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# taz.de -- Abstimmung über Unabhängigkeit: Kurden droht Isolation
> Bagdad ordnet den Stopp von Flügen an. Türkei und Iran drohen mit
> Grenzschließungen – und letztlich mit dem Einmarsch ihrer Armeen.
Bild: Kurdische Wahlhelferinnen in einem Wahllokal in Erbil
BERLIN taz | „Wir werden niemals einen unabhängigen Kurdenstaat
akzeptieren, eher wird die türkische Armee marschieren.“ So reagierte der
türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan auf das Referendum der Kurden im
Nordirak, die am Montag mit großer Mehrheit (92,7 Prozent) ihren Wunsch
nach einem unabhängigen kurdischen Staat bekräftigt haben.
Während der Präsident der kurdischen Autonomieregion, Masud Barsani
verkündet, die Kurden träten nun in eine neue Phase ihrer Geschichte ein,
sehen sie sich weltweit – einzige Ausnahme ist Israel – mit harscher Kritik
konfrontiert. Von der UNO über die USA, die EU und Russland warnen alle vor
einem Auseinanderbrechen des Irak und einem möglichen neuen Bürgerkrieg in
dem vom Krieg völlig zerrütteten Land.
Am massivsten aber reagierten neben der Zentralregierung in Bagdad die
unmittelbaren Nachbarn der Kurden. Sowohl der Iran, Syrien, vor allem aber
die Türkei geben nicht nur ihr Missfallen zu Protokoll, sondern drohen mit
weitreichenden Konsequenzen. Während Bagdad den Einsatz der Armee gegen die
kurdischen Separatisten nicht ausschließt und dabei vor allem die ölreiche
Provinz Kirkuk im Auge hat, drohen der Iran und die Türkei mit
Grenzschließungen, Wirtschaftssanktionen und letztlich sogar mit einem
Einmarsch ihrer Armeen.
Die Türkei ist der Schlüssel zu einem wirtschaftlich überlebensfähigen
kurdischen Staat. Sollte Erdoğan den Transport kurdischen Öls über die
Türkei unterbinden und zugleich die Grenze zur Autonomiezone schließen,
gehen dem Land nicht nur das Geld, sondern auch die Lebensmittel aus, die
ganz überwiegend aus der Türkei nach Erbil und andere kurdische Städte
gebracht werden.
Kurdenpräsident Barsani war vor dem Referendum klar, dass er Erdoğan damit
provozieren würde, doch in Erbil geht man davon aus, dass letztlich auch
die türkische Regierung weiterhin ein Interesse daran hat, mit dem
konservativen Barsani zusammenzuarbeiten, da die Autonomieregierung bislang
die Regierung in Ankara im Kampf gegen die türkisch-kurdische PKK-Guerilla
unterstützt hat.
## Maximale Drohgebärden
Erst einmal setzt Erdoğan aber auf die maximale Drohgebärde. An der Grenze
zum irakischen Kurdengebiet ist die türkische Armee mit starken Verbänden
aufgefahren, die sich auf eine Invasion vorbereiten. Seit Dienstag sind
auch irakische Spezialkräfte an der türkischen Militärübung beteiligt.
Türkische Medien gehen davon aus, dass diese Spezialkräfte die Sicherung
der Grenze auf der irakischen Seite übernehmen sollen, die bislang von
kurdischen Kämpfern besetzt ist.
Offenbar will die irakische Zentralregierung mit dem Iran und der Türkei
die Kurden zunächst von der Außenwelt abschneiden. Neben Grenzschließungen
verlangt Bagdad, dass die Autonomieregierung die Kontrolle ihrer beiden
Flughäfen an die Zentrale abgibt. Bagdad fordert internationale
Fluggesellschaften auf, diese Flughäfen nicht mehr anzufliegen.
Ob die Isolierung gelingt, hängt auch von den USA und Russland ab.
Washington hatte vor dem Referendum immer wieder versucht, Barsani davon
abzubringen, und Bagdad im Gegenzug aufgefordert, den Kurden beim Poker um
die Öleinnahmen entgegenzukommen. Die USA sind kategorisch gegen eine
Teilung des Irak, wollen aber auch verhindern, dass es zu Kämpfen zwischen
den Kurden und Bagdad kommt.
Ähnlich äußerte sich Putin, der Donnerstag in Ankara erwartet wird. Man
könne die nationalen Ambitionen der Kurden verstehen, hieß es im Kreml,
eine Teilung des Irak würde aber den Nahen Osten destabilisieren.
27 Sep 2017
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
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