# taz.de -- Gerichtsverfahren gegen P. Diddy: Systematischer Machtmissbrauch | |
> Sean Combs aka P. Diddy, weltbekannter Rapper und Musikproduzent, droht | |
> wegen Sexhandel, organisierter Kriminalität und Erpressung lebenslange | |
> Haft. | |
Bild: Eine Zeichnung aus dem Gericht vom 17. Juni in New York | |
Schon seit fünf Wochen wird der Fall Sean Combs vor einem New Yorker | |
Gericht verhandelt. Seit neun Monaten befindet er sich bereits in Haft. Der | |
55-Jährige hat nun graues Haar. An schwarzes Färbemittel kommt er dort | |
nicht. | |
Besser bekannt ist Combs als P. Diddy, Puff Daddy oder Diddy. Seit Mitte | |
Mai muss sich der US-amerikanische Rapper wegen schwerwiegender Vergehen | |
vor Gericht stellen: in einem Anklagepunkt wirft ihm die Staatsanwaltschaft | |
sogenanntes racketeering – organisierte, kriminelle Geschäfte – vor, in | |
zwei Anklagepunkten Sexhandel (sex trafficking) und in zwei weiteren | |
Transport zur Prostitution. In allen fünf Anklagepunkten streitet Combs | |
seine Schuld ab. Sollte ihn die Jury als schuldig befinden, droht ihm eine | |
lebenslange Haftstrafe. | |
1997 gelang Puff Daddy, wie er sich damals nannte, sein weltweiter | |
Durchbruch. Mit dem Song „I’ll Be Missing You“ – einem Lied, das auf ei… | |
Sample von „Every Breath You Take“ von The Police basiert und dem | |
verstorbenen Rapper The Notorious B. I. G. gewidmet ist – und dem | |
zugehörigen Album „No Way Out“. Heute wird das Vermögen des Rappers und | |
Musikproduzenten auf etwa 400 Millionen US-Dollar geschätzt. | |
[1][Mindestens drei Frauen soll Combs „getraffickt“] haben – also sie | |
rekrutiert und durch Einfluss von Drogen, Gewalt oder Manipulation zum Sex | |
gezwungen haben. Eines der Opfer und Zeugin im Prozess ist Combs | |
Ex-Freundin; die Sängerin Cassie Ventura, die gerade 19 Jahre alt war, als | |
sie den damals 36-Jährigen kennenlernte und kurze Zeit später einen | |
Plattenvertrag mit seinem Plattenlabel „Bad Boy Records“ unterschrieb. | |
## Ex-Freundin klagt wegen sexualisierter Gewalt | |
Sie war es, die mit ihrer Zivilklage, die sie im November 2023 einreichte, | |
dafür sorgte, dass die Ermittlungen gegen den Rapper überhaupt erst | |
losgetreten wurden. Damals warf sie ihm Sexhandel, Körperverletzung und | |
Vergewaltigung vor. Bevor der Fall jedoch vor Gericht landete, einigten | |
sich Combs und Ventura außergerichtlich – nicht einmal 24 Stunden nachdem | |
die Klage eingereicht worden war. Heute ist sie Hauptzeugin. | |
[2][Dutzendfach habe er physische Gewalt an ihr angewendet.] Etwa 2016 in | |
einem Hotelflur, in dem er Ventura brutal zusammentritt, bis sie am Boden | |
liegt. Das ist auf einem Video zu sehen, das erst Jahre später an die | |
Öffentlichkeit gelangte und dann weite Verbreitung fand. Mit Geld versuchte | |
er, mehrere Personen zum Schweigen zu bringen. Einem Security-Mann des | |
Hotels, so sagte dieser selbst im Zeugenstand aus, zahlte Combs 100.000 | |
Dollar in bar für die Aufnahmen der Überwachungskamera des Angriffs. Kerry | |
Morgan, eine Freundin von Ventura, sagte vor Gericht aus, Combs habe nur | |
wenige Tage später mit einem Hammer gegen Venturas Wohnungstür in Los | |
Angeles geschlagen. Sie sagte zudem aus, dass Combs Ventura während eines | |
Jamaikaurlaubs an den Haaren einen 50 Meter langen Flur entlanggezerrt | |
habe. | |
Über Jahre hinweg habe er sogenannte „freak offs“ organisiert und | |
orchestriert– mehrstündige, manchmal mehrtägige Sex-Performances, bei denen | |
etwa Ventura, aber auch andere Frauen vor Combs Sex haben mussten. Dazu | |
wurden männliche Sexarbeiter eingeladen, die über US-Bundesstaats-Grenzen | |
transportiert wurden, so ergibt sich der Strafbestand „Transport zur | |
Prostitution“. Die Opfer sollen dabei oft unter Drogen gestanden haben und | |
danach mit Infusionen versorgt worden sein, um sich von der Erschöpfung und | |
dem Konsum zu erholen. | |
Combs Anwälte behaupten, Ventura habe freiwillig an den Sex-Marathons | |
teilgenommen. Das sollen SMS-Nachrichten beweisen, „Ich bin immer für ein | |
freak off am Start“, schreibt sie unter anderem. Leere Worte, sagt sie im | |
Zeugenstand, denn Combs habe sie oft gezwungen oder mit Aufzeichnungen der | |
„freak offs“ erpresst – über hundertmal soll sie an „freak offs“ | |
teilgenommen haben müssen. | |
## Combs organisierte Sex-Marathons | |
Ähnlich beschreibt es Jane, eine andere Ex-Freundin des Rappers, die unter | |
Pseudonym aussagt. Er habe sie teilweise gezwungen. Andere Male habe sie | |
die „freak offs“ sogar selbst mitorganisiert, weil sie ihm gefallen wollte. | |
Oder um mit der Auswahl der Teilnehmer ein wenig Kontrolle darüber zu | |
behalten, wie sie aussagt. Sie sei außerdem finanziell abhängig von ihm | |
gewesen. Wenn sie nicht an den „freak offs“ teilnehmen wollte, habe er ihr | |
gedroht, ihre Miete nicht mehr zu bezahlen. Bis 2024 waren die beiden noch | |
ein Paar. | |
Um die „freak offs“ zu ermöglichen, habe er ein Netzwerk aus Personal | |
gemanagt, Beweise vernichten lassen, Opfer und Zeug_innen durch Gewalt und | |
Bestechung zum Schweigen gebracht, um seine Macht aufrechtzuerhalten – | |
systematisch und organisiert. Genau darin besteht ein weiterer Anklagepunkt | |
des „racketeering“. Er soll sein Geschäftsimperium, darunter auch das | |
Plattenlabel „Bad Boy Records“, genutzt haben, um dies System zu sichern. | |
Combs Ex-Assistentin, Capricorn Clarke, hat bereits Ende Mai dazu | |
ausgesagt. Was die Racketeering-Vorwürfe angeht, ist sie eine zentrale | |
Zeugin im Prozess. Im Zeugenstand gab sie an, einmal in ein verlassenes | |
Gebäude gebracht worden zu sein, wo sie zu Lügendetektortests gezwungen | |
wurde, als diamantenbesetzter Schmuck des Rappers verloren ging. Ihr soll | |
gedroht worden sein, bei Nichtbestehen in einen New Yorker Fluss geworfen | |
zu werden. | |
## Combs entführte Assistentin | |
Sie sei von Combs zudem mit vorgehaltener Waffe von ihren eigenen Haus | |
entführt und zum Anwesen eines anderen Rappers – Kid Cudi, der damals eine | |
Beziehung mit Combs Ex-Freundin Ventura anfing und der ebenfalls Ende Mai | |
vor Gericht aussagte – gebracht worden, den Combs erschießen wollte. Clarke | |
gab an, seit ihrem ersten Arbeitstag für Combs um die 50 Todesdrohungen | |
mitbekommen zu haben. | |
Noch knappe drei Wochen soll der Prozess andauern. Am Mittwoch wurde er | |
jedoch vorerst ausgesetzt, da ein Geschworener krank wurde. Frühestens am | |
20. Juni also wird Brendan Paul, Combs Ex-Assistent, aussagen können. Er | |
ist einer der letzten Zeugen der Staatsanwaltschaft. | |
19 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Juryauswahl-im-P-Diddy-Prozess/!6086588 | |
[2] /P-Diddy-ist-kein-Einzelfall/!6035914 | |
## AUTOREN | |
Valérie Catil | |
## TAGS | |
Gerichtsprozess | |
Sexualisierte Gewalt | |
sexuelle Nötigung | |
Musikindustrie | |
Schwerpunkt #metoo | |
Machtmissbrauch | |
HipHop | |
Schwerpunkt #metoo | |
Schwerpunkt #metoo | |
Machtmissbrauch | |
Schwerpunkt #metoo | |
Schwerpunkt #metoo | |
Misogynie | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Teilweiser Schuldspruch für P. Diddy: Eine Verurteilung ist noch kein Sieg | |
Der Rapper P. Diddy wurde in zwei Anklagepunkten schuldig gesprochen – und | |
in drei weiteren, den schwersten, nicht. Die Metoo-Ära könnte zuende gehen. | |
Jury befindet P. Diddy für teilschuldig: Eine Faust für die Opfer | |
Wegen fünf Anklagepunkten stand Sean „P. Diddy“ Combs vor Gericht. Die | |
Geschworenen haben ihn in nur zwei davon, den mildesten, schuldig | |
gesprochen. | |
Prozess gegen US-Rapper P. Diddy: Geschworene einigen sich auf Teilurteil | |
Seit Mai läuft der Prozess wegen mutmaßlicher Sexualstraftaten gegen den | |
Musikmogul Sean Combs. Die Jury hat nun ein Teilurteil gefällt. | |
Gérard Depardieu: 18 Monate Bewährung wegen sexueller Belästigung | |
Zwei Frauen warfen Gérard Depardieu sexuelle Übergriffe vor. Ein Pariser | |
Gericht hat nun 18 Monate Haft auf Bewährung gegen den Schauspieler | |
verhängt. | |
#MeToo-Prozess in New York: Neue Runde gegen Harvey Weinstein | |
Am Dienstag beginnt die Neuauflage des New Yorker Prozesses gegen Harvey | |
Weinstein: Drei Frauen werfen ihm Vergewaltigung und sexuelle Übergriffe | |
vor. | |
P. Diddy ist kein Einzelfall: Das Schweigen der Männer | |
Nach misogynen Gewalttaten wird es viel zu schnell wieder leise. Die | |
aktuellen Schreckensnachrichten zeigen: Wir müssen noch lauter werden – und | |
mehr. |