| # taz.de -- Schutz vor Energiesperren in Bremen: Wenn Dunkelheit droht | |
| > Die Linksfraktion fordert die Fortsetzung des Fonds gegen Energiearmut. | |
| > Die Situation der Betroffenen habe sich nicht entspannt, die Zahlen | |
| > steigen. | |
| Bild: Wenn der Strom abgestellt wird, sind Kerzen oft die einzige Lichtquelle �… | |
| In Bremen müssen immer mehr Haushalte damit rechnen, dass ihnen der Zugang | |
| zu Strom, Wasser oder Gas abgedreht wird. Die Zahl der drohenden und | |
| vollzogenen Energie- und Wassersperren steigt in Bremen und Bremerhaven in | |
| diesem Jahr voraussichtlich deutlich auf rund 2.000 Fälle an. | |
| Vor diesem Hintergrund spitzt sich ein Konflikt zwischen der SPD-geführten | |
| Sozialbehörde von Senatorin Claudia Schilling und der Fraktion der | |
| mitregierenden Linken in der Bürgerschaft um einen [1][Härtefallfonds für | |
| Energie- und Wasserversorgung] zu. Die Linksfraktion fordert die | |
| Fortsetzung des Instruments, die Sozialbehörde setzt stattdessen auf | |
| dezentrale Beratung. Ein eigens in Auftrag gegebenes Gutachten soll die | |
| Position der Linken stärken. | |
| „Der Härtefallfonds war ein wichtiges [2][Instrument gegen Energie- und | |
| Wassersperren]“, sagt Sofia Leonidakis, Vorsitzende der Linksfraktion und | |
| sozialpolitische Sprecherin. Der 2021 als einmaliges Hilfesystem | |
| eingerichtete Fonds für Transferleistungsbeziehende war schon Ende 2024 | |
| ausgelaufen. Der 2023 eingeführte erweiterte Fonds für Niedrigverdiener | |
| ohne Transferleistungen steht aktuell im Fokus der Debatte und seine | |
| Fortführung ist umstritten. | |
| Die Linke warnt, dass sich die Situation der Menschen, die von Energie- und | |
| Wassersperren betroffen sind, nicht entspannt hat – im Gegenteil. Aus der | |
| aktuellen Antwort des Senats auf eine Anfrage der Fraktion vom August | |
| dieses Jahres geht hervor, dass [3][die Zahl der Energiesperren in Bremen | |
| und Bremerhaven in diesem Jahr voraussichtlich auf rund 2.000 ansteigen | |
| wird]. Im vergangenen Jahr waren es 1.521. | |
| Der Beratungsbedarf bei der Verbraucherzentrale war von 2023 auf 2024 um 86 | |
| Prozent gestiegen. Die Hochrechnung für das Gesamtjahr 2025 lässt einen | |
| weiteren Anstieg um über 40 Prozent gegenüber 2024 erwarten. | |
| Deutlich gestiegen ist auch die Summe der Gesamtforderungen, die in der | |
| Energieberatung der Verbraucherzentrale Bremen bearbeitet wurden. Diese hat | |
| sich demnach von 2023 auf 2024 mehr als verdreifacht. Auch die Höhe der | |
| Pro-Kopf-Schulden stieg von durchschnittlich 2.100 Euro pro Person auf | |
| durchschnittlich 3.300 Euro pro Person. | |
| ## Rechnungshof moniert hohe Verwaltungskosten | |
| Der Versorger SWB hatte bereits im April dieses Jahres vor steigenden | |
| Fallzahlen gewarnt. Es gebe „seit Mitte 2024 bei den Abrechnungen wieder so | |
| etwas wie einen normalen Betrieb“, sagte Helmer Janßen, Bereichsleiter bei | |
| SWB Vertrieb. „Das bedeutet: Wir rechnen künftig wieder mit Sperrzahlen aus | |
| der Zeit vor Corona, wo wir bei etwa 4.000 Vorgängen im Jahr lagen.“ | |
| Leonidakis verweist auf zunehmende Wohn- und Energiearmut sowie prekäre | |
| Lebenslagen als Gründe für die Entwicklung. Viele Abwendungsvereinbarungen | |
| mit dem Versorger SWB scheiterten, was zu Sperren führe. Eine Wohnung ohne | |
| Strom, Heizung oder Wasser sei faktisch unbewohnbar und bringe Menschen in | |
| existenzielle Not. | |
| Der Senat lehnt eine Wiederaufnahme des Härtefallfonds mit Verweis auf den | |
| Rechnungshof ab. Dieser hatte [4][hohe Verwaltungskosten von 61 Prozent der | |
| gesamten Mittel, eine unnötige Doppelstruktur zu bestehenden | |
| Sozialgesetzbüchern (SGB II/XII) und niedrige Antragszahlen moniert] und | |
| hält das Instrument für verzichtbar. | |
| Für die Umsetzung hatte der Senat die Verbraucherzentralen in Bremen und | |
| Bremerhaven beauftragt. Konkret wurden von dort über die Jahre nur 43.000 | |
| Euro an Hilfeleistungen gewährt – es gab weit weniger Anträge als erwartet. | |
| Die Aufwandsentschädigung an die Verbraucherzentralen für die Durchführung | |
| betrug jedoch 70.000 Euro. | |
| Um die Einschätzung des Rechnungshofs zu prüfen, hat die Linke ein eigenes | |
| Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das diesen Freitag veröffentlicht | |
| wurde. Die Linksfraktion sieht sich von den Ergebnissen bestätigt. Das | |
| Gutachten der Kanzlei Göhmann kommt zu einem durchmischten Fazit. Der | |
| Rechnungshof habe grundsätzlich recht: Wenn irgendwie möglich, müssen | |
| Leistungen erst einmal über die Sozialgesetzbücher II und XII gewährt | |
| werden; Jobcenter und Sozialämter seien vorrangig verantwortlich. | |
| Es könne aber einzelne Fälle geben, die dort nicht antragsberechtigt seien. | |
| Welche Konstellation das konkret sein könnte, das bleibt offen. Aber: | |
| Schließlich hätten auch Hannover und [5][Berlin entsprechende Fonds,] und | |
| ganz offenbar gebe es dort ja korrekte Anwendungsfälle. Für diese | |
| Härtefälle einen eigenen Ausweg aus der Not zu bieten, sei prinzipiell | |
| rechtens – immerhin gehe es bei der Abwendung von Energiesperren auch um | |
| den Schutz vor Wohnungslosigkeit und damit um ein Staatsziel. | |
| Allerdings sieht auch das Auftragsgutachten die Bearbeitung durch die | |
| Verbraucherzentralen kritisch. Die sei nicht nur unzulässig teuer, sondern | |
| auch gar nicht zuständig. Entschieden Verbraucherzentralen über die | |
| Gewährung von öffentlichem Geld, würden sie damit hoheitlich gehandelt – | |
| das würde ihre Kompetenzen als Verwaltungshelfer eindeutig überschreiten. | |
| Die Landesregierung setzt statt des Härtefallfonds nun auf den | |
| Zappenduster-Prozess, einen seit zehn Jahren etablierten | |
| Kooperationsmechanismus im Land Bremen, der im Rahmen des [6][Runden | |
| Tisches Energie- und Wassersperren vermeiden] läuft. Er ist Teil der | |
| gleichnamigen Kampagne „Zappenduster!“, die durch Information, Beratung und | |
| schnelle Hilfsmaßnahmen Energie- und Wassersperren verhindern soll. | |
| ## Schutzlos ohne Fonds | |
| Das Verfahren ist zweistufig: Bei einer drohenden Sperre, zum Beispiel nach | |
| einer Mahnung, prüft der Versorger, ob eine Ratenzahlung oder Stundung | |
| möglich ist oder ob Leistungsbehörden wie das Jobcenter Rückstände | |
| übernehmen können. | |
| Wenn das scheitert, wird der Fall mit Einverständnis der Betroffenen an die | |
| Verbraucherzentrale weitergeleitet. Dort gibt es eine umfassende Beratung | |
| zu gesetzlichen Ansprüchen wie Wohngeld und ALG II, zur Energiereduzierung, | |
| Budgetplanung und Schuldenbereinigung. Um nachhaltige Lösungen zu finden, | |
| ist eine Schuldenberatung integriert. Der Prozess diente bis Ende 2024 als | |
| Vorstufe zum Härtefallfonds. | |
| Leonidakis kritisiert dies als unzureichend: „Die steigende Zahl der | |
| Energiesperren macht deutlich: Das bisherige Instrumentarium reicht nicht | |
| aus.“ Anders als der Senat glaubt die Linksfraktion nicht, dass von einer | |
| Normalisierung der Situation auszugehen ist. Ohne Fonds seien immer mehr | |
| Menschen schutzlos ausgeliefert. | |
| 13 Dec 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /nachrichten/!5958329/ | |
| [2] /Haushalte-mit-Kindern/!6058669 | |
| [3] https://www.bremische-buergerschaft.de/drs_abo/2025-12-03_Drs-21-1508_04150… | |
| [4] https://www.rechnungshof.bremen.de/sixcms/media.php/13/2025-04-04_RH-Jahres… | |
| [5] /Energieschulden-in-Berlin/!5958840 | |
| [6] https://www.soziales.bremen.de/sixcms/media.php/13/Zappenduster_Faltblatt_D… | |
| ## AUTOREN | |
| Robert Matthies | |
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