirs Arbeitgeber holte ihn über einen Vermittler ins Land. Das war im
Oktober 2023. Dann ließ er ihn erst einmal warten – monatelang. Irgendwann
im Februar darf der Tunesier dann endlich arbeiten, er soll Unkraut jäten.
„Acht Stunden am Tag für 20 Euro“, sagt Mounir, dem noch heute der Rücken
schmerzt beim Gedanken an die Arbeit, die er in gebückter Haltung
ausführte. „Ich konnte nachts nicht schlafen, weil es so weh tat“, sagt er
und ergänzt ein paar Sekunden später: „Aber das ist jetzt Vergangenheit.“
Denn womit er damals nicht rechnet: An seinem vierten Arbeitstag ruft ihn
der Chef zu sich. „Such woanders“, sagt er nüchtern, ohne weitere
Erklärung. Dann fordert er den Tunesier auf, die Unterkunft zu verlassen.
Mounir steht unter Schock. Weil er nicht weiß wohin, bleibt er in seinem
zwölf Quadratmeter großen Versteck – und das wochenlang.
## Das Geschäft der Vermittler
„Ich gehe morgens um sechs Uhr raus, wenn alle schlafen. Zurück komme ich
nachts, damit der Chef und die anderen Angestellten mich nicht sehen“,
erzählt der Tunesier, der sich an diesem Tag in der Mittagspause seines
Chefs an den Strand davonschleichen musste, um kein Risiko einzugehen. Kaum
hat er die letzten Worte ausgesprochen, klingelt sein Telefon. Sein
Mitbewohner, ein langjähriger Freund, der zusammen mit Mounir aus Tunesien
nach Sizilien gekommen ist, macht sich Sorgen und fragt, wo er steckt. Die
zwei tauschen ein paar Worte aus. „Pass auf dich auf“, sagt der Freund am
Ende des Gesprächs nachdrücklich, wohl wissend, dass ihr Chef in der
gesamten „Fascia transformata“ für seine kriminellen Machenschaften bekannt
ist. Mehrere Arbeiter, der Gewerkschafter Scifo und der Besitzer eines
landwirtschaftlichen Betriebs berichten davon. Und nicht nur Mounirs Chef:
Seine beiden Söhne, auch Landwirte, wurden wegen zahlreicher Misshandlungen
ihrer Angestellten zu Gefängnisstrafen verurteilt.
Obwohl, oder gerade weil Mounir den legalen Weg gewählt hat, um nach Europa
zu kommen, ist er einem schmutzigen Geschäft zum Opfer gefallen. Aber er
ist am Leben. Für viele Menschen, die die Reise über das Mittelmeer
antreten, darunter auch immer mehr Tunesier, endet die Überfahrt tödlich.
Seit 2014 [3][starben mehr als] 30.000 Menschen auf ihrer Reise über das
Mittelmeer nach Europa. Seit ein paar Jahren arbeitet die europäische
Grenzagentur Frontex eng mit der libyschen Küstenwache zusammen, die für
Pushbacks von Bootsflüchtlingen bekannt ist. Tausende Tunesier nehmen
trotzdem die Gefahr auf sich, über das Meer nach Europa zu gelangen.
Diejenigen, die es sich leisten können, wählen den einzig legalen Weg nach
Italien – den mit einem Visum. Aufgrund der katastrophalen Wirtschaftslage
Tunesiens, das unter der Regierung [4][von Kais Saïed eine autoritäre
Wende] erlebt hat, werden es immer mehr. „Tunesien ist seit dem Sturz von
Ben Ali instabil, es ist ein Land in einem sehr kritischen Zustand: Während
die Arbeiter früher drei- oder viermal im Jahr zu ihren Familien nach
Italien kamen und gingen, ziehen sie es heute aus Sicherheitsgründen vor,
ihre Familien herzuholen, sobald sie sich in Italien niedergelassen haben“,
bestätigt Giuseppe Scifo, Experte für die „Fascia trasformata“ und
Gewerkschaftsleiter.
Mounir hat, um auf dem legalen Weg einreisen zu können, in seiner Heimat,
„alles verkauft, einschließlich mein Auto“. Damit ist er kein Einzelfall:
Lokale „Vermittler“ machen sich ein Geschäft daraus, arbeitssuchende
Landsleute in der Heimat an sizilianische Arbeitgeber zu vermitteln. „5.000
Euro habe ich bar an meinen Vermittler bezahlt“, erzählt Mounir. „650 Euro
musste ich ihm zusätzlich zahlen, als ich in Sizilien ankam – für eine
Unterkunftsanmeldung.“ Ein solches Dokument ist in Italien notwendig, um
einen Arbeitsvertrag unterzeichnen zu können.
