# taz.de -- AfD und Geheimdienste: Schonfrist für die AfD! | |
> Der Verfassungsschutz steht kurz davor, die AfD als Verdachtsfall | |
> einzustufen. Es ist problematisch, Wahlentscheidungen auf diese Art zu | |
> beeinflussen. | |
Seit Hans-Georg Maaßen im Herbst 2018 [1][das Bundesamt verlassen] musste, | |
hat sich im Verfassungsschutzverbund ein neuer Umgang mit der AfD | |
durchgesetzt. Gerade hat der sächsische Verfassungsschutz den | |
AfD-Landesverband als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft – nach | |
Thüringen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt ist es der vierte. Auch die | |
Nachwuchsorganisation gilt als Verdachtsfall, die Strömung „Der Flügel“ um | |
den Thüringer Björn Höcke gar, vergleichbar mit der NPD, als erwiesen | |
rechtsextrem. | |
Hinzu kommt: Das Bundesamt entscheidet derzeit, nach zweijähriger Prüfung, | |
[2][über die Einstufung der Gesamtpartei]. Der amtliche Stempel | |
„wahrscheinlich rechtsextrem“ droht also auch hier – mit möglichen | |
negativen Konsequenzen bei zahlreichen Wahlen in diesem Jahr. | |
Nun spricht viel dafür, dass man die AfD mit guten Gründen auch in ihrer | |
Gesamtheit als rechtsextremen Verdachtsfall einstufen kann. Doch dass die | |
wohl positive Entscheidung des Bundesamtes durchgesickert ist, bevor sie | |
offiziell gefällt und verkündet wurde, wirft eine ganz andere Frage auf: | |
Darf mit einer Entscheidung des Verfassungsschutzes in einem Wahljahr | |
derart Politik gemacht werden? | |
In der AfD hat der Druck des Inlandsgeheimdienstes eine | |
selbstzerstörerische Dynamik in Gang gesetzt. Bislang eilte die Partei, die | |
ein Bündnis recht unterschiedlicher Strömungen ist, von Wahlerfolg zu | |
Wahlerfolg. Sie hatte Mandate und Stellen zu vergeben, auch Aufmerksamkeit | |
und den ein oder anderen Dienstwagen. | |
Der Erfolg übertünchte die parteiinternen Widersprüche. Will man mehr Markt | |
oder mehr Staat? Zielt man auf Regierungsbeteiligung oder | |
Fundamentalopposition? Ist zumindest eine zarte Abgrenzung vom | |
Rechtsextremismus gewünscht oder sieht man dort vor allem Verbündete? All | |
das ist intern äußerst umstritten. | |
## Krise legt Widersprüche offen | |
Die Krise, in der die Partei unter anderem coronabedingt und durch den | |
Druck des Verfassungsschutzes steckt, hat diese Widersprüche offengelegt. | |
Im Westen will man, etwas pauschal gesagt, die Einstufung durch den | |
Verfassungsschutz aus Angst vor der Marginalisierung unbedingt verhindern. | |
Deshalb haben Parteichef Jörg Meuthen und seine AnhängerInnen brachial | |
vermeintliche Schutzmaßnahmen durchgesetzt, darunter die offizielle | |
Auflösung des „Flügels“ und die Annullierung der Mitgliedschaft von Andre… | |
Kalbitz. | |
Für die andere Seite ist das ein Frontalangriff. Die Partei ist derzeit in | |
der schwierigsten Situation seit ihrer Gründung, eine Spaltung nicht mehr | |
ausgeschlossen. Mit der Entscheidung über die Einstufung könnte es zum | |
Showdown kommen. | |
Darüber kann man sich als Demokratin nur freuen. Doch leider gibt es bei | |
der Sache ein rechtsstaatliches Problem. Die Entscheidung des Bundesamts, | |
die Gesamtpartei als Verdachtsfall einzustufen, wurde vorab an Medien | |
durchgestochen, auch die taz berichtete. Die AfD klagte, weil sie sich | |
dadurch unzulässig im Parteienwettstreit benachteiligt sieht – und das zu | |
Beginn eines Superwahljahrs. | |
Abstrahiert man einmal kurz von der AfD und ihrer antidemokratischen | |
Kraft, muss man einräumen: An diesem Argument ist etwas dran. Mit einem | |
möglicherweise anstehenden Beschluss eines Geheimdienstes vor wichtigen | |
Wahlen die Entscheidung der BürgerInnen zu beeinflussen ist, gelinde | |
gesagt, problematisch. Man stelle sich nur einmal vor, es handelte sich um | |
eine linke Partei. | |
Die Rechtslage jedenfalls ist so: [3][Bis zur Entscheidung des Gerichts], | |
die vielleicht erst in vielen Monaten fällt, darf der Verfassungsschutz die | |
AfD zwar einstufen, aber öffentlich machen darf er dies nicht. Entscheidet | |
der Verfassungsschutz jetzt, könnte dies aber erneut durchsickern. | |
Und so kann man, selbst wenn man die Einstufung der AfD für begründet hält, | |
zu dem Schluss kommen: Es ist besser, wenn diese erst nach der | |
Bundestagswahl im September vollzogen wird. Selbst wenn das am Ende mehr | |
Stimmen für die AfD bedeuten könnte. Dagegen muss mit anderen Mitteln | |
gekämpft werden. | |
5 Feb 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Streit-um-Verfassungsschutzchef/!5536955 | |
[2] /AfD-und-Verfassungsschutz/!5742009 | |
[3] /Einstufung-durch-den-Verfassungsschutz/!5748273 | |
## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
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