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# taz.de -- Debatte Strategien der „Männerrechtler“: Getarnte Antifeminist…
> Rechte „Männerrechtler“ versuchen, in progressiven Milieus Fuß zu fasse…
> Dazu ist ihnen fast jede Form der Mimikry recht.
Bild: Nur die klassische Vater-Mutter-Kind-Familie ist der AfD und den Männerr…
Die Alternative für Deutschland war gerade in den Landtag von
[1][Sachsen-Anhalt] eingezogen, da erschien 2016 auf der Website des
antifeministischen Vereins MANNdat ein Interview mit dem frisch gewählten
Abgeordneten Hans-Thomas Tillschneider. Er forderte eine „zeitgemäße
Geschlechterpolitik“.
Das Konzept des Gender Mainstreaming wolle „einen neuen Menschen schaffen“,
die „herrschende Politik“ verkläre „den beschleunigten Verfall unserer
Gesellschaft mit Schwachsinnsbegriffen wie ‚Regenbogenfamilie‘ “. Die AfD
dagegen trete ein für die Ehe aus Mann und Frau, aus der Kinder
hervorgehen. „Wir müssen das Übel an der Wurzel packen: Scheidungen und
Trennungen sollten rechtlich erschwert werden.“
Der Kampf gegen den „[2][Genderwahn]“ ist [3][ein zentrales, oft
unterschätztes Thema in Rechtsextremismus] und Rechtspopulismus. Selbst
ernannte „Männerrechtler“ haben diesen Feldzug seit Jahren mit vorbereitet.
Das offenherzige Interview, in dem sich MANNdat und ein AfD-Parlamentarier
über ihre „ideologisch verblendeten“ Gegner(innen) schnell einig waren, ist
dennoch eher die Ausnahme von der Regel. Meist wollen Antifeministen den
umgekehrten Eindruck erwecken: Sie geben vor, eine seriöse Bewegung aus der
Mitte der Gesellschaft zu sein.
Dieses Mimikry-Spiel beginnt schon bei der Sprache. Ihre Vereine nennen
sich „Forum Soziale Inklusion“, „Geschlechterpolitische Initiative“,
„Väter-Netzwerk“ oder „Arbeitsgemeinschaft zur Verwirklichung der
Geschlechterdemokratie“. Der kürzlich gegründete maskulinistische
Dachverband „Interessengemeinschaft Jungen, Männer, Väter“ präsentiert s…
ganz ähnlich wie das vom Familienministerium geförderte und tatsächlich
genderdialogisch orientierte „Bundesforum Männer“. Dass bei Nichtinsidern
auf diese Weise Verwechslungen provoziert werden, ist beabsichtigt. Die
Namen der Zusammenschlüsse sollen harmlos klingen, am besten progressiv und
aufklärerisch. Doch in Wirklichkeit handelt es sich um Frauenhasser und
Anti-Gender-Aktivisten.
## Durch die linksliberale Tür schmuggeln
Sie reden von „Freiheit“, „Zivilgesellschaft“ oder einer „neuen
Bürgerbewegung“. Auf ihren Webseiten und vor allem in den Kommentarspalten
aber wird deutlich, in welch trüber Brühe die Mitglieder und Anhänger
dieser Vereinigungen schwimmen. Weil die Wirksamkeit außerhalb des Netzes
gering ist, tarnen sich die Organisationen im öffentlichen Raum.
Männerrechtler versuchen zum Beispiel, mit etablierten, aber schlecht
informierten Institutionen zu kooperieren. So gelang es 2011, gleich mit
mehreren Rednern auf einer Podiumsdiskussion zum Thema Gleichstellung im
Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) aufzutreten. WZB-Chefin Jutta
Almendinger, während der Planungsphase im Ausland unterwegs, wurde von
ihrem Kollegen und Quotengegner Jens Alber vor vollendete Tatsachen
gestellt. Beliebt ist auch der Versuch, Politiker zu wohlwollenden
Statements auf eigenen Veranstaltungen aufzufordern. Vor einem sogenannten
Gender-Kongress in Nürnberg wurden 2014 monatelang Grußworte aller Parteien
angekündigt. Erst als sich herumgesprochen hatte, dass die Tagung eher ein
„Anti-Gender-Kongress“ sein würde, hagelte es Absagen.
Als salonfähiges Eingangstor nutzen die Maskulinisten auch linksliberale
Publikationen. Der Gießener Psychosozial-Verlag ist einst im Umfeld des
friedensbewegten Analytikers Horst-Eberhard Richter entstanden, eines
integren und des Rechtspopulismus vollkommen unverdächtigen Moralisten.
Erstaunlich, dass dort 2009 der Sammelband „Befreiungsbewegung für Männer“
erschien: Die Autoren sahen sich diskriminiert durch staatlich geförderten
Feminismus, stilisierten ihr Geschlecht zum benachteiligten Opfer. Viele
Beiträge leisteten, in der Rückschau betrachtet, Vorarbeit für die heutige
Programmatik der AfD. Sie fantasierten von der „Machtergreifung der Frau“,
schimpften über „Umerziehungsaktionen“ des „neuen Tugendstaats“.
Aus dem Kreis der Verfasser bildete sich der maskulinistische Verein Agens.
Der vorgeblich „geschlechterdemokratisch“ orientierten Arbeitsgemeinschaft
gelang es 2012 auf einem Männerkongress der Universität Düsseldorf sogar,
zum Mitveranstalter aufzusteigen. Die Besucher(innen), vorwiegend
Fachkräfte aus Medizin und Psychologie, mussten den Eingang unter „Nazis
raus“-Rufen passieren. Die Antifa-Parole wirkte maßlos übertrieben, doch
dem Organisator Matthias Franz gaben die Proteste offenbar zu denken. Die
nächste Veranstaltung führte er lieber in Kooperation mit dem Bundesforum
Männer durch.
## Das antifeministische Verwirrspiel durchschauen
Auch der Psychosozial-Verlag wollte nicht in den Ruf geraten, rechte
Ideologie zu verbreiten. Die von dem Innsbrucker Bildungswissenschaftler
Josef Christian Aigner verantwortete Anthologie „Der andere Mann“ ist der
Versuch, das beschädigte Image des Hauses aufzupolieren. Allerdings
schimmern in manchen Passagen erneut die Vorbehalte gegen Gleichstellung
und „Genderismus“ durch. Unnötig, dass sich Aigner ausgerechnet auf den
Tagesspiegel-Kolumnisten Harald Martenstein beruft, der in stets ironischem
Tonfall über Geschlechterfragen schreibt und sich in der Rolle des
arroganten, „politisch unkorrekten“ Besserwissers gefällt.
Franz, Aigner und Martenstein sind selbstverständlich keine Nazis, sondern
politisch eher liberal eingestellt, aber sie spielen sich gern als
Verteidiger der vermeintlich bedrängten Männer auf. Der Blogger Arne
Hoffmann, der den Internetauftritt Genderama betreibt, verortet sich gar
auf dem „linken Flügel“. Er hat einst für rechtspopulistische Medien wie
die Junge Freiheit geschrieben, heute distanziert er sich, vor allem von
pöbelnden Männerrechtlern im Netz. Auch das gehört zur Mimikry-Strategie.
Denn Hoffmann ist nicht links, sondern bestenfalls libertär – und in
Geschlechterfragen bestimmt nicht progressiv.
Wer in der Politik, in Stiftungen, Verlagen, Forschungsinstituten oder
Universitäten mit getarntem Antifeminismus zu tun hat, sollte das
Verwirrspiel durchschauen – und dem Maskulinismus keine Bühne bieten.
30 Oct 2017
## LINKS
[1] /WhatsApp-Chats-der-Sachsen-Anhalt--AfD/!5422037
[2] /Polizei-twittert-unter-Genderwahn/!5449887
[3] /Debatte-Umgang-mit-erstarkter-AfD/!5449458
## AUTOREN
Thomas Gesterkamp
## TAGS
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Antifeminismus
Schwerpunkt Abtreibung
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