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# taz.de -- Furcht vor dem Faschismus: Wie lange warten?
> Das Leben der meisten Menschen in den USA ändert sich durch Trumps
> Autoritarismus kaum. Für andere hingegen verändert sich alles.
Bild: Warten, bis es nicht mehr geht, ob an den Tafeln in den USA oder bis zur …
Es war während der Stadtbild-Debatte, als ein junger Vater mit
ausländischen Wurzeln in einem Gespräch zu mir sagte: Wenn er sich
historische Berichte aus der Zeit der 1930er Jahre anschaue, frage er sich
manchmal, warum die Menschen, die damals von den Nationalsozialisten
bedroht waren, nicht gegangen sind, als sie noch konnten. Und dann frage er
sich: Sind das heute wir?
Es war ein bedrückender Gedanke, den er da aussprach. Wie lang soll man
warten? Wie lang Hoffnung bewahren? In den USA verstecken Hunderttausende
von eingewanderten Menschen sich und ihre Kinder zu Hause, damit sie nicht
verschleppt werden. Viele von ihnen werden sich vielleicht auch fragen:
Droht noch Schlimmeres als die gewaltsame Abschiebung? Wann ist es Zeit, zu
gehen?
In vielen Gesprächen, die ich zurzeit führe, spielt Angst vor dem kommenden
Jahr eine Rolle. Fünf Landtagswahlen, drei Kommunalwahlen – jede Wahl,
jedes Ereignis, jeder Fehler der Bundesregierung eine Gelegenheit für die
Autoritären, an Macht zu gelangen und ihre Vorstellungen von Staatlichkeit
durchzusetzen. Mit autoritärer Staatlichkeit geht stets
institutionalisierte Grausamkeit einher, sowohl innen- als auch
außenpolitisch. In Echtzeit ist das in den USA zu beobachten, aber auch in
Ungarn, der Slowakei, in Serbien, in Russland, in allen autoritären Staaten
dieser Erde.
Vor einigen Monaten fragte ich einen Freund, der im Staatsdienst ist, was
er tun würde, wenn die AfD regiert. Nach einer kurzen Pause sagte er: Ich
habe eine Familie, ich habe Verpflichtungen, ich kann es mir finanziell
nicht leisten, zu gehen. Er ist den autoritären Ideen der AfD nicht
zugeneigt, im Gegenteil – er verabscheut sie. Er setzt sich für
Gleichberechtigung und gegen Rassismus ein, er gendert, er ordnet sich dem
progressiven Lager zu. Was ich denn machen würde, wenn die AfD regiert,
fragte er mich. Ich lachte. Ich weiß dann nicht mal, ob ich noch einen
deutschen Pass haben werde, antwortete ich. Die Union will
Doppelstaatler:innen ja ausbürgern. Wenn sie mit der AfD regieren,
steht nur noch das Bundesverfassungsgericht im Weg. Und was mit einem
obersten Gericht passieren kann, lässt sich in den USA beobachten.
In seinem Podcast sagte der New-York-Times-Journalist Ezra Klein einmal,
dass in den USA unter Donald Trump Faschismus herrsche, der „ungleich
verteilt“ sei („fascism unevenly distributed“). Auf das Leben der meisten
Menschen hat es (zumindest oberflächlich) keinerlei Auswirkung, dass eine
autoritäre Regierung das Land beherrscht. Für andere hingegen hat sich
alles verändert. Sie werden von ICE durch die Straßen gejagt, sie werden
wochen- und monatelang in unmenschlichen Haftanstalten festgehalten, sie
werden für immer von ihren Familien, ihren Kindern und ihren Freund:innen
getrennt, sie werden ihrer Würde beraubt, ihnen wird das Recht auf
Selbstbestimmung genommen. [1][Eingewanderte, geflüchtete Menschen,
Menschen ohne Papiere], sie leben schon heute in einem autoritären Staat.
Während sich für ihre Nachbar:innen nichts geändert hat.
Wie also [2][Hoffnung bewahren]? Diese Fragen stellen sich viele. Auch
Menschen, die politisch aktiv sind, die sich demokratisch engagieren, die
weiterhin in einem freien Staat leben wollen, sind zunehmend zermürbt und
ermüdet. Deswegen ist es wichtig, auch die anderen Geschichten zu erzählen.
Geschichten wie die von der Oma gegen Rechts, die von Brandenburg bis nach
Gießen fuhr, um [3][gegen die neue AfD-Jugend zu demonstrieren]. Die mir
empört erzählte, dass sie und die anderen „Omas“ mit Rollatoren im
Demonstrationszug gelaufen sind, und dann (da wurde sie laut) werden sie
vom Bundeskanzler als Linksextreme beschimpft! Sie war so erzürnt, dass ich
lachen musste und dachte: Zum Glück ist sie auch noch da.
Geschichten von den vielen Medienschaffenden, die sich in den
öffentlich-rechtlichen und in anderen Medienhäusern gegen den Druck so
mancher Vorgesetzter wehren, nicht zu kritisch gegenüber konservativen und
rechten Politiker:innen zu sein; die jeden Tag für Differenzierung,
für kritischen Journalismus und für die guten Geschichten streiten.
Geschichten von den unzähligen Menschen, die sich in ihren Gemeinden
engagieren, die Ältere in Heimen besuchen; die Menschen, die neu ankommen,
Rat geben; die Ehrenämter ausfüllen; die Lesungen organisieren; die
Suchtkranken helfen; die kommunalen Ämter übernehmen, um das Leben vor Ort
besser zu machen; die Räume des Miteinanders schaffen. Ich reise viel im
Land umher, und bin immer wieder überwältigt, wie viele Menschen sich
darüber den Kopf zerbrechen, wie sich die Gesellschaft ein Stückchen besser
machen lässt.
## Autoritäre Kräfte leben vom Negativen
Es mag angesichts der Größe der drohenden autoritären Welle scheinen, dass
es nicht viel sei. Das Gegenteil ist wahr. Es ist verdammt viel. Und es ist
wichtig, sich an all das und mehr zu erinnern. Denn Widerstand muss auf
etwas aufbauen und für etwas sein. Resilienz ergibt sich aus der Fähigkeit,
Dankbarkeit zu empfinden – so klein die Gründe dafür auch erscheinen mögen.
Demokratische Resilienz wird in den kommenden Monaten und Jahren notwendig
sein wie selten zuvor.
Autoritäre Kräfte leben von Katastrophenerzählungen. Alles ist schlecht,
nichts ist gut, die Welt ist gefährlich, der Feind muss bekämpft werden,
sonst sterben wir. Sich immer wieder bewusst die guten Dinge zu
vergegenwärtigen, ist ein Mittel gegen dieses Gift. Dieses Gegenmittel muss
im Jahr 2026 in jedem Haushaltsschrank liegen. Sonst wird es ein Jahr der
Zermürbung. Worauf man sich fokussiert, das wird größer. Entweder man
fokussiert sich auf die vermeintliche Kraft der autoritären Kräfte von
Donald Trump über Wladimir Putin bis hin zur AfD. Oder man fokussiert sich
auf die Kraft der vielen anderen.
Eines ist sicher: Im großen Ganzen der Geschichte werden die Autoritären
verlieren. Es war stets so und wird immer so ein. Die Frage ist, wie viel
sie auf ihrem Weg zerstören. Es liegt an uns allen, diesen Weg so früh wie
möglich zu versperren. Im neuen Jahr wird es viele Gelegenheiten geben.
18 Dec 2025
## LINKS
[1] /USA-stoppen-Einwanderungsantraege/!6134924
[2] /US-Historikerin-ueber-Trump-und-Mamdani/!6130625
[3] /Berichterstattung-ueber-Anti-AfD-Proteste/!6127283
## AUTOREN
Gilda Sahebi
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