| # taz.de -- 40 Jahre nach rassistischem Mord: „Es war der Beginn aktiven anti… | |
| > 40 Jahre nach dem Mord an Ramazan Avcı in Hamburg wird der Ort des | |
| > Geschehens neu gestaltet. Endlich, sagt Gürsel Yıldırım von der | |
| > Gedenk-Initiative. | |
| Bild: So sieht der neue Gedenkplatz aus: 40 Jahre nach dem Mord am 26-jährigen… | |
| taz: Herr Yıldırım, am 21. Dezember 1985 haben Neonazis den 26-jährigen | |
| Ramazan Avcı vor der S-Bahn-Station Landwehr in Hamburg ermordet. [1][Im | |
| Jahr 2012 wurde der Platz nach ihm benannt]. | |
| Gürsel Yıldırım: Das hat die 2010 gegründete Initiative in Gedenken an | |
| Ramazan Avcı gemeinsam mit Angehörigen erkämpft. Seit dem 25. Jahrestag | |
| seiner Ermordung organisieren wir jedes Jahr eine Gedenkveranstaltung. | |
| Dabei stehen die Stimmen der Angehörigen, von Überlebenden und Betroffenen | |
| von rassistischer Gewalt im Mittelpunkt. | |
| taz: Warum reichte die Umbenennung nicht? | |
| Yıldırım: Wir haben von Anfang an mehr gefordert: Dass nicht nur der Platz, | |
| sondern die ganze Straße umbenannt wird, dass Blumen gepflanzt werden aus | |
| dem Dorf, aus dem Ramazan kam, Gönen im Nordwesten der Türkei. Die | |
| Politiker vom Bezirksamt sagten damals, dass das alles sehr lange dauern | |
| würde. Die Selbstenttarnung des NSU 2011 hat die Sache beschleunigt. Aber | |
| es ging ein bisschen zu schnell mit dem Gedenkstein. | |
| taz: Wie das? | |
| Yıldırım: Es gab einen Entwurf eines Künstlers aus Köln. Aber die Umsetzung | |
| war teuer. Dann hat das Bezirksamt einen anderen Entwurf vorgeschlagen und | |
| wir haben das akzeptiert. [2][Gülüstan Avcı, die Witwe von Ramazan Avcı], | |
| brauchte einen Ort, an dem sie Blumen niederlegen kann. Aber der Platz und | |
| der Gedenkstein wurden unseren Forderungen nach Erinnerung und Sichtbarkeit | |
| nicht gerecht. | |
| taz: Wie sieht der neue Platz aus? | |
| Yıldırım: Er ist in Zusammenarbeit mit Studierenden der Hochschule für | |
| bildende Künste, Gülüstan und uns als Initiative entstanden. Im Zentrum | |
| steht ein Gedenkstein des Bildhauers Van Ngan Hoang. Er hat auch den | |
| Gedenkstein für [3][Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân] entworfen, die 1… | |
| Hamburg bei einem Brandanschlag von Neonazis gestorben sind, später auch | |
| den Gedenkstein für [4][Mehmet Kaymakçı]. | |
| taz: Er wurde im selben Jahr, einige Monate zuvor, in Hamburg-Langenhorn | |
| von Neonazis ermordet. | |
| Yıldırım: Ramazans Gedenkstein ähnelt diesen, sodass eine Verbindung zu den | |
| Morden hergestellt wird. Es wird einen Rosenbusch in einem runden Kübel | |
| geben. Drei Pfeiler mit Metalltafeln, auf einer steht in deutsch und | |
| türkisch „Rassismus Mordet“, einer wird an Ramazan erinnern, beim dritten | |
| können abwechselnd Banner aufgehängt werden. Der Ramazan-Avcı-Platz wird | |
| mehr und mehr ein Gedenkort. Es wird auch anderer [5][Opfer rassistischer | |
| Gewalt in Hamburg] gedacht. Zum 40. Jahrestag am 21. Dezember werden auch | |
| Angehörige aus München und Köln, Aktive aus Dortmund, Lübeck und Berlin | |
| anreisen und an die vielen Opfer rassistischer Gewalt erinnern. | |
| taz: Was bedeutete der Mord an Ramazan Avcı für migrantische | |
| Selbstorganisierung gegen Rassismus? | |
| Yıldırım: Migranten waren vorher vor allem im Blick auf Exilpolitik | |
| organisiert. Nach dem Mord an Ramazan Avcı fokussierten sie sich auf ihre | |
| Situation in Deutschland, es formierte sich trotz politischer Differenzen | |
| und Konflikte eine neue politische Kraft. Im selben Jahr starb Mehmet | |
| Kaymakçı, 1982, hatte [6][Semra Ertan] sich aus Protest gegen Rassismus | |
| angezündet, [7][1980 starben Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân]. Mit Ra… | |
| Avcı war das Fass voll. Der Mord markierte den Beginn aktiven | |
| antirassistischen Widerstands. Türkeistämmige Jugendliche gingen offensiver | |
| gegen die „Glatzen“ vor, als es vorher der Fall war … | |
| taz: Wie sah das konkret aus? | |
| Yıldırım: Migrantische Jugendliche gründeten Selbstverteidigungskomitees in | |
| jedem Stadtteil. Es war klar, dass man etwas gegen Nazis machen wollte, in | |
| der Sprache, die sie verstehen. Das bedeutete, die Neonazis dort zu | |
| besuchen, wo sie zuvor Migrant*innen belästigt hatten. Die Jugendlichen | |
| ließen sich das nicht mehr gefallen, mit einer selbstbewussten Haltung, das | |
| war in dieser Dimension neu. Es gab auch Konflikte, aber sie hatten viele | |
| Menschen im Rücken. Am 11. Januar 1986 demonstrierten mehr als 15.000 | |
| Menschen in Hamburg gegen Rassismus. Zur Teilnahme hatten türkeistämmige | |
| Organisationen aus unterschiedlichsten Milieus aufgerufen. Die Großdemo | |
| eines breiten migrantischen Bündnisses mit so vielen Teilnehmenden ist | |
| einmalig gewesen und einmalig geblieben in dieser Form. | |
| taz: Warum? | |
| Yıldırım: Das ist eine Frage, die mich sehr beschäftigt. Wir werden bei | |
| einer Podiumsdiskussion am Jahrestag der Großdemo die Zeit nach dem Mord | |
| reflektieren und an die Widerstandsperspektive von damals erinnern. | |
| 18 Dec 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Amira Klute | |
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