# taz.de -- Strom-, Gas- und Wassersperren nehmen zu: Bei Armut droht der Black… | |
> In Hamburg wurde im vergangenen Jahren bei viel mehr Menschen Strom, | |
> Wasser oder Gas abgestellt. Ein Härtefallfonds wurde kaum genutzt. | |
Bild: Ganz unromantisch: Für diese Familie ist Kerzenschein der Retter in der … | |
Hamburg taz | Dunkle Zimmer, kein warmes Wasser, keine Möglichkeit zu | |
heizen, zu kochen oder Lebensmittel zu kühlen: Die [1][Folgen einer | |
Energiesperre] sind drastisch. In Hamburg waren davon im vergangenen Jahr | |
deutlich mehr Menschen betroffen als im Jahr zuvor. Bei Stromsperren gab es | |
einen sprunghaften Anstieg, ihre Zahl hat sich im Vergleich zum Vorjahr | |
nahezu verdreifacht: 2024 wurde 6.145 Haushalten der Strom abgedreht, 2023 | |
waren es 2.174. Bei Wassersperren gab es nahezu eine Verdoppelung von 285 | |
auf 549. Die Zahl der Gassperren stieg noch stärker: von neun im Jahr 2023 | |
auf 49 im Jahr 2024, also auf mehr das Fünffache. Das ergab eine Kleine | |
Anfrage der Linken-Bürgerschaftsfraktion an den Hamburger Senat. | |
Für die Betroffenen kann eine Energiesperre [2][zu gesundheitlichen | |
Problemen und sozialer Isolation] führen. Besonders gefährdet sind Familien | |
mit Kindern, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen oder | |
Vorerkrankungen. Im Alltag kann eine Stromsperre auch akut gefährlich | |
werden: Weil oft Kerzen als Notbeleuchtung genutzt werden und Essen auf | |
Campingkochern zubereitet wird, steigt die Gefahr von Unfällen und Bränden. | |
Lebensmittel verderben im Kühlschrank, Tiefkühlkost taut auf und | |
vergammelt. | |
Die Gründe für den sprunghaften Anstieg der Energiesperren sind | |
vielschichtig. [3][Steigende Energiepreise] spielen eine Rolle, die | |
einkommensschwache Haushalte hart treffen. Viele Betroffene leben bereits | |
am Existenzminimum, haben Schulden und kämpfen mit Arbeitslosigkeit oder | |
Krankheit. Die steigenden Energiekosten verschärfen ihre Situation | |
zusätzlich. | |
Eine Energiesperre ist dann eine weitere große finanzielle Belastung. Für | |
Mahnungen vor einer Sperre und die anschließende Freischaltung berechnen | |
Versorger teilweise hohe Gebühren und verschärfen so die | |
Verschuldungssituation ihrer Kunden. | |
Bestehende Unterstützungsmaßnahmen reichen dabei in Hamburg offenbar nicht | |
aus. [4][Die Stadt hatte im November 2022 einen Härtefallfonds] von 15 | |
Millionen Euro aufgelegt. Er konnte bis zu 80 Prozent der Energieschulden | |
übernehmen. Doch das Hilfsangebot wurde nur 75-mal genutzt – bei tausenden | |
betroffenen Haushalten. Ausgezahlt hat die Sozialbehörde laut ihrem | |
Abschlussbericht in eineinhalb Jahren nur etwas mehr als 105.513 Euro. | |
Die Behörde vermutet in dem Bericht, dass der Fonds so selten in Anspruch | |
genommen wurde, weil sich viele Betroffene „anderweitig Hilfe gesucht | |
hatten“, da „der Härtefallfonds erst mit Vorlage der Sperrkündigung in | |
Anspruch genommen werden konnte“. | |
Empfänger von Sozialleistungen etwa konnten den Fonds nicht nutzen. Sie | |
können stattdessen beim Jobcenter einen Antrag auf Übernahme der | |
Energieschulden stellen und eine Beihilfe zur Vermeidung der Energiesperre | |
beantragen. Leistungen für Heizung und Stromkosten können direkt übernommen | |
werden. [5][Aus Scham stellen viele diese Anträge aber nicht] und | |
versuchen, mit den Versorgern Ratenzahlungsvereinbarungen zu treffen – | |
häufig vergeblich. | |
## Linke fordert neuen Hilfsfonds | |
„Viel zu kompliziert und viel zu unbekannt war der Fonds“, kritisiert Olga | |
Fritzsche, sozialpolitische Sprecherin der Hamburger Linksfraktion. Sie | |
fordert, ihn niedrigschwellig neu aufzulegen, schließlich seien nur rund | |
sieben Prozent des ursprünglichen Budgets ausgegeben worden. „Angesichts | |
der hohen Sperrungszahlen ist es völlig unverständlich, dass der | |
Härtefallfonds nur so wenig genutzt wurde“, findet Fritzsche. „Da wurde an | |
den tatsächlichen Bedarfen völlig vorbeigeplant.“ Statt den Fonds auslaufen | |
zu lassen, hätte man nachbessern und dafür sorgen müssen, dass mehr | |
Menschen den Fonds in Anspruch nehmen können. | |
„Der Staat könnte handeln und die Energiepreise von den Netzentgelten | |
befreien, damit sich Energiesperren endlich erledigen“, schlägt Stephan | |
Jersch vor, energiepolitischer Sprecher der Linksfraktion. Auch | |
kostengünstige Grundkontingente für Energie könnten eine Lösung sein, so | |
Jersch. „Mit Energieversorgern in öffentlicher Hand könnte Hamburg hier | |
selber handeln.“ | |
Warum die Zahl der Energiesperren im vergangenen Jahr so stark gestiegen | |
ist und ob eine Neuauflage des im März 2024 ausgelaufenen Fonds oder | |
alternative Unterstützungsmaßnahmen geplant sind, konnte die Hamburger | |
Sozialbehörde auf taz-Anfrage bis Redaktionsschluss nicht beantworten. | |
20 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Haushalte-mit-Kindern/!6058669 | |
[2] https://www.oekom.de/_files_media/titel/leseproben/9783865814289.pdf | |
[3] /Experten-ueber-Energiepreise-2025/!6059334 | |
[4] https://www.hamburg.de/service/info/111103376/ | |
[5] https://www.oekom.de/buch/energiewende-aber-fair-9783865814289 | |
## AUTOREN | |
Robert Matthies | |
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