# taz.de -- AfD-Politik gegen Flüchtlinge in Berlin: Rechte Opposition gegen d… | |
> Mehrere AfD-Stadträte verweigern anerkannten Flüchtlingen den | |
> Wohnberechtigungsschein. Der Senat fordert ein Einlenken – ist aber | |
> machtlos. | |
Bild: Wohnen im Muf statt in der Wohnung: neues Heim für Flüchtlinge in Marza… | |
Zwei AfD-Stadträte verweigern anerkannten Asylberechtigten die Ausstellung | |
von Wohnberechtigungsscheinen (WBS) und stellen sich damit offen gegen die | |
rot-rot-grüne Landesregierung. Sebastian Maack ist in Reinickendorf genau | |
wie Thomas Braun in Marzahn-Hellersdorf Stadtrat für Bürgerdienste und | |
damit für die Ausstellung eines WBS in den jeweiligen Bezirken politisch | |
verantwortlich. | |
„In Reinickendorf werden Wohnberechtigungsscheine (WBS) weiterhin nur an | |
Zuwanderer mit rechtsgültiger Aufenthaltsgenehmigung ausgestellt. Eine | |
Initiative der Senatsverwaltung, diese schon bei Zuerkennung der | |
Flüchtlingseigenschaft auszustellen, wird abgelehnt“, schreibt Maack in | |
einer Pressemitteilung. | |
Hinter diesem komplizierten Juristendeutsch steckt ein Dilemma der | |
Verwaltung: Spricht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einem | |
Asylbewerber Asyl zu, so stellt es eine Bescheinigung über die | |
„Flüchtlingseigenschaft“ aus. Danach dauert es Monate, bis die | |
Ausländerbehörde es schafft, demjenigen eine Aufenthaltserlaubnis in | |
elektronischer Form zu geben. Ein Sprecher der Innenverwaltung spricht | |
gegenüber der taz von rund 14 Wochen Wartezeit. Flüchtlingsberater wie | |
Klaus-Jürgen Dahler aus Marzahn-Hellersdorf sprechen hingegen von „einem | |
Jahr und länger“. | |
Der taz liegt eine Bescheinigung der Ausländerbehörde vom letzten Monat | |
vor, wonach ein Asylberechtigter erst im Mai 2018 seine elektronische | |
Aufenthaltserlaubnis erhalten soll. Grund der Verzögerung sind Engpässe in | |
der Ausländerbehörde und in der Bundesdruckerei. Während dieser Wartezeit | |
erhalten anerkannte Asylberechtigte in Marzahn-Hellersdorf und | |
Reinickendorf keinen WBS und haben damit keine Möglichkeit, eine staatlich | |
geförderte preiswerte Wohnung zu erhalten. Anders als Maack bestätigt | |
Stadtrat Braun aus Marzahn-Hellersdorf dies für seinen Bezirk zwar nicht – | |
dementiert es aber auch nicht. | |
Flüchtlingsberater Klaus-Jürgen Dahler, gleichzeitig Bezirksverordneter der | |
Linken im Bezirk, kennt zahlreiche Fälle, wo auch in Marzahn-Hellersdorf | |
anerkannte Flüchtlinge keinen WBS erhielten. „Den betroffenen Flüchtlingen | |
wird nicht einmal ihr Antrag auf einen WBS abgenommen, so dass sie sich | |
auch juristisch nicht gegen die Verweigerung wehren können.“ Mehreren | |
Flüchtlingen, denen Dahler eine Wohnung vermitteln wollte, konnten dieses | |
Angebot nicht annehmen, weil sie den WBS nicht bekamen. | |
Die Senatskanzlei hat Mitte Dezember in einem Schreiben an die Bezirke | |
klargestellt, dass das Schreiben des Bundesamtes für die Ausstellung eines | |
WBS ausreichend ist, auch wenn die elektronische Karte noch nicht vorliegt. | |
Die Senatskanzlei schrieb, dass bei einer „weiteren Verweigerungshaltung“ | |
einzelner Bezirke den Antragstellern Nachteile entstehen. | |
Die AfD-Stadträte stellen sich mit ihrer Verweigerung offen gegen den | |
Senat. Er könne die Rechtsinterpretation des Senates nicht nachvollziehen, | |
schreibt Stadtrat Maack aus Reinickendorf. Schließlich müsse die | |
Ausländerbehörde ja erst einmal prüfen, ob eine Ausweisung „aus | |
schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ infrage | |
käme. Flüchtlingsberater bezeichnen das Argument als „blödsinnig“. | |
Aber auch Flüchtlinge mit einem sogenannten subsidiären Schutzstatus | |
erhalten in Marzahn-Hellersdorf keinen WBS. Ein subsidiärer Schutzstatus | |
ist ein geringer Schutzstatus, den aber immer mehr Syrer und Eritreer | |
erhalten, wenn sie eine individuelle politische Verfolgung nicht nachweisen | |
können. | |
Hier bestätigt AfD-Stadtrat Thomas Braun der taz seine | |
Verweigerungshaltung. Die Ausstellung eines WBS für Flüchtlinge mit | |
subsidiärem Schutzstatus sei „nicht gesetzeskonform“, behauptet er. Braun | |
räumt ein, dass in den Bezirken hierzu unterschiedliche Auffassungen | |
bestehen. Klaus-Jürgen Dahler von den Linken widerspricht scharf der | |
Behauptung von Braun, es sei rechtlich gar nicht möglich, Flüchtlingen mit | |
subsidiärem Schutz einen WBS auszustellen. „Meine Fraktion wird darum im | |
März beantragen, dass er den betroffenen Flüchtlingen einen WBS geben | |
muss.“ | |
Die grüne Flüchtlingspolitikerin Canan Bayram, von Beruf Juristin, | |
unterstützt Dahler. „Es ist rechtens, Flüchtlingen mit subsidiärem Schutz | |
einen WBS zu geben. Es ist aber auch rechtens, das nicht zu tun. Das liegt | |
im Ermessen des Amtes.“ Rot-Rot-Grün hätte im Koalitionsvertrag vereinbart, | |
dass diese Flüchtlinge einen WBS bekommen sollen. Bayram: „Bausenatorin | |
Katrin Lompscher muss jetzt den Willen der Koalitionäre rechtsverbindlich | |
an die Bezirke weitergeben.“ | |
Lompschers Sprecherin Katrin Dietl zufolge ist das „Teil des | |
100-Tage-Programms des Senats. Die Abstimmung wird innerhalb der nächsten | |
Wochen abgeschlossen sein“, erklärt sie. | |
Der Flüchtlingsrat kennt auch Fälle aus Charlottenburg-Wilmersdorf, wo | |
anerkannte Asylberechtigte keinen WBS erhalten. Dort ist kein AfD-Mann | |
Stadtrat für Bürgerangelegenheiten, sondern der CDU-Mann Arne Herz. Der | |
ließ eine Frage der taz dazu unbeantwortet. | |
7 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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