# taz.de -- Alltäglicher Judenhass: Die Mär vom fremden Juden | |
> Der antisemitische Angriff auf Sänger Gil Ofarim zeigt: Ausgrenzung ist | |
> kein jüdisches Problem, sondern das der nichtjüdischen | |
> Mehrheitsgesellschaft. | |
Bild: Demonstration des Bündnisses „Leipzig nimmt Platz“ vor dem Westin Ho… | |
Sie werden [1][beleidigt, bespuckt und blöde angemacht]. Man tuschelt über | |
sie, reißt blöde Sprüche: Die antisemitischen Vorfälle, denen Juden in | |
Deutschland im Alltag ausgesetzt sind, ohne dass dies jemals in einer | |
Strafanzeige mündet und in die Kriminalstatistik einfließt, sind | |
mannigfaltig, alltäglich und bedrückend. Bedrückend sollten sie aber nicht | |
nur für [2][die Betroffenen] sein, sondern mindestens ebenso für die | |
Mehrheitsgesellschaft, die diesem Treiben mehr oder weniger interessiert | |
zuschaut. | |
Ein jüdischer Künstler hat in Leipzig nun einen dieser Ausbrüche von | |
Judenhass öffentlich gemacht. Ein Hotelmitarbeiter wollte ihn, den durch | |
ein Kette mit Davidstern sichtbaren vorgeblich Fremden, nicht einchecken | |
lassen – jedenfalls nicht mit sichtbarer Kette. Das ist [3][purer | |
Judenhass]. Die Angelegenheit wird durch die Reaktion auf diesen | |
widerlichen Vorfall nicht besser, fiel doch den Hotelbetreibern nichts | |
Besseres ein, als eine Flagge Israels als Zeichen der Solidarität mit dem | |
Abgewiesenen aufzuhängen. Und wieder wird der Jude als Fremder | |
gebrandmarkt, immerhin im positiven Sinne, aber trotzdem bedeutet dies: Er | |
gehört nicht zu uns. | |
Juden sind Deutsche, keine Ausländer, übrigens auch keine deutschen | |
Mitbürger. Es sind keine Touristen und keine Migranten. Einfach nur | |
deutsche Staatsbürger. Sie zählen genauso zu Staat und Gesellschaft wie | |
deutsche Katholiken, Protestanten oder Atheisten. | |
Es ist diese simple Tatsache, die Antisemiten seit dem 19. Jahrhundert | |
nicht anerkennen wollen und aus der sie ihre Zurückweisung des Jüdischen | |
als angebliche Volksfremde konstruieren, die die postulierte nationale | |
Identität bedrohen. Das war schon im Kaiserreich so und setzte sich in der | |
Weimarer Republik fort. Die Nazis konnten darauf ihre Vernichtungspolitik | |
aufbauen, und noch Konrad Adenauer sprach von einer „Judenfrage“. Bis zum | |
heutigen Tag spukt diese Mär in den Köpfen vieler herum. | |
Es ist aber eine Frage, die an die deutsche Mehrheitsgesellschaft gerichtet | |
ist. Denn nicht Juden sind das Problem, sondern die Antisemiten und die | |
Mehrheitsgesellschaft, die sie duldet und teils nicht einmal erkennt. | |
6 Oct 2021 | |
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## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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