Diese Art der Erpressung findet in der „Fascia trasfomata“ vor legalem
Hintergrund statt. Dieser Entwicklung die Tür geöffnet habe, so erklärt es
Giuseppe Scifo, das sogenannte [5][„Decreto flussi“]. Es wurde im Jahr 2001
von der italienischen Regierung beschlossen, mit dem Ziel, den Mangel an
Arbeitskräften in Italien zu beheben. Scifo erklärt: „Die Anwendung des
Dekrets hat in den letzten Jahren zugenommen und sein Missbrauch ist
inzwischen zu einem Massenphänomen geworden, weil es für die Menschen immer
schwieriger wird, mit anderen Mitteln nach Europa zu kommen.“ Im Jahr 2024
wurden 4.000 nicht saisonale Stellen speziell für Tunesier und insgesamt
41.000 saisonale Arbeitsplätze für Ausländer in der Landwirtschaft
gemeldet, auf die sich auch Tunesier bewerben können.
Für Arbeitgeber ist das Abhängigkeitsverhältnis, das durch das Dekret
geschaffen wurde, ein gefundenes Fressen. Sie profitieren von der
Vulnerabilität der Menschen und ihrer Alternativlosigkeit. Besonders
rentabel wird es für sie dann, wenn sie einen Vermittler bei der
Einstellung eines Arbeiters hinzuziehen. Häufig handelt es sich dabei um
eine schon länger im Betrieb arbeitende Person, nicht selten die „rechte
Hand des Chefs“ mit guten Verbindungen in das Land, in dem die Arbeitgeber
rekrutieren wollen. So ist es auch im Fall von Mounir. Er berichtet: „Mein
Vermittler ist in meiner Heimatstadt bekannt, sein Name ist dort jedem ein
Begriff.“ Für den Arbeitgeber arbeitet dieser schon seit 20 Jahren. Vom
Geld, das Arbeiter bezahlen, bekommen Vermittler einen Anteil. Der Großteil
landet in den Taschen des Arbeitgebers.
Dass dieses schmutzige Geschäft weit verbreitet ist, davon kann auch Pipo
Genovese berichten. Er ist selbst Landwirt und Chef eines Großbetriebs, den
er sich mit drei Brüdern teilt. Auf fünfzehn Hektar Fläche werden in seinen
Gewächshäusern in der Gemeinde Santa Croce Camerina Tomaten, Auberginen und
Paprika kultiviert. 30 Angestellte hat der Betrieb. Er versichert, in all
den Jahren nie einen Vermittler bei der Einstellung neuer Arbeitskräfte
hinzugezogen zu haben. Wenn das stimmt, dürfte er einer von wenigen sein:
Erst vor einigen Wochen stellte sich ein Tunesier, „ein Onkel“, bei ihm
vor, der ihm für die Einstellung von vier seiner Landsleute insgesamt
15.000 Euro bot. „Alle Chefs hier würden ein solches Angebot direkt
annehmen. 3.000 Euro nehmen sie meist pro Arbeiter“, sagt Genovese und
lacht bitter, während im Hintergrund Gartenscheren klappern. „Als Kollegen
mitbekommen haben, dass ich später vier Tunesier eingestellt habe, haben
Sie mich gefragt: „Und wie viel hast du pro Kopf bekommen?“
Für Neuankömmlinge gibt es eine weitere Hürde: Damit ausländische Arbeiter
überhaupt die Möglichkeit haben, weitere administrative Schritte
einzuleiten, etwa ein Bankkonto zu eröffnen, füllt der Priester Beniamino
Sacco seit vielen Jahren jeden Montag Wohnsitzbescheinigungen auf die
Adresse seiner Kirche im Zentrum von Vittoria aus. Zwischen 600 und 1.000
Euro müssten Migranten für ein solches Dokument sonst an anderer Stelle
dafür bezahlen.
## Verharren in Schwarzarbeit und Anonymität
An diesen Tagen bildet sich vor dem schweren Kirchenportal eine große
Menschentraube. Arbeiter unterschiedlicher Nationalitäten hoffen, in das
Büro des Priesters vorgelassen zu werden, in dem dieser wichtige Unterlagen
für sie ausfüllt. Manche kommen an mehreren Montagen hintereinander, schon
morgens früh um fünf Uhr, bis es ihnen endlich gelingt. Rund um das
Kirchengemäuer berichten sie von den erpresserischen Geschäften, denen sie
zum Opfer gefallen sind. Zwischen 3.000 und 6.000 Euro haben die meisten
von ihnen bezahlt, um legal nach Sizilien zu kommen. Für einen
Achtstundentag verdienen sie seither zwischen 30 und 45 Euro. Das ist
deutlich weniger als die 58 Euro netto, die ihnen laut Gesetz zustehen
sollte. Bei einem Großteil stehen die 58 Euro trotzdem auf dem Lohnzettel,
obwohl nur die wenigsten diesen Betrag wirklich bekommen.
