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# taz.de -- Abgeschoben aus der Psychiatrie: Vor der Klinik wartet die Polizei
> Osnabrück hat Lame K. abgeschoben – aus einer Klinik, in der der
> 34-Jährige wegen Suizidgefahr Hilfe gesucht hatte. Die Stadt sieht sich
> im Recht.
Bild: Unter Einsatz drastischer Mittel, sagen AktivistInnen: Die Polizei bringt…
Osnabrück taz | Es war eine Geste bitterer Empörung: Am vergangenen
Donnerstagabend zog in Osnabrück eine Demo von „No Lager“, einer
antirassistischen Gruppe mit Fokus auf Migration und Asyl, vor die
Ausländerbehörde. Es ging um die [1][Abschiebung] von Lame K.* nach Gambia.
Zwei Tage zuvor war der 34-Jährige aus der Osnabrücker Ameos-Klinik geholt
worden, in der er wegen Suizidgefährdung Hilfe gesucht hatte. K. lebt seit
2017 in Osnabrück, nach einem gescheiterten Asylantrag in Duldung.
Videos und Fotos von [2][No Lager] zeigen Szenen der Gewalt: Bei dem
Polizeieinsatz fixieren Uniformierte K. am Boden, er trägt Handschellen.
„Kill me!“ ruft er immer wieder. Solidarische AktivistInnen werden von
Polizisten angebrüllt, zurückgestoßen, eingekesselt und niedergerungen.
„Am Ende waren rund 30 Polizisten vor Ort“, beschreibt No-Lager-Aktivist
Carl Dütting* den verstörenden Vorfall. „Von uns ging keine Eskalation aus.
Dennoch wurden einige von uns unter dem Vorwurf des Widersetzens gegen
Vollstreckungsbeamte, also einer Straftat, festgenommen. Auf der Wache
wurden wir auf eine Zelle verbracht und anschließend einer
erkennungsdienstlichen Maßnahme unterzogen.“
## Halfen Klinikmitarbeitende?
Die Klinik hat die Abschiebung unterstützt. Ein Video zeigt eine
Mitarbeiterin, die den Rollstuhl bringt, in dem K. zum Fahrzeug geschoben
wird. Krankenhauspersonal, erklärt No Lager, habe Protestierende auch mit
Worten fernzuhalten versucht. „Abschiebungen aus Schutzräumen wie
Krankenhäusern erschüttern das Vertrauen in medizinische und therapeutische
Einrichtungen massiv“, schreibt Muzaffer Öztürkyilmaz, Geschäftsführer des
[3][Flüchtlingsrats Niedersachsen].
Nur Tage vor dem Polizeieinsatz war K. vom Landgericht aus einer
rechtswidrigen Abschiebungshaft entlassen worden: Die Gefahr, dass der
34-Jährige sich den Behörden entziehe, bestehe nicht, fand das Gericht. Die
drohende Abschiebung habe „starke Ängste“ bei K. ausgelöst, erklärt der
Niedersächsische Flüchtlingsrat. Die Maßnahme hätte „unter diesen Umstän…
niemals stattfinden dürfen“. Die Härte gegen No Lager bezeichnet der
Flüchtlingsrat als „völlig unverhältnismäßig“ und „Kriminalisierung�…
„Unsere Mitarbeitenden begleiteten die betroffene Person zur
psycho-sozialen Unterstützung während der Abholung durch die Polizei“,
antwortet Kliniksprecherin Verena Mack auf Anfrage der taz. Mitarbeitende
der Klinik hätten nicht versucht, ZeugInnen des Geschehens fernzuhalten.
Vielmehr hätten diese sich „immer weiter genähert, unsere Mitarbeitenden
lautstark und teilweise bis aufs Übelste beschimpft“, so Mack.
Seit dem Jahr 2018 sei K. verpflichtet gewesen, Rückreisepapiere zu
beschaffen, so Simon Vonstein, [4][Sprecher der Stadt Osnabrück]. „Daran
wurde er durch die Ausländerbehörde insgesamt 26 Mal erinnert.“ Er habe
sich „mehrmals Abschiebeversuchen entzogen“. Ein Folgeantrag auf Asyl sei
vergangenes Jahr gescheitert. „Psychische Erkrankungen hat er beim Stellen
dieses Antrages nicht geltend gemacht.“
Am 21. Januar habe die Ausländerbehörde K. dann aufgefordert, sich auf
seine Ausreise eine Woche später vorzubereiten. K. ging ins Klinikum –
gegen die Abschiebung half das nicht. „Die Entlassungspapiere des
Ameos-Klinikums“, so Vonstein, „beinhalten keine Hinweise, dass
gesundheitlich etwas dagegen spricht.“
## „Krank,nicht nur psychisch“
„Das alles ist sehr frustrierend, sehr undurchsichtig“, sagt K.s Anwältin
Claire Deery. „Mein Mandant hat sich den Behörden gegenüber immer
vorbildlich verhalten, deswegen wurde er ja auch aus der Haft entlassen. Er
hatte eine Verlobte hier in der BRD, war nicht gewalttätig. Aber er war
krank, nicht nur psychisch. Dass man ihn so aus einer Klinik herausholt,
ist schlimm.“
Die Klinik hätte K. als nicht reisefähig einstufen können, so Deery. „Sie
hat meinen Mandanten ausgerechnet in dem Moment entlassen, als bei ihr die
Polizei vor der Tür stand.“ Vor seinem Klinikaufenthalt sei K. von einem
Facharzt behandelt worden. Darüber gebe es einen Arztbrief. Das Klinikum
habe ihn gekannt, auch die Ausländerbehörde. „Diese Sicht wurde ignoriert.�…
Deery beschreibt ihren Mandanten als traumatisiert: „Er hatte ja schon
vorher zwei Abschiebeversuche erlebt. Beide sind an Krankheitsgründen
gescheitert, beide waren nicht gewaltfrei.“ Der dritte nun gelang. Für eine
Rückkehr K.s kann Deery nichts tun. „Aber natürlich gibt es noch Fragen,
zumal datenschutzrechtliche. Da brauchen wir Antworten.“
Jetzt lebt K. wieder in [5][Gambia], einem Land, aus dessen Armut und
Gewalt er einst floh: [6][über Libyen], wo er monatelang Opfer
erpresserischen Kidnappings wurde, mit Folter und Hunger.
Seine Abschiebung beschreibt er gegenüber der taz als „absolut
inhuman“.Erst habe man ihm im Krankenhaus eine Behandlung seiner
Posttraumatischen Belastungsstörung zugesagt. Später habe ein Arzt gesagt,
er könne nicht „aus politischen Gründen“ hier sein. „Ich habe gesagt, m…
Krankheit hat nichts mit Politik zu tun“, so K. – nicht viel später kam die
Polizei.
Ein Arzt und drei Polizisten hätten ihn nach Gambia gebracht, so K. Kein
Arzt habe ihn abgeholt, was ihm zugesagt worden sei. Am Flughafen seien ihm
seine Papiere abgenommen worden. Er habe keinen festen Schlafplatz, erzählt
er, und von Alpträumen, Kriminalität, Chancenlosigkeit. Davon, dass er sich
Gerechtigkeit wünscht – und eine Rückkehr nach Deutschland.
Was die Zukunft für ihn bereithält? „Nichts“, schreibt K. „Ich habe kei…
Hoffnung. Ich kann hier jede Minute sterben.“
*Name ist der Redaktion bekannt
3 Feb 2025
## LINKS
[1] /Abschiebung/!t5010216
[2] https://nolageros.noblogs.org/
[3] https://www.nds-fluerat.org/
[4] https://informiert.osnabrueck.de/de/sachgebiet-kommunikation/
[5] /Gambia/!t5285344
[6] /Fluchtrouten/!t5293911
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
## TAGS
Abschiebung
Osnabrück
Psyche
Duldung
Polizei
Flucht
Social-Auswahl
Abschiebung
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