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# taz.de -- Alkoholatlas 2022: Vom Vermentino nur ein Schlückchen
> Trinken ist schlecht für Leber, Niere, Herz. Der neue Alkoholatlas rät zu
> Verzicht. Eine Gewissensentscheidung zwischen Selbstoptimierung und Spaß.
Bild: Sitzen ist das neue Rauchen und Zucker das neue Sitzen und Alkohol geht g…
Haben Sie schon mal vom Alkoholatlas gehört? Ich bis vor kurzem auch nicht.
Aber ich habe mit großer Neugier darin geblättert, oder besser gesagt, mich
im Digitalexemplar von Seite zu Seite geklickt. Was soll ich sagen? [1][Der
Alkoholatlas] ist ein Meisterwerk der [2][ars arcu, der Kunst des
Alkohols]. Es gibt keinen Aspekt im Zusammenhang mit alkoholischen
Getränken, den der Atlas nicht aufgenommen hat.
Er erklärt, welche Biersorten es gibt und wie sie hergestellt werden,
welche [3][Biere ober- und welche untergärig] sind und räumt ein, dass Bier
sogar ein paar Vitamine enthält. Er macht einen Schlenker zur Weinhistorie
und zu Weinreben, die im Übrigen zu den ältesten Kulturpflanzen gehören und
schon um 3.500 v. Chr. von den Ägyptern, Babyloniern und Indern angebaut
wurden.
Der Atlas weiß, dass es mehr als 16.000 Rebsorten gibt, von denen etwa 100
in Deutschland zum Anbau zugelassen sind. Er erklärt den Unterschied
zwischen Obstbränden, Geist und Brandy, listet auf, woraus Gin, [4][Wodka],
[5][Rum und Whisky] hergestellt werden. Und gibt einen Einblick, wo Bier,
Wein, Schnaps produziert beziehungsweise angebaut und wie die fertigen
Getränke gehandelt werden. Er vertieft sich sogar ins Alkoholmarketing.
Mit Kapiteln wie diesen könnte der Alkoholatlas glatt als Standardwerk in
der [6][Sommelier- und Bierbrauerausbildung] durchgehen. Aber, Sie ahnen es
vielleicht schon, das ist er ganz und gar nicht. Er will nämlich das
Gegenteil des Trinkgenusses erreichen – er will den Menschen den Alkohol
abgewöhnen. Und das hat einen ganz banalen Grund: [7][Alkohol ist
schädlich.]
## Gedächtnisprobleme und Erektionsstörungen
Das ist nun wahrlich keine neue Erkenntnis. Ich würde sogar behaupten, das
wussten bereits die alten Ägypter, von denen sicher auch so mancher nach
üppigem Gelage am nächsten Tag mit dickem Schädel aufgewacht ist. Nur
hatten die Ägypter keinen Alkoholatlas.
Dafür hat der aktuelle – einen ersten Alkoholatlas gab es bereits 2017 – es
in sich. Ein paar Auszüge gefällig?
Etwa 16 Prozent der Männer und 11 Prozent der Frauen trinken regelmäßig
Bier, Wein, Schnaps – und das in erheblichem Maße. Also nicht nur das
sogenannte kleine Feierabendbier und den Crémant zum Anstoßen beim 70.
Geburtstag der Tante. Sondern mehr, als dem Körper guttut. Der merkt das
irgendwann und rächt sich: mit Krebs beispielsweise.
Jedenfalls soll die Todesursache von mehr als 8.000 Krebstoten pro Jahr
übermäßiger Alkoholkonsum sein. So sagt es das Deutsche
Krebsforschungszentrum (DKFZ), das den Alkoholatlas herausgibt. Für 2022
erwartet das DKFZ, dass etwa 6.200 Männer und 2.100 Frauen an Krebs sterben
infolge von zu viel Alkohol.
Neben Krebs gibt es zahlreiche andere fiese Krankheiten: Fettleber,
Herz-Kreislaufprobleme, Schlaf- und Erektionsstörungen, hoher Blutdruck,
Konzentrationsstörungen, Gedächtnisprobleme. Auch das Sozialverhalten leide
laut DKFZ unter zu viel Alkohol, mit der Folge der sozialen
(Selbst)Ausgrenzung. Das widerspricht dann wiederum dem Glauben, dass
Alkohol gesellig macht.
## Pilates, Intervallfasten und 10.000 Schritte
Und es ist nicht so, dass vor allem Menschen sterben, die zu lange zu tief
ins Glas geschaut haben. Die meisten Todesfälle infolge von zu viel Alkohol
treten auf, wenn die Menschen zwischen 20 und 50 Jahre alt sind.
Nun mögen die DKFZ-Expert:innen ja noch so viel wissen über Schnaps und
seine Folgen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es vor allem
Mediziner:innen sind, die gegenüber Drogen aller Art nicht abgeneigt
sind. Lungenärzt:innen rauchen nicht selten sehr gern,
Internist:innen treffen sich schon mal in der Bar auf einen
standesgemäßen Whisky, Hausärzt:innen greifen mit Genuss nach einem
Barolo.
Trotzdem raten sie dazu, fast nichts oder wenigstens sehr wenig zu trinken,
und mindestens zwei alkoholfreie Tage in der Woche einzulegen. So sollten
Männer nicht mehr als ein kleines Bier, also etwa ein halber Liter, am Tag
trinken, und Frauen noch weniger, 0,3 Liter Bier oder ein Miniglas Wein. Im
Restaurant würde der Satz beim Bestellen dann lauten: „Bitte nur [8][0,1
von dem Vermentino,] bitte.“
Am besten aber, sagen die Fachleute, sei es, gar nichts mehr zu trinken. So
nach dem Motto: Nüchtern ist das neue Cool. Feiert Teepartys und schenkt
Smoothies aus! Im Sinne der Krebswissenschaftler:innen ist das
durchaus verständlich, im Sinne der Hardcoreschluckspechte erst recht. Aber
mal im Ernst: Da ist nun Sitzen schon das neue Rauchen und Zucker das neue
Sitzen. Man sollte Joggen, Yoga und Pilates machen, kein Fleisch mehr
essen, Kuchen meiden, Intervallfasten, 10.000 Schritte gehen und mindestens
zwei Liter Wasser am Tag in sich hineinschütten.
Und wenn Sie sich dann noch ganz doll anstrengen und 15 bis 35 Jahre
komplett nüchtern bleiben, senken Sie Ihr Krebsrisiko auf das einer Person,
die nie einen Tropfen Alkohol zu sich genommen hat. Kann man machen, wenn
man 100 werden will. Ach, Scheiß doch auf die ganze Selbstoptimierung, da
könnte ich auch gleich aufhören zu atmen. Prost!
16 Sep 2022
## LINKS
[1] https://www.dkfz.de/de/nationale-krebspraeventionswoche/alkoholatlas-2022.h…
[2] /Trinkfest-im-Osten/!5861733
[3] /Pfarrer-ueber-Oktoberfest/!5837658
[4] /Aus-Moscow-Mule-wird-Kiew-Mule/!5868627
[5] /Cuba-Libre-und-die-Linkspartei/!5863542
[6] /Destilleriebesuch-in-Schottland/!5874567
[7] /Alkoholkonsum-in-Deutschland/!5855030
[8] /Italienische-Kaffeespezialitaet/!5872836
## AUTOREN
Simone Schmollack
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