„Allein die Tatsache, dass es der Arbeitgeber ist, der die Macht über seine
Arbeiter hat, weil es von ihm abhängt, ob sie kommen und dableiben dürfen,
verletzt rechtlich den Gleichheitsgrundsatz unserer Verfassung“, kritisiert
Giuseppe Scifo. Er zeigt sich besorgt über die Absicht der rechtsextremen
Regierung Meloni, die Zahl legaler ausländischer Arbeitnehmer in den
nächsten Jahren weiter zu erhöhen, ohne vorher die Modalitäten zu ändern.
Er selbst erstattete im August 2023 zum ersten Mal Anzeige bei der
Staatsanwaltschaft wegen eines Falls, bei dem mehr als 20 tunesische
Arbeiter jeweils 2.000 Euro zahlen mussten, um mit einem Visum nach
Sizilien zu reisen. Für die Opfer selbst ist es oft nicht einfach, die
Vermittler anzuzeigen. Schon gar nicht, wenn sie von ihnen abhängig sind.
Die letzten 30 Jahre hat der 81-jährige Priester Sacco damit verbracht, auf
die Missstände in den Gewächshäusern in der Provinz Ragusa aufmerksam zu
machen. Sein Einfluss ist über die Grenzen der „Fascia trasformata“ hinaus
bekannt. Dutzende Menschen, die den Mut hatten, gegen das ihnen
widerfahrene Unrecht vorzugehen, hat er aus ausbeuterischen Situationen
befreien können. Darunter auch Arbeiterinnen, die Opfer sexueller Gewalt
wurden. Beniamino Sacco hat vor Jahren selbst eine landwirtschaftliche
Genossenschaft gegründet.
Vier Personen sind dort angestellt. „Das illegale Geschäft ist in der Zone
überall in den Gewächshäusern Realität“, sagt der Priester, der die
Genossenschaft regelmäßig besucht, um sich mit den Arbeitern auszutauschen.
„Ein Mann aus Bangladesch, den ich kenne, hat mir erzählt, dass er einen
Betrieb sucht, der Arbeitskräfte braucht, er wolle zwei Landsleute
vermitteln. Er verlangte von ihnen 1.000 Euro pro Person“, ergänzt er.
Es ist Nachmittag geworden am Strand. Die Sonne steht hoch oben am Himmel,
in den Gewächshäusern der „Fascia trasfromata“ wird die Luft zunehmend
stickiger. Mounir schaut auf sein Handy – und zuckt kurz zusammen. Die
Mittagspause seines Chefs ist bald vorbei. Er muss zurück in seine
Unterkunft. Schon ein paar Minuten später biegt er auf einen Schotterweg
ein und läuft in langen, aber vorsichtigen Schritten eine Reihe von
Gewächshäusern ab. Hinter einem davon verschwindet er. Am Abend schickt er
eine SMS: „Es ist alles gut gegangen.“
Ein paar Wochen später meldet Mounir sich noch einmal. Er musste drei
Monate warten, um bei einem neuen Arbeitgeber legal angestellt werden zu
können, erzählt er. Tatsächlich sieht es das Gesetz so vor. Er habe in
dieser Zeit bereits schwarz in den Gewächshäusern seines neuen Dienstherrn
gearbeitet, sagt er – von irgendetwas habe er ja leben müssen. Diesen
Arbeitgeber, der tatsächlich bereit war, ihn legal anzustellen, habe er
über Kontakte gefunden. Mounir hatte damit mehr Glück als die meisten
Arbeiter der „Fascia trasformata“, die oftmals jahrelang gezwungen sind, in
Schwarzarbeit und Anonymität zu verharren.
Mounir wirkt jetzt zufriedener. Auch weil er statt vorher 20 Euro Tageslohn
immerhin nun 50 Euro bekomme. Das sind zwar immer noch nicht die gesetzlich
eigentlich vorgesehenen 58 Euro – aber immerhin mehr als das, was er vorher
bekam. Der Tunesier hofft jetzt darauf, dass er in nicht allzu ferner
Zukunft seine Frau und seinen Sohn nach Italien holen kann. „Sie hat mir in
der ganzen Zeit immer gesagt:‚Du schaffst das, und wenn es Tage oder Wochen
dauert.‘ Wegen ihr stehe ich überhaupt noch auf den Füßen.“
14 Oct 2024
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## AUTOREN
Stefanie Ludwig
Augustin Campos
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