| # taz.de -- Antilopen-Gang im Gespräch: „Die Dudes von der Straßenecke“ | |
| > Die Rap-Crew hat ihr neues Album „Anarchie und Alltag“ rausgebracht. | |
| > Panik Panzer, Danger Dan und Koljah über Deutsch-Rap, Zuschreibungen und | |
| > vergeudetes Potenzial. | |
| Bild: V.l.n.r.: Danger Dan, Panik Panzer, Koljah | |
| Zwischen Selbstüberhöhung und -kasteiung. Trotz kurzer Genre-Ausflüge in | |
| den Punk zeigen Panik Panzer, Koljah und Danger Dan mit ihrem aktuellen | |
| Album, dass ihre Leidenschaft dem Rap gilt. Und dass sich dabei das | |
| Politische nicht umgehen lässt. | |
| taz.am wochenende: Seit der Veröffentlichung Ihres Albums „Aversion“ und | |
| des darauf enthaltenen Hits „Beate Zschäpe hört U2“ sind zwei Jahre | |
| vergangen. Wie hat sich die Lage hierzulande seitdem verändert? | |
| Panik Panzer: Es hat sich definitiv viel verändert. Als der Song „Beate | |
| Zschäpe hört U2“ herauskam, wurden wir andauernd gefragt, ob wir da etwas | |
| vorhergesehen hätten. Es hatte sich vorher angedeutet, dass sich da, gerade | |
| was rechte Tendenzen in der Gesellschaft angeht, etwas zuspitzt. Aber was | |
| dann gekommen ist, der ganze Brei aus Pegida und Hogesa, die zunehmenden | |
| Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte, hat eine neue Qualität | |
| bekommen. | |
| Koljah: Auf jeden Fall hat sich da etwas zugespitzt. Das hat auch alle | |
| unsere Dystopien aus dem Song übertroffen. | |
| Danger Dan: Was es für krasse Terroranschläge in der Zeit gab! Wir haben | |
| „Aversion“ veröffentlicht, als Charlie Hebdo noch nicht angegriffen war. | |
| Danach kamen Bataclan, Brüssel, Nizza, in einer unglaublichen | |
| Geschwindigkeit jagte seit 2015 eine Schreckensnachricht die nächste. | |
| Gibt es einen Zusammenhang mit Ihrem aktuellen Album? | |
| Koljah: Nein. Wir sind Musiker, und immer, wenn wir Zeit haben, machen wir | |
| neue Alben. Weil wir eben Rapper sind. | |
| Danger Dan: Wir hätten auch ein Album gemacht, wenn die Gesellschaft sich | |
| anders entwickelt hätte. Manchmal passt aber ein Beat wie die Faust aufs | |
| Auge, wie damals bei „Beate Zschäpe hört U2“. Es ist aber nicht unser | |
| Anspruch, ständig auf gesellschaftliche Tendenzen zu reagieren. Musik ist | |
| unsere große Leidenschaft. | |
| Dieses Mal scheinen Sie stärker von sich selbst auszugehen, erzählen eher | |
| individuelle Geschichten. Richtig? | |
| Koljah: Stimmt, viele Tracks handeln von uns. Bei „Fugen im Parkett“ texten | |
| wir zum Beispiel aus der Sicht eines „In-der-Bar-Abkackers“. Eine bewusste | |
| Entscheidung war das allerdings nicht. | |
| In dem „Bar“-Song rappen Sie immer wieder über „verlorenes Potenzial“. | |
| Koljah: Eine Selbstbeschreibung. Ich finde wichtig zu sagen, dass es nicht | |
| nur darum geht, alles aus einer Außenperspektive zu betrachten. Wir nehmen | |
| uns selbst nicht aus, hätten vielleicht auch oft genug andere Dinge tun | |
| können als den fünften Schnaps an der Theke zu trinken. | |
| Panik Panzer: Wobei es ja aber auch völlig okay ist, ab und zu mal | |
| Potenzial zu vergeuden. | |
| Danger Dan: Die Frage ist auch, was für ein Potenzial überhaupt? | |
| Sie sind in den letzten Jahren sehr bekannt geworden, wie gehen Sie mit dem | |
| Ruhm um? | |
| Koljah: Ich find’s ganz okay, mehr Musik zu machen und auch mal von Leuten | |
| gehört zu werden, also nicht immer das Gefühl zu haben, niemand kriegt was | |
| mit. Das war ja jahrelang so, jetzt ist es so, dass wir ein Publikum haben, | |
| ein klarer Fortschritt. | |
| Danger Dan: Es kann mal passieren, dass mich wer anquatscht oder ich | |
| manchmal nicht weiß, in welchem Moment fotografiert mich jemand oder so. | |
| Aber ich glaube, so schlimm ist es jetzt bei uns noch nicht, wir sind ja | |
| nicht Elvis Presley. Wir sind die Antilopen Gang, ganz normale Dudes von | |
| der Straßenecke, unauffällig und belanglos. | |
| In Artikeln werden Sie öfters als „antideutsch“ bezeichnet. Wie stehen Sie | |
| dazu? | |
| Koljah: Davon müssen wir uns nicht distanzieren. Ich glaube aber genauso | |
| auch, dass „Antideutsch“ zu einem politischem Kampfbegriff geworden ist, | |
| der uns diffamieren soll. Mich trifft’s nicht. Ich muss mir aber selber | |
| keine identitäre Zuschreibung geben. Wir sind die Antilopen Gang, und das | |
| reicht für mich. | |
| Panik Panzer: Ich fänd’s schlimmer, wenn wir im Gegenzug als prodeutsch | |
| bezeichnet würden. Wir geben uns alle Mühe, dass das nicht passiert. | |
| Verorten Sie sich eigentlich auf internationaler Ebene? | |
| Danger Dan: Mit deutschsprachiger Musik ist man international leider ein | |
| bisschen limitiert. Hätten wir englische Texte, sähe die Sache ein bisschen | |
| anders aus. Deutsch-Rap ist wohl zu sehr Nische, als dass wir da | |
| international was reißen könnten. | |
| Schließen Sie aus, auf Englisch zu rappen? | |
| Danger Dan: Ich glaube, das will niemand hören. Aber die Idee ist | |
| eigentlich okay. | |
| Panik Panzer: Ich bin voll zufrieden, dass ich dadurch, dass ich auf | |
| deutsch rappe, nur ein limitiertes Publikum habe. Mehr Menschen will ich | |
| unseren Unfug gar nicht zumuten. Potenzial ist doch auch dafür da, | |
| ungenutzt zu bleiben. | |
| Sie haben über „Aversion“ gesagt, dass es das politischste Album sei, das | |
| Sie jemals machen werden. Stehen Sie noch zu dieser Aussage? | |
| Danger Dan: Ich glaube, wesentlich unpolitischer ist es jetzt doch wieder | |
| nicht geworden. Allerdings haben wir dieses Mal auch nicht so einen | |
| offensichtlichen Polit-Gassenhauer wie „Beate Zschäpe hört U2“ dabei. Das | |
| war für uns damals in der Entwicklung der Band auf jeden Fall neu, dass wir | |
| so einen expliziten Song machen, wo wir eindeutig und unironisch Stellung | |
| beziehen. Das hat uns damals zu solchen Aussagen hinreißen lassen. | |
| Panik Panzer: Ich vermute, dass die Aussage von mir war. Damals hatte sich | |
| so ein Frust bei mir breitgemacht, dass ich in der Öffentlichkeit auf | |
| einmal als politischer Rapper wahrgenommen wurde und mich zu allem äußern | |
| sollte. Das hat mich im ersten Augenblick total überrumpelt. Es reicht mir | |
| total aus, in einem Song auch einfach mal nur zu polemisieren oder irgend | |
| einen Scheiß zu erzählen. Das heißt aber nicht, dass das nächste Album | |
| nicht vielleicht voll das krasse Manifest ist – wenn wir da Bock drauf | |
| haben. | |
| Danger Dan: Ich glaube, es ist ganz gut, dass wir uns nicht mehr selbst | |
| solche Blockaden auferlegen. Wir lassen das zu, was passiert, und wir haben | |
| ja jetzt auf dem neuen Album auch wieder ein paar politische Utopien wie | |
| die vom Baggersee oder von Pizza als verbindendem Element rausgehauen. | |
| Im ersten Song, „Das trojanische Pferd“, erklären Sie, dass Sie die | |
| deutsche Gesellschaft von unten unterlaufen wollen – wie genau? | |
| Koljah: Wir haben es da ja erklärt. Wir haben keine Einladung | |
| ausgeschlagen, die wir bekommen haben, von sämtlichen Medien, wir sind im | |
| Vertrieb von Warner Music und nutzen das, um einen gewaltigen Umbruch | |
| vorzubereiten und durchzuführen, der auf dem Song „Baggersee“ beschrieben | |
| wird. | |
| Panik Panzer: Wir haben auf jeder Party getanzt, sehr schön getanzt. Wir | |
| sind sehr gute Tänzer, und mit diesem Tanz haben wir die Leute verführt und | |
| sind noch dabei, sie zu verführen, um nur im entscheidenden Augenblick die | |
| Waffen aus den Mänteln hervorzuziehen und die Party endgültig aufzulösen. | |
| Danger Dan: Aber wir schießen nicht. Wir nutzen die Waffen nur als | |
| Drohpotenzial. | |
| Panik Panzer: Wasserpistolen sind nämlich später auch beim Baggersee | |
| relativ wichtig. Für Spaß und Fun. | |
| Koljah: Und das Krasse ist: Das stimmt alles. Wir sagen das jetzt einfach | |
| so, aber es wird genau so passieren. | |
| 21 Jan 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Annika Glunz | |
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