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# taz.de -- 75 Jahre Alpbacher Forum: Die neue Komplexität
> Forschende diskutieren auf dem Alpbacher Forum, wie Politik und
> Gesellschaft mit der zunehmenden Unübersichtlichkeit umgehen soll.
Bild: Weltumspannende Netzwerke der Kommunikation durchdringen alle Lebensberei…
Berlin taz | Die Welt wird komplexer. Die Vielfalt nimmt zu, was an sich
positiv ist, aber bei Krisen kann die Vernetztheit auch zum
Brandbeschleuniger werden. Eine neue Widerstandsfähigkeit oder Resilienz
ist gefragt; in Coronazeiten umso dringender. Wie Wissenschaft und
Gesellschaft mit den Herausforderungen der Komplexität umgehen können, ist
das Thema des neuen Jahrbuchs zu den Alpbacher Technologiegesprächen, das
Donnerstag in Wien vorgestellt wurde.
Das [1][Europäische Forum Alpbach (EFA)], eine internationale
Thinktank-Veranstaltung im idyllischen Tirol, wollte 2020 sein 75-jähriges
Bestehen eigentlich mit ganz großem Bahnhof feiern. Die Coronapandemie hat
das jedoch zunichte gemacht. Das sonst mehrwöchige Programm zu Wissenschaft
und Technologie, Medizin, Politik, Wirtschaft und Kultur wurde auf ein
Rumpfformat zusammengestrichen. Statt Tagesveranstaltungen mit früher 5.000
Teilnehmern sind in den österreichischen Alpen jetzt maximal 200 Personen
zugelassen. Die meisten Vorträge und Debatten finden vom 23. August bis 3.
September im Internet statt [2][(2020.alpbach.org)].
Mit dem neuen Zusammenhalten unter komplexen Bedingungen beschäftigten sich
vom 27. bis 29. August auch die Wissenschaftler und Innovationsexperten in
den Alpbacher Technologiegesprächen, die vom AIT Austrian Institute of
Technology ausgerichtet werden. Programm-Highlights sind künstliche
Intelligenz, Klima- und Umweltthemen und Komplexitätsforschung.
„Unsere Gesellschaft und unser Wirtschaftssystem sind von einer hohen
Konnektivität geprägt“, erklärt der Herausgeber des Jahrbuchs Hannes
Androsch. Dazu gehören weltumspannende Netzwerke des Handels und der
Kommunikation bis hin zu Social Media, die alle Lebensbereiche durchdringen
und auch neue Lebensstile und Verhaltensmuster entstehen lassen.
Die Wissenschaft als Vordenkerin hat zunächst die „Basics“ zu klären:
Komplexität, so unterschiedlich sie sich auch darstellt, ist durch
bestimmte Gemeinsamkeiten gekennzeichnet. Dazu zählt die Existenz von
„Kipppunkten“, mit denen das System in einen neuen Zustand gerät und der
sich nicht mehr revidieren lässt.
## Kaskadeneffekte vorhersagen
Im Klimasystem gilt als ein solcher ökologischer Kipppunkt das [3][Auftauen
der Permafrostböden] in Russland und Kanada, was riesige Mengen an
klimawirksamem Methangas in die Atmosphäre entlassen würde. Andere
Komplexelemente sind „Kaskadeneffekte“ – bei denen sich ein Schneeball be…
Herabrollen zur Lawine auswächst – oder „nichtlineare Veränderungen“, w…
sie aktuell in der Coronapandemie zu beobachten sind.
Die neue Unübersichtlichkeit führt zu Ungewissheit und Unsicherheit,. „Sie
erschwert auch die Steuerung von komplexen Systemen durch politische
Entscheidungen“, bemerkt Androsch, der dem AIT-Aufsichtsgremium angehört
und früher einmal Finanzminister in Österreich war. „Wir benötigen daher
dringend neue Methoden, um komplexe Systeme erfassen und analysieren zu
können.“ Für diesen jungen Wissenschaftszweig der Komplexitätsforschung
wurde bereits vor einigen Jahren der „Complexity Science Hub (CSH) Vienna“
ins Leben gerufen.
Als eine wichtige Errungenschaft der Komplexitätsforschung bezeichnet
Stefan Thurner, Universitätsprofessor für die Wissenschaft Komplexer
Systeme an der Medizinischen Universität Wien und Leiter des Complexity
Science Hub Vienna, die Erkenntnis der Relevanz der sogenannten
Skalierungsgesetze. „Wird ein komplexes System größer, gibt es oft typische
Veränderungen der Eigenschaften, etwa wenn man die Zahl der Einwohner einer
Stadt und das Einkommen der Menschen vergleicht“, erklärt Turner. Je größer
eine Stadt ist, umso höher ist im Schnitt auch das Pro-Kopf-Einkommen, und
zwar höher, als es ein linearer Zusammenhang erwarten ließe.
Umgekehrt verhält es sich laut Turner beim Energieverbrauch: „Wird eine
Stadt doppelt so groß, braucht man nicht doppelt so viel Energie für ihre
Versorgung, sondern deutlich weniger.“ Diese Einsicht erlaube einen völlig
neuen Umgang mit Städtebau und Urbanisierung, eine zentrale Herausforderung
des 21. Jahrhunderts. Turner: „Die innovativen Erkenntnisse im Bereich
Urbanisierung der letzten Jahre kommen aus der Komplexitätsforschung.“
23 Aug 2020
## LINKS
[1] /Studie-ueber-Betrueger-im-Internet/!5620111
[2] https://2020.alpbach.org/
[3] /Klimawandel-in-der-Arktis/!5699910
## AUTOREN
Manfred Ronzheimer
## TAGS
Think tank
Vernetzung
Forschung
Technologie
Nachhaltigkeit
Innovation
Cyberkriminalität
künstliche Intelligenz
Automatisierung
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