| # taz.de -- „The Reckoning“ über P.Diddy auf Netflix: Eine Doku wie ein Di… | |
| > Die neue Doku „The Reckoning“ ist ein Diss von 50 Cent gegen seinen | |
| > Erzfeind P. Diddy – mit schweren Vorwürfen. Aber vor allem geht es ums | |
| > Geld. | |
| Bild: Vereinte Rapper: 50 Cent, Kanye West, Diddy und Jay-Z 2007 im New Yorker … | |
| Sechs Tage vor seiner Verhaftung taucht Multimillionär Sean Combs, | |
| bekannter als P. Diddy, 2024 plötzlich in Harlem auf und schüttelt Hände. | |
| Ein Kamerateam begleitet ihn. Ein schwarzer Mann schenkt ihm seine | |
| Collegejacke, Combs zieht sie über und springt dann schnell in ein | |
| bereitstehendes Auto. „Hast du Desinfektionsmittel?“, fragt er angeekelt. | |
| Combs, das erzählt diese Szene, verachtet die Menschen, ohne die er niemals | |
| erfolgreich geworden wäre. Er hat vergessen, wo er herkommt. | |
| Die Szene steht symptomatisch für [1][The Reckoning], die Abrechnung, die | |
| vierteilige Netflix-Dokuserie über P. Diddy. Produziert hat sie Curtis | |
| Jackson, besser bekannt als 50 Cent, genau wie Combs eine New Yorker | |
| Hiphopikone und seit Jahren mit ihm verfeindet. Die Dokumentation ist nun | |
| eine Beschwörung des Monströsen. Eine Doku als Alternative zum Disstrack. | |
| Kendrick Lamar unterstellte Drake in seinen Songs, ein schlechter Vater zu | |
| sein. Jackson lässt Diddy wirken wie einen talentlosen Teufel. | |
| Als „Rufmord“ bezeichnet sie das PR-Team des mittlerweile verurteilten und | |
| im Gefängnis sitzenden Combs, gegen den noch immer über 70 Zivilklagen | |
| laufen. Verurteilt wurde er, weil er Sexarbeiterinnen über Grenzen von | |
| Bundesstaaten einfliegen ließ. Alle anderen, schwerwiegenderen Vorwürfe | |
| wurden fallengelassen. Dass das richtig ist, stellt „The Reckoning“ | |
| infrage, aber nicht nur darum geht es. | |
| ## Schlechter Mensch, schlechter Musiker | |
| Starke Bilder sind wirksamer als ein Song. Combs und Jackson wissen das. | |
| Sie sind ohnehin eher Businessmogule als Musiker. Combs investierte in | |
| Wodka, Jackson in Vitaminwasser. Combs führte Bad Boy Records, Jackson | |
| G-Unit. Jackson scheint mit dieser Doku Combs endgültig seine | |
| Geschäftsgrundlage entziehen zu wollen, sein kulturelles Kapital quasi und | |
| seine Kredibiliität. Denn was bleibt ihm, nachdem er als Täter entlarvt | |
| wurde? Nur noch sein Impact auf die HipHop-Kultur. Sein Legendenstatus. | |
| Die Punchlines der Doku sind nun: Er war nicht nur ein schlechter Mensch, | |
| sondern auch ein schlechter Musiker, einer, der nie in der Hood gelebt hat | |
| und dessen geschäftlicher Erfolg allein auf Ausbeutung anderer basierte. | |
| Kurz gesagt: ein Hochstapler, der über Leichen geht. | |
| Die Aufnahmen von Combs kurz vor seiner Verhaftung waren bisher | |
| unveröffentlicht, der einzige Coup der Serie, alles andere war zuvor schon | |
| bekannt. [2][Vergewaltigungs- und Missbrauchsvorwürfe stehen im Raum]. | |
| Mutmaßliche Betroffene kommen zu Wort. Neu sind nicht die Informationen, | |
| sondern der inhaltliche Fokus. „The Reckoning“ seziert Combs als einen, der | |
| sowohl im übertragenen als auch im Wortsinn auf Menschen eintritt, die am | |
| Boden liegen. Als einen, der sich am Tod anderer bereichert und seine | |
| Freunde unabhängig vom Geschlecht nicht nur finanziell, sondern auch | |
| sexuell ausbeutet. | |
| ## Es geht nicht um Aufklärung | |
| Und die Dokumentation macht noch etwas: Sie unterstellt Sean Combs, nicht | |
| weniger als verantwortlich für den Tod zweier der wichtigsten Rapper der | |
| Welt zu sein: 2Pac und The Notorious B.I.G. Verrat an Hiphop also, der | |
| Kultur, durch die er reich geworden ist. Den Mord an 2Pac, so ist in der | |
| Dokumentation in einem Verhörmitschnitt mit einem Gangster zu hören, soll | |
| Combs beauftragt haben. | |
| Biggie soll er trotz massiver Anfeindungen dazu gezwungen haben, in Los | |
| Angeles zu bleiben, wo er zu diesem Zeitpunkt als Persona non grata galt. | |
| Dort wurde er erschossen. Seine Beerdigung, die Combs organisierte, habe | |
| der tote Biggie durch mit dessen Musik erwirtschafteten Einnahmen selbst | |
| zahlen müssen, damit seine Familie nichts vom Geld sieht. So die Erzählung. | |
| Auch den Rapper Kid Cudi, sagt seine ehemalige Assistentin, wollte Diddy | |
| höchstpersönlich erschießen und stürmte mit Pistole in dessen Haus. | |
| Der Wahnsinn in „The Reckoning“ kennt keine Grenzen, die Zeug:innen sind | |
| glaubwürdig. Curtis Jackson schafft es so, unabhängig davon, ob alles | |
| Gesagte wahr ist, P. Diddy das Letzte zu nehmen, was ihm viele noch | |
| zugestanden hatten: seine Relevanz für die Entwicklung von Hiphop. Die | |
| Möglichkeit, aus seiner Legacy weiter Profit zu schlagen. Er wurde von | |
| Jackson, und das ist ja letztlich das Ziel von Disstracks, als Rapper und | |
| als Geschäftsmann vernichtet. Dass Jackson an dieser Vernichtung gut | |
| verdient, zeigt, worum es auch in der Musikindustrie in erster Linie geht: | |
| nicht um den Willen zur Aufklärung, sondern um Geld. | |
| 11 Dec 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.netflix.com/de/title/81906780 | |
| [2] /Teilweiser-Schuldspruch-fuer-P-Diddy/!6094928 | |
| ## AUTOREN | |
| Johann Voigt | |
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