# taz.de -- Afghanistan-Demo in Berlin: „Holt sie raus“ | |
> Mehr als 2.000 Menschen fordern vor dem Bundestag eine Luftbrücke für | |
> Menschen in Afghanistan: Nicht nur für Ortskräfte, sondern für alle | |
> Gefährdeten. | |
Bild: Protest am Dienstagabend vor dem Reichtstag | |
BERLIN taz | Der emotionalste Moment auf dieser Demo ereignet sich am | |
Schluss. Eine Frau tritt auf die Bühne vor dem Bundestag und erzählt, dass | |
ihr Vater und ihre Schwester noch in Kabul seien. Sie kämen nicht zum | |
Flughafen. Immer wieder stockt sie; sie weint und schluchzt. „Wie können | |
meine Schwester, mein Bruder, mein Vater rausgehen aus Afghanistan?“ | |
Die Menschen, die am frühen Dienstagabend vor das Reichstagsgebäude in | |
Berlin gekommen sind, fordern von der Bundesregierung [1][mehr Einsatz für | |
die Menschen in Afghanistan]. Laut Veranstalter*innen sind es rund | |
3.000 Personen; die Polizei spricht in der Spitze von 2.200 Menschen. Sie | |
wollen eine Luftbrücke, um die in Afghanistan verbliebenen, gefährdeten | |
Menschen – Ortskräfte der Bundeswehr, aber auch Frauenrechtler*innen, | |
queere Menschen oder Demokratieaktivisti*innen – schnell und | |
unbürokratisch aus dem Land zu bringen. | |
Unter dem Motto „Schafft sichere Fluchtwege aus Afghanistan“ hatten | |
verschiedene Akteure erst am Morgen zu der Demonstration aufgerufen. | |
Beteiligt waren unter anderem die Initiativen Seebrücke, Migrantifa und der | |
Verein der afghanischen Diaspora in Berlin, Yaar. | |
Es sind mehr Menschen gekommen als erwartet. Irgendwann reicht der | |
gepflasterte Vorplatz nicht aus und die Demonstrierenden müssen auf die | |
Wiese vor dem Bundestag ausweichen. Auch von der Klimademo in Nähe, die | |
gerade vorbei ist, sind einige weitergezogen. | |
## „Man fragt sich, wo die Prioritäten sitzen“ | |
Redner*innen wie Besucher*innen stehen unter dem Eindruck der Bilder | |
der vergangenen Tage. Am Morgen war bekannt geworden, dass ein | |
Transportflugzeug der Bundeswehr gerade mal sieben Leute evakuiert hatte. | |
Eine 26-jährige Demoteilnehmerin, die sich Len nennt, regt das auf: | |
„Bundesinnenminister Seehofer freut sich an seinem 69. Geburtstag, dass 69 | |
Menschen nach Afghanistan abgeschoben werden, und dann heißt es, dass jetzt | |
sieben Personen ausgeflogen wurden. Da fragt man sich, wo die Prioritäten | |
sitzen.“ | |
Parallel zum Demoaufruf war auch eine [2][Petition] online gegangen, | |
„Rettung aller gefährdeten Menschen jetzt“ ist ihr Titel und zugleich die | |
zentrale Forderung. Rund 30.000 Unterschriften sind innerhalb von 24 | |
Stunden zusammengekommen. Dazu aufgerufen – und die Demonstration | |
mitorganisiert – hatten der Jurist Tilmann Röder sowie Kava Spartak, | |
Geschäftsführer von Yaar. | |
„Wir sind eine Initiative aus Menschen, die das gleiche Problem haben: Alle | |
haben eine Riesenliste an Leuten in Afghanistan, die uns seit Monaten | |
kontaktieren und sagen: ‚Ihr lasst uns im Stich. Wir kommen hier nicht | |
raus‘“, sagt Spartak. Er sei permanent in Kontakt mit Menschen vor Ort. | |
„Deutschland sollte eine Vorbildrolle übernehmen und darf sich nicht | |
rechter Rhetorik beugen. Jetzt von ‚Flüchtlingskrise‘ zu sprechen ist eine | |
Farce.“ Mehrere CDU-Politiker*innen hatten am Dienstag gefordert, dass sich | |
2015 – das Jahr, in dem sehr viele Geflüchtete nach Europa kamen – „nicht | |
wiederholen“ dürfe. | |
## Viele Exil-Afghaner*innen sind gekommen | |
Auch viele Mitglieder der afghanischen Diaspora sind zu dem Protest vor dem | |
Sitz des Bundestags gekommen. Mashallah etwa: Er ist 15 Jahre alt, wurde im | |
Irak geboren, wohin seine Eltern geflüchtet waren, und ist in Berlin | |
aufgewachsen. Dies ist die zweite Demo in seinem Leben. In Afghanistan war | |
er noch nie, auch wenn er es sich wünscht: „Mein Traum ist es, mein Land in | |
Frieden zu sehen.“ | |
Sala Mohammedi hingegen hat bis 2015 in Afghanistan gelebt. „Ich habe | |
gesehen, was die Taliban machen: Frauen dürfen nicht rausgehen, Frauen | |
dürfen nicht zur Schule gehen“, erzählt die 33-Jährige. Dass eine | |
[3][Generalamnestie wirklich geben] werde, die die Taliban wenige Stunden | |
zuvor verkündet haben, glaubt sie nicht: „Jetzt sagen sie zwar, es ist | |
okay. Aber später machen sie alles kaputt.“ | |
Um die Dringlichkeit zu verdeutlichen, fanden in sieben anderen deutschen | |
Städten am Dienstagabend Demos mit den gleichen Forderungen stattgefunden. | |
Hunderte Menschen haben etwa in Potsdam an einer Kundgebung teilgenommen. | |
Sie hielten am Landtag Plakate mit Aufschriften wie „Verantwortung & | |
Humanität statt Bürokratie“, „Save Afghanistan“ und „Luftbrücke jetz… | |
Der Kreisvorsitzende der Linken Potsdam, Roland Gehrmann, die die | |
Kundgebung organisiert hatten, sprach von etwa 350 Teilnehmern – deutlich | |
mehr als die ursprünglich erwarteten 200. In Köln kamen laut der | |
Veranstalter etwa 1.000 Menschen – ebenfalls deutlich mehr als erwartet. Am | |
Mittwoch sind sechs weitere Demonstrationen angekündigt. | |
18 Aug 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Der-Westen-und-Afghanistan/!5789790 | |
[2] https://www.change.org/p/heikomaas-bmvg-bundeswehr-luftbr%C3%BCcke-f%C3%BCr… | |
[3] /Afghanistan-nach-dem-Machtwechsel/!5794472 | |
## AUTOREN | |
Cristina Plett | |
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