# taz.de -- Abschiebung trotz Integration: Werdender Vater soll in den Irak zur… | |
> Wenige Tage vor seinem Integrationstest wurde der Kurde Mustafa N. in | |
> Abschiebehaft genommen. Der Flüchtlingsrat kritisiert das Vorgehen der | |
> Behörden. | |
Bild: Im Irak, wie hier in Erbil, gibt es noch immer bewaffnete Auseinandersetz… | |
Hamburg taz | Mustafa N. hat sich ein neues Leben in Niedersachsen | |
aufgebaut. Seit mehr als sechs Jahren lebt der Kurde, der aus der Autonomen | |
Region Kurdistans im Norden Iraks kommt, in Deutschland, zuletzt im | |
Landkreis Harburg. Nun soll der 27-Jährige in den Irak [1][abgeschoben | |
werde]n und wurde in Abschiebehaft genommen. Der Flüchtlingsrat | |
Niedersachsen und Penager, die bundesweite Online-Beratungsstelle für | |
Geflüchtete, [2][fordern einen umgehenden Stopp der geplanten Abschiebung]. | |
Als Mustafa N. am 29. April festgenommen worden ist, stand er kurz davor, | |
alle Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis zu erfüllen. In der | |
Woche nach seiner Festnahme hätte er den Integrationstest „Mein Leben in | |
Deutschland“ absolvieren sollen, für den er bereits angemeldet war. | |
Laut Simon Wittekindt vom Flüchtlingsrat Niedersachsen verfügt Mustafa N. | |
„zweifelsohne über die notwendigen [3][Grundkenntnisse der Rechts- und | |
Gesellschaftsordnung sowie der Lebensverhältnisse in Deutschland]“. | |
Außerdem spreche und schreibe er sicher in der deutschen Sprache. Der | |
Abschluss eines Sprachzertifikats auf Niveau B1 stand auch kurz bevor, auch | |
wenn dieser für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gar nicht | |
erforderlich ist. „Wir fordern daher, Mustafa N. die Teilnahme am | |
Integrationstest und an der Sprachprüfung zu ermöglichen und ihm ein | |
Aufenthaltsrecht zu erteilen“, sagt Wittekindt der taz. | |
## Arbeitserlaubnis entzogen | |
Mehr als zweieinhalb Jahre arbeitete Mustafa N. in der Gastronomie und | |
sorgte so für seinen Lebensunterhalt. Dann wurde ihm die Arbeitserlaubnis | |
entzogen. Laut Mustafa N. mit der Begründung, er solle sich vorerst auf | |
Sprach- und Integrationskurse konzentrieren. Das niedersächsische | |
Innenministerium ließ eine Nachfrage des taz dazu unbeantwortet. Seine | |
Partnerin, die in Süddeutschland lebt, und mit der er eine Fernbeziehung | |
führt, ist im fünften Monat schwanger. Auch ihr droht die Abschiebung. | |
Grund für die bevorstehende Abschiebung sei, sagt Wittekindt, dass Mustafa | |
N. die Anforderungen zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht erfüllt | |
habe.Der 27-Jährige sei ein paar Tage unabgemeldet nicht in seiner | |
Unterkunft gewesen. „Dabei ist er stets zu allen Terminen erschienen“, sagt | |
Wittekindt. Bei einem solchen Termin wurde er dann festgenommen. Am | |
Folgetag ordnete ein Richter des Amtsgerichts Hannover die Abschiebehaft | |
an. | |
Derzeit ist Mustafa N. in der Abteilung Langenhagen der | |
Justizvollzugsanstalt Hannover inhaftiert. Räumlich werden Menschen, denen | |
die Abschiebung droht, von anderen Vollzugsformen getrennt. Außerdem sind | |
täglicher Besuch, mehrstündiger Aufenthalt im Freien, Internetzugang und | |
Handybesitz möglich. Dennoch gab es in der Vergangenheit Kritik an der | |
gleichzeitigen Unterbringung von Gefangenen im Strafvollzug und Menschen in | |
Abschiebehaft, da trotz der speziellen Haftbedingungen von einer | |
sogenannten Übersicherung auszugehen sei. | |
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen kritisiert das Vorgehen der | |
Ausländerbehörde und des Innenministeriums scharf. Während das | |
Innenministerium die Durchführung prüft, hält die Ausländerbehörde an ihrem | |
Vorgehen fest. | |
## Irak gilt als unsicheres Land | |
Abschiebungen [4][in den Irak] sind in Deutschland umstritten. Der Irak | |
gilt noch immer als unsicheres Land, von Reisen rät das Auswärtige Amt ab. | |
Es müsse landesweit mit schweren Anschlägen und offenen bewaffneten | |
Auseinandersetzungen gerechnet werden, so die Begründung. | |
Immer wieder gab es Phasen, in denen Abschiebungen in den Irak ausgesetzt | |
wurden. Im April 2024 entschied das niedersächsische Innenministerium, | |
[5][Abschiebungen in den Irak] wiederaufzunehmen. Bereits diese | |
Grundsatzentscheidung hält der Flüchtlingsrat für falsch, und fordert, sie | |
rückgängig zu machen. Den konkreten Fall hält Wittekindt für einen Skandal: | |
„Die Abschiebung eines werdenden Vaters stellt eine erhebliche Gefahr für | |
das Leben und die körperliche Unversehrtheit von Herrn N. dar.“ | |
Der genaue Zeitpunkt der Abschiebung steht bisher noch nicht fest. Die Haft | |
wurde bis zum 10. Juni angeordnet. Mustafa N. hat über einen Rechtsanwalt | |
Beschwerde eingelegt. Diese könne sich laut Wittekindt aber bis zu zwei | |
Jahre ziehen. Eine Abschiebung sei in dieser Zeit dennoch möglich. | |
21 May 2025 | |
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[1] /Abgeschoben-aus-der-Psychiatrie/!6063467 | |
[2] https://www.nds-fluerat.org/62416/aktuelles/fluechtlingsrat-kritisiert-land… | |
[3] /Auslaenderbehoerde-agiert-fragwuerdig/!6066967 | |
[4] /Innenminister-zur-Migrationspolitik/!6050110 | |
[5] /Ezidinnen-ueber-den-Voelkermord/!6027492 | |
## AUTOREN | |
Karoline Gebhardt | |
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