# taz.de -- Antifeminismus und Rassismus: Ihre große Erzählung | |
> Die AfD will in Berlin für die Sicherheit der (weißen) Frau | |
> demonstrieren. Sie nutzt dabei ein eingespieltes Muster rechter Kreise. | |
Bild: Kein „emotionales Rumgehudel“ mehr: Frauen bei einer Demonstration de… | |
Es ist nicht viel, was Rechtsextreme für ihre Öffentlichkeitsarbeit | |
brauchen. Eigentlich nur einen gesellschaftlichen Konsens, den sie | |
zuspitzen können. Und verschiedene Diskriminierungsachsen, die man | |
übereinanderlegen kann. Wer möchte, ergänzt verborgene Strippenzieher, | |
tauscht Begriffe, wenn das Ergebnis zu altbacken klingt, oder gibt ihm | |
einen ironischen Touch. Repeat. | |
Die vielleicht derzeit beliebteste rechte Erzählung bringt Migrations- und | |
Geschlechterfragen zusammen. Sie braucht dafür nur ein quasi natürliches | |
Bild von Mann und Frau mit unterschiedlichen Eigenschaften und einen lange | |
eingeübten Rassismus. | |
Die Vorlage geistert derzeit überall durch die Medien und folgt „nach Köln�… | |
einem eingespielten Muster: Der Sexismus der Anderen – und nur der Anderen | |
– sei eine Gefahr für die eigene Kultur und weiße Frauen; die eigene | |
männliche Hegemonie und deren toxischen Auswirkungen seien jedoch nicht der | |
Rede wert. Das aktuellste Beispiel dafür liefern die Identitären mit ihrer | |
Videokampagne gegen sexuelle Gewalt an Frauen – aber nur gegen die Gewalt, | |
die nicht von Deutschen ausgeht. | |
Mit dem gleichen Schema kann Beatrix von Storch über die „barbarischen, | |
muslimischen, gruppenvergewaltigenden Männerhorden“ [1][twittern] und André | |
Poggenburg gleichzeitig, dass die #MeToo-Kampagne „[2][zu einer reinen | |
Farce verkommen]“ sei: „Als ob es keine wirklichen Probleme gibt.“ | |
Die weibliche Bedrohung | |
Diese rassistische Fokussierung ist allerdings nur Einstieg. Wer ist nach | |
rechtsextremer Lesart „schuld“ an der Migration? Klar, Merkel und die | |
„Volksverräter“ der politischen Elite, die die Grenzen nicht dicht machen; | |
die „Lügenpresse“ mit ihrem „Multi-Kulti-Brainwashing“; die Amis mit i… | |
Globalisierung und Gleichmacherei; die „Hochfinanz“, die Juden, George | |
Soros mit ihrer Schattenherrschaft. | |
Wer sich durch YouTube-Videos, Webseiten und Bücher der Neuen Rechten und | |
der amerikanischen Alt-Right sowie deren medialen Vorfeldorganisatoren | |
schaut, dem wird klar, wie den zunächst als beschützenswert dargestellten | |
Frauen eine Schlüsselrolle in dieser Schuldfrage zukommt. Und wie genau | |
jene Eigenschaften, die Rechte „der Frau“ zuschreiben, auf diese | |
zurückkommen – und Weiblichkeit an sich zu einer permanenten Bedrohung für | |
das völkische Projekt machen. | |
„Was zur Hölle läuft falsch bei euch?“, fragte der Identitäre Martin | |
Sellner in einer Videoreihe zur „Identitären Frauenfrage“ im Frühjahr 201… | |
Warum wählen Frauen viel häufiger Parteien, die für die | |
„Masseneinwanderung“ sind als Männer? „Das hängt mit der Natur und der | |
Psychologie der Frauen zusammen“, antwortet Aline aus Dresden: „Frauen sind | |
empathisch und wollen helfen und denken dann aber meistens nicht darüber | |
nach, wem sie da helfen.“ Genau, sagt Sellner, von Natur aus seien sie | |
deshalb leichter „emotional erpressbar“ – etwa von den Bildern einer | |
angespülten Babyleiche am Strand. | |
Auch Frauen müssten mal „auf den Tisch hauen“ | |
Eine ähnliche Video-Reihe führte Sellner noch einmal kurz vor der | |
Bundestagswahl vor. Klar sollten Frauen nach wie vor wählen und | |
mitbestimmen, sagt Franziska vom identitären Blog „radikal feminin“. Aber | |
gerade in der Politik könne man „eben nicht nur emotionales Rumgehudel | |
machen, sondern muss mal auf den Tisch hauen. Männer sind da logischer und | |
direkter.“ Und Sellner ergänzt, dass Frauen eben immer mit dem Mainstream | |
gehen würden. Genau diese Zuschreibungen machen sie auch zu potentiell | |
Verantwortlichen für die „Masseninvasion“. | |
Als Sellner zum Jahreswechsel in den USA war, redete er noch klarer davon, | |
wie die Leute in Deutschland – angetrieben von einem „weißen Schuldkomplex… | |
und der Angst, „Rassist“ genannt zu werden – ihre Kinder dem „God of | |
Multiculturalism“ opfern würden – und: „so many white girls inviting the… | |
beasts into their home“. | |
Nur ein, zwei Facebook-Postings weiter landet man schon bei der Neuköllner | |
AfD-Abgeordnete Franziska Lorenz-Hoffmann, die auf ihrer digitalen Pinnwand | |
einige Motive aus dem Nationalsozialismus recycelte: „Deutsche Frau! Halte | |
dein Blut rein“. | |
„Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?“ steht hinten auf dem Buch „Die | |
Einzelfalle – Warum der Feminismus ständig die Straßenseite wechselt“ von | |
Ellen Kositza, Ehefrau von Götz Kubitschek. In ihm schreibt sie, wie | |
„Frauen zu Kippfiguren in puncto Einwanderung werden … Ich gestehe Frauen | |
mehr Emotionalität, mehr Weichheit, ja auch größere Beeinflussbarkeit zu. | |
Auch, daß sie generell ,zu den Siegern' gehen, also sich zur proklamierten | |
Mehrheit schlagen. Ich halte dergleichen für natürlich, für weder | |
anfechtbar noch aufrechenbar. Darum wünsche ich keiner multikulturell | |
begeisterten Frau, daß sie ihre ,Lektion‘ lernen möge.“ | |
Zu viele „Jammerlappen“, zu wenig „Männlichkeit“ | |
Das Problem besteht für Kositza jedoch nicht in diesen „Lektionen“ | |
toxischer Männlichkeit generell, sondern in dem vermeintlichen Mangel | |
einheimischer Männlichkeit: Die deutschen Männer würden sich zu sehr auf | |
„Vater Staat“ verlassen, sie seien zu „Weicheiern“ und „Jammerlappen�… | |
geworden und hätten den öffentlichen Raum kampflos preisgegeben. | |
Deswegen kommt auch Kositzas Buch nicht ohne den Verweis auf die | |
„Männlichkeitsbibel“ im eigenen Verlag aus – Jack Donovans „Der Weg der | |
Männer“ – zu dem sie einen Online-Kommentar zitiert: „Die weißen Linken | |
haben ihre Männlichkeit doch als cuckolds längst outgesourced. Black Lives | |
Matter, Randalierer und Schläger, arabische Clans …, durchtrainierte | |
Afrikaner … Das ist doch die Männlichkeit, auf die der weiße Mann stolz | |
ist.“ | |
Das war auch das Mantra von Björn Höcke, als er im November 2015 auf den | |
Erfurter Marktplatz schrie: „Wir müssen unsere Männlichkeit | |
wiederentdecken. Denn nur, wenn wir unsere Männlichkeit wiederentdecken, | |
werden wir mannhaft! Und nur, wenn wir mannhaft werden, werden wir | |
wehrhaft. Und wir müssen wehrhaft werden, liebe Freunde!“ | |
Wie dieses Beschwörungen von mehr Männlichkeit auf die Weiblichkeit | |
zurückschlagen, kann man auch auf den YouTube-Kanälen der amerikanischen | |
„Alt-Lite“ beobachten. Das sind die massenwirksamen Vorläufer der | |
„Alt-Right“, die den „weißen Nationalstaat“ und den „race war“ zwa… | |
nicht offen predigen, zu denen mit einem Zitat aus Klaus Theweleits „Das | |
Lachen der Täter“ jedoch schon alles gesagt wäre: „Wer eine Stunde lang | |
redet, um eigene Standpunkte zu untermauern und seine Handlungen zu | |
rechtfertigen, ist strukturell ein Faschist“ – wenn ihre Monologe nicht | |
Millionen Views bekämen. | |
Immer wieder die Naturalisierung von Weiblichkeit | |
Da ist zum Beispiel der ehemalige Mens Rights Activist Stefan Molyneux, der | |
unter dem Titel „We’re doomed!“ wieder einmal „Facts about Women and | |
Politics“ abspult: Wie in der Weltgeschichte Millionen von Männern gekämpft | |
und gestorben sind, wie sie den Frauen die Freiheit geschenkt hätten – nur | |
damit diese im Gegenzug alles Aufgebaute wegwerfen würden, weil sie keine | |
Ahnung von Politik hätten und nur emotional wählen würden – also für | |
Sozialsysteme, für Migration und all diese furchtbaren Dinge. Auch wenn | |
Molyneux mit einem offenen „but we can turn it around – can’t we?“ ende… | |
es ist klar, wer dieses „we“ ist – und gegen wen es sich konstituieren | |
sollte. | |
Wie wichtig diese Erzählungen eines von der Weiblichkeit bedrohten | |
völkischen Projekts sind, zeigt sich erst recht bei den Männern der | |
Alt-Right. Wenn deren prominenter Kopf Richard Spencer bei einem Glas | |
Whiskey fragt, was für die Bewegung eigentlich wichtiger sei: „the women’s | |
question or the race question“. Oder wenn die Neonazi-Seite Daily Stormer | |
die Zahnlosigkeit der Alt-Lite beklagt, weil sie den letzten Schritt nicht | |
gehen wollten („Always Blame the Jews for Everything“). Und wenn dabei | |
wieder betont wird, was den gemeinsamen Nenner mit Leuten wie Molyneux | |
ausmacht: „he did bring people into the Alt-Right by addressing issues that | |
we address, including engaging in a comprehensive breakdown of race | |
realism, along with the nature of women“. | |
„Die Frau“, das ist ihre gemeinsame Botschaft, wird nicht erst als | |
Feministin zu einer Gefahr für die innere Ordnung der „Volksgemeinschaft“, | |
nicht erst dann, wenn sie die traditionelle Rolle in der Familie verlässt, | |
keine Lust auf Küche oder Kinder hat und lieber Karriere macht. Sondern | |
schon vorher, durch die Zuschreibung vermeintlich natürlicher | |
Eigenschaften, die sie zum Einfallstor für das Andere und zu einer | |
potenziellen Bedrohung für das völkische Projekt machen. Und gegen | |
Bedrohungen sollte sich ein rechter Mann wehren. | |
16 Feb 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.berliner-zeitung.de/politik/-hass-inhalte--koelner-polizei-zeig… | |
[2] https://twitter.com/poggenburgandre/status/952353929538437120?lang=de | |
## AUTOREN | |
Sebastian Dörfler | |
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