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# taz.de -- Anerkennung Palästinas als Staat: Netanjahu der Spartaner
> Für Israels Premier kommt ein Palästinenserstaat nicht infrage. Doch eine
> Annexion des Westjordanlandes hätte massive außenpolitische Folgen.
Bild: Grenzübergang Allenby, Westjordanland, nachdem die israelische Flughafen…
TEL AVIV taz | [1][Frankreich, Großbritannien und acht weitere Staaten
haben diese Woche Palästina als Staat anerkannt]. Doch dass diese
Staatlichkeit praktisch nicht allzu viel bedeutet, hat Israel unmittelbar
klargemacht. Am Dienstag schloss die Regierung von Premier Benjamin
Netanjahu die Allenby-Brücke nach Jordanien und damit den einzigen
palästinensischen Grenzübergang vorübergehend infolge eines Attentats. Die
meisten der 3,3 Millionen Palästinenser:innen im Westjordanland
konnten damit das von Israel besetzte Gebiet nicht mehr verlassen. Nach
Wiedereröffnung für den Reiseverkehr am Freitagmorgen dürfen weiter keine
Güter diese Hauptroute für den Export palästinensischer Waren passieren.
Auch sonst ist von palästinensischer Staatlichkeit im Westjordanland wenig
sichtbar. Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) kann ihre eigenen
Sicherheitskräfte nur in von ihr verwalteten Enklaven wie Ramallah
einsetzen, die nur rund 20 Prozent des gesamten Gebietes ausmachen.
Dazwischen prägen israelische Checkpoints und Siedlungen das Geschehen. Das
Staatsgebiet wird über weite Strecken von der acht Meter hohen Trennmauer
beschnitten, die Israel oft weit jenseits der „Grünen Linie“ errichtet hat,
seit 1967 die potenzielle Grenze zu Palästina.
Jüngst kündigte der israelische Finanzminister Bezalel Smotrich den
jahrelang unter internationalem Druck verhinderten [2][Bau eines
E1-Siedlungsblocks neben Jerusalem] an, der das Gebiet in einen Nord- und
einen Südteil trennen würde. Die Worte des Ministers lassen keinen Zweifel
an der Motivation hinter dieser Maßnahme: „Wir beerdigen die Idee eines
palästinensischen Staates.“
Dass nunmehr 157 von 193 UN-Mitgliedsstaaten einen Staat Palästina dennoch
anerkennen, den laut Umfragen rund vier von fünf Israelis ablehnen,
befeuert die ohnehin wachsende Sorge unter Israels Bevölkerung vor einer
internationalen Isolation des Landes – und ihren Folgen.
Zuvor war die Anerkennung Palästinas oft als Symbolpolitik ohne
Konsequenzen abgetan worden, nun aber gibt es Empörung aus beinahe allen
politischen Lagern in Israel. Wortgleich sprachen Politiker der
rechtsextremen Siedlerparteien bis hin zur Opposition von einer Belohnung
für den Terror der Hamas am 7. Oktober 2023. Premier Benjamin Netanjahu hat
vor seinem Abflug zu einem Treffen mit US-Präsident Donald Trump am
Donnerstag nochmals deutlich gemacht: „Es wird keinen palästinensischen
Staat geben.“
Netanjahus Regierungsmaschine nahm auf dem Weg nach New York einen
Zickzack-Kurs übers Mittelmeer. Damit sollte israelischen Medien zufolge
eine Festnahme aufgrund [3][eines Haftbefehls des Internationalen
Strafgerichtshofs wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit im
Gazastreifen] ausgeschlossen werden.
## In Jaffa gehen die Meinungen weit auseinander
Im von jüdischen wie palästinensischen Israelis bewohnten Jaffa im Süden
Tel Avivs gehen die Meinungen zur Anerkennung Palästinas weit auseinander.
Der Palästinenser Wasim sagt bei einem Kaffee: „Es ist der richtige
Schritt, doch er kommt zu spät und reicht nicht“. Wasim arbeitet bei einer
internationalen Organisation, seinen Nachnamen möchte er nicht
veröffentlicht wissen. Der Krieg im Gazastreifen sei zu einem Völkermord
mutiert, sagt er, und ohne echten Druck von außen gebe es noch nicht mal
ein Anzeichen, dass die israelische Führung ihren Kurs ändern werde. Es
brauche Sanktionen, die man in Israel spürt.
Anders sieht das Dan, der seinen Nachnamen auch nicht gedruckt sehen
möchte. „Wir haben ein göttliches Recht auf das gesamte Land zwischen dem
Fluss und dem Meer“, sagt der 31-Jährige. Er selbst ist im US-Bundesstaat
Washington aufgewachsen und erst vergangenes Jahr nach Tel Aviv gezogen.
Die Palästinenser könnten bleiben, sagt Dan, allerdings ohne Bürgerrechte
und nur, solange sie sich friedlich verhielten.
Dan wählt in den USA Donald Trump, in Israel würde er seine Stimme den
regierenden religiösen Nationalisten geben. Politische Lösungen hält er für
zweitrangig. Das sehen viele Israelis über die politischen Lager hinweg
ähnlich, wenngleich aus sehr unterschiedlichen Gründen: Umfragen zufolge
ist die Unterstützung für einen palästinensischen Staat unter jüdischen
Israelis mit 20 Prozent und weniger auf einen historischen Tiefstand
gesunken.
## Israel setzt Normalisierung mit arabischen Nachbarn aufs Spiel
Israels Führung aber könnte weniger Spielraum haben, als Netanjahu und
seine Minister gerne glauben machen. [4][Eine Annexion des Westjordanlandes
haben arabische Staaten wie die Emirate und Saudi-Arabien bereits zur
„roten Linie“ erklärt]. Auch mit Teilannexionen könnte Israel die
Normalisierung mit den arabischen Nachbarn durch die Abraham-Abkommen aufs
Spiel setzen. Diese gelten als einer der größten außenpolitischen Erfolge
von US-Präsident Donald Trump, des wichtigsten Verbündeten Israels. Der
israelische Außenminister Gideon Saar sprach kürzlich davon, dass die
Ausdehnung israelischen Rechts auf die jüdischen Siedlungen im
Westjordanland diskutiert werde.
Bilaterale Reaktionen auf die Anerkennung Palästinas, wie etwa der Abzug
von Botschafter:innen, könnte aufgrund der Beteiligung europäischer Staaten
wie Großbritannien und Frankreich letztlich eher Israel selbst schaden und
den Weg in die Isolation weiter beschleunigen.
Das weiß auch Netanjahu, der Israels Situation vergangene Woche mit der des
antiken Sparta verglich, einer autarken und extrem militarisierten
Gesellschaft. Viele Israelis zeigten sich aber ganz und gar nicht
einverstanden damit, dass der Premier eine solche Parallele zieht. Ben
Caspit, Kolumnist der israelischen Zeitung Maariv wies zudem auf die
zentrale Schwachstelle von Netanjahus Vergleich hin: „Das Problem ist, dass
Sparta unterging.“
26 Sep 2025
## LINKS
[1] /Nahostkonflikt/!6114861
[2] /Religioese-Siedler-im-Westjordanland/!6111285
[3] /Internationaler-Strafgerichtshof/!6050971
[4] /Kritik-an-Israels-Vorgehen-/!6111862
## AUTOREN
Felix Wellisch